Berlin. . Auf Portalen wie „Smava“ und Co. helfen sich Privatleute und Kleinunternehmer gegenseitig. Statt das Ersparte anonym bei der Bank anzulegen, wissen die Kreditgeber, was mit ihrem Geld finanziert wird. Und der Kreditnehmer bekommt Geld für Projekte, die eine Bank nie finanzieren würde.
Der Beamte aus Niedersachsen hatte leichtes Spiel. Sein Kreditwunsch über 20 000 Euro war in nur einem Tag erfüllt. Zu einem sehr günstigen Zinssatz von 3,4 Prozent. Der Clou an der Sache: Eine Bank musste der 33-Jährige mit der Top-Schufa-Bonität „A“ dafür nicht in Anspruch nehmen. Unter dem Pseudonym „SunPower09“ beschafft er sich sein Geld lieber bei „Smava“, einer Onlineplattform, auf der sich Privatleute und Kleinunternehmer gegenseitig Geld leihen. Kreditgeber des Beamten sind Privatmenschen, die sich „Guntzi“, „Pilger“ oder „Hansbank“ nennen. Sie stellen dem Mann jeweils kleinere Summen zwischen 250 und 1500 Euro zur Verfügung. „Sunpower09“ bekommt so von 57 Privatleuten Geld geliehen.
Was auf den ersten Blick wenig seriös erscheinen mag, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem weitgehend akzeptierten Geschäftsmodell entwickelt. Man spricht von „peer-to-peer-Krediten“ oder „Schwarmfinanzierungen“. Die Idee dahinter: Privatleute können sich selbst aussuchen, wem sie ihr Geld leihen. Anstatt die Ersparnisse anonym bei der Bank anzulegen, wissen die Kreditgeber, was mit ihrem Geld passiert. So können sie beispielsweise ein Biocafé oder einen neuen Traktor für einen Bauernhof finanzieren, den sie für unterstützungswürdig halten. Der Kreditnehmer wiederum bekommt Geld für Projekte, die eine Bank nie finanzieren würde.
Es gibt auch schwarze Schafe
Zwar ist nicht jede Plattform zu empfehlen, es gibt auch schwarze Schafe. Doch Verbraucherschützer wie die Stiftung Warentest halten Smava für eine seriöse Anlaufstelle. Das liegt vor allem daran, dass Kleinanleger, die als Kreditgeber auftreten, ein Sicherheitsnetz für ihre Einlagen bekommen. So müssen Kreditsuchende ihre Bonität mit einer Schufa-Auskunft und Einkommensbelegen nachweisen. Bei einem „A“ der Schufa gibt es günstige Kredite, bei einem „G“ oder „H“ mit höheren Ausfallrisiken werden deutlich höhere Zinsen fällig.
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So muss beispielsweise ein 43 Jahre alter Freiberufler aus Hessen 12,2 Prozent zahlen, um sich für fünf Jahre 10.000 Euro zu leihen. Aber auch der Mann mit nur eingeschränkter Kreditwürdigkeit findet rasch Geldgeber. In weniger als fünf Minuten hatte er die 10.000 Euro beisammen. 26 Geldgeber halten das Risiko anscheinend für beherrschbar – obgleich „Freude43240“ seinen Kreditwunsch lapidar damit begründet, dass sich für ihn gerade „eine neue Perspektive eröffnet“ habe, die er „gerne ergreifen möchte“.
Kein Totalverlust bei Kreditausfällen
Dass die Geldgeber ihm dennoch vertrauen, hat einen einfachen Grund: Smava poolt die Kreditrisiken nach Risikoklassen. Anleger der gleichen Klasse müssen bei Kreditausfällen gemeinsam einspringen, so dass es keinen Totalverlust gibt. Dafür jedoch einen Renditeabschlag, der mit steigendem Kreditrisiko zulegt. Interessant für Geldgeber ist deshalb nicht die nominale Rendite, sondern die „erwartete“ Rendite.
Im Beispiel bleiben nach Abzug eines Risikoaufschlags und der Smava-Gebühr 4,4 Prozent übrig. In Zeiten extrem niedriger Zinsen ist das immer noch ein sehr guter Wert, der sich mit keinem Festgeldkonto erreichen lässt. Wer dem Beamten aus Niedersachsen Geld leiht, darf mit rund 2,6 Prozent Rendite rechnen, weil das Ausfallrisiko deutlich kleiner ist. Anleger müssen allerdings bedenken, dass dabei kalkulatorische Zinsausfälle aus den Erfahrungen der Vergangenheit angesetzt werden. Fallen mehr Kredite aus als früher, sinkt auch die Rendite. „Dann ist auch ein Verlust möglich“, warnt die Stiftung Warentest.
Kerstin Föller von der Verbraucherzentrale Hamburg rät potenziellen Geldgebern, sich eingehend mit „Smava“ zu beschäftigen. So sei Anlegern oft nicht bewusst, dass die Kreditlaufzeiten oft sehr lang sind (fünf Jahre oder mehr) und Anleger ihr Geld nicht vorzeitig zurückverlangen können.
Kreditsummen und deren Aufteilung sollten gut überlegt werden
Auch die Auswahl der Kreditsummen und deren Aufteilung auf mehrere Kreditnehmer sollten gut überlegt werden. Einerseits spricht vieles dafür, pro Kredit nur die Mindestsumme von 250 Euro zu investieren und größere Summen auf mehrere Kreditnehmer unterschiedlicher Risikoklassen aufzuteilen. Der Schuss kann jedoch auch nach hinten losgehen. Wer zu viele Einzelkredite vergibt, gerät womöglich als gewerblicher Kreditgeber ins Visier von Banken und Finanzaufsicht, warnt Verbraucherschützerin Föller.
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Wem also kann man sein Geld anvertrauen? Am besten sucht man sich Schuldner aus, die möglichst viele Informationen zu ihrem Kreditwunsch und ihren finanziellen Verhältnissen angeben. Von Kreditanfragen mit schwammigen Begründungen wie „Wunscherfüllung“ sollte man aber lieber die Finger lassen. Für Kreditnehmer könnte „Smava“ vor allem bei kleineren Summen interessant sein, die Banken nicht finanzieren. „Bauchschmerzen haben wir allerdings bei Leuten, die bei Banken wegen schlechter Bonität keinen Kredit mehr bekommen“, warnt Verbraucherschützerin Föller. Deshalb: Wem die Schulden über den Kopf wachsen, wird auch mit Smava nicht glücklich.