Berlin. Weizen ist schwer in Verruf geraten. Es soll krank und dick machen. Ist das Dinkel-Brötchen zum Frühstück gesünder? Experten klären auf
Neulich ein Gespräch an der Backtheke eines Berliner Bio-Supermarktes: „Ist das alles Weizen?“, fragt eine Kundin und fährt mit dem Finger über die Scheibe der Auslage mit dem süßen Gebäck. „Gar nichts aus Dinkel mehr da?“ „Leider nein“, antwortet die Verkäuferin. Die Kundin geht, ohne etwas zu kaufen.
Jetzt muss man sagen: Vielleicht leidet die Frau unter einer Weizenallergie, von der in Deutschland Schätzungen zufolge 0,1 bis 0,5 Prozent der Menschen betroffen sind. Oder an einer Weizensensitivität, die fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung betreffen könnte. Vielleicht ist die Kundin aber auch einfach der Meinung, Weizen sei ungesund oder mache sogar krank.
Der Verzicht auf Weizen liegt seit Jahren im Trend, der Ruf der Getreidesorte ist kein besonders guter. Gibt man bei Google die Worte „Ist Weizen“ ein, schlägt die Suchmaschine als erstes das Wort „ungesund“ zur Vervollständigung vor. Was sagen also Ernährungsexpertinnen auf die Frage: Ist Weizen ungesund?
Weizen: Verwechslung mit Weißmehl
Britta Gerckens von der Verbraucherzentrale Hamburg sagt zunächst einmal: „Grundsätzlich ist Weizen unser wichtigstes Getreide und die Menschheit isst es schon sehr, sehr lange.“ Und Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärt: „Die Basis für eine vollwertige Ernährung bilden pflanzliche Lebensmittel, also auch Getreideprodukte. Und dazu zählen auch Produkte aus Weizen.“
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Woher kommt dann der Mythos vom ungesunden Weizen? Gerckens sagt, sie hätten sich darüber viele Gedanken gemacht und seien zu dem Schluss gekommen, dass es neben Influencerinnen und Promis, die öffentlichkeitswirksam verzichten, mit den daraus hergestellten Produkten zusammenhängt: „Weizen ist in Gebäck, Keksen, in Fertigprodukten wie Tiefkühlpizza enthalten.“
Und das oft in seiner schlechtesten Form – dem ganz feinen, weißen Mehl, in dem nicht mehr so viele gute Inhaltsstoffe drin seien. „Die meisten Menschen denken wahrscheinlich an diese hochverarbeiteten Produkte, wenn sie an Weizen denken“, vermutet Gerckens. Und sie verwechselten wahrscheinlich häufig Weiß- mit Weizenmehl.
Vollkornmehl ist am wertvollsten
Dabei meint Weißmehl das besonders helle Weizenmehl der Type 405, das den niedrigsten sogenannten Ausmahlungsgrad hat. Bedeutet: Es wird nur der weiße Kern des Korns, der Mehlkörper, ohne die Nährstoffreichen Randschichten und ohne den Keimling vermahlen. Bei Dinkelmehl heißt dieser niedrigste Ausmahlungsgrad Type 630, bei Roggen 815.
„Je höher die Typenbezeichnung, also der Ausmahlungsgrad, desto mehr Vitamine und Mineralstoffe sind noch enthalten“, erklärt Gerckens. Bei Weizen sind es unter anderem die Vitamine E, B1, B2, B6, Kalium, Magnesium, Zink, Eisen, Phosphor, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, zählt Silke Restemeyer von der DGE auf.
Am wertvollsten ist das Vollkornmehl, bei dem – der Name sagt es – das volle Korn vermahlen wird. Vollkornprodukten wird ein herzschonender Effekt nachgesagt, die enthaltenen Ballaststoffe wirken ausgleichend auf den Blutzuckerspiegel, sorgen für eine geregelte Verdauung und ein längeres Sättigungsgefühl. Und dabei sei es unerheblich, ob man Dinkel-, Roggen- oder Weizenvollkornmehl esse, betonen die Expertinnen.
Glutenfreie Ernährung: Es gibt keine klaren Trend
„Es gibt viele Menschen, die nur noch Dinkelprodukte essen, weil das angeblich so viel besser sei als Weizen“, sagt Gerckens. Aber Dinkel, die Ur-Form des heutigen Weizens, unterscheide sich bezüglich der Inhaltsstoffe nur gering. Welche Getreidesorte die gesündeste sei, könne man überhaupt nicht sagen, betont auch Restemeyer.
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„Grundsätzlich empfehlen wir, die Vielfalt der Lebensmittel zu nutzen – auch bei den Getreidesorten“, sagt die Oecotrophologin. Man könne die Mehlsorten variieren, auch mal mischen. „Oder man macht mal eine Pizza selbst mit Vollkornmehl oder zumindest einem höheren Ausmahlungsgrad“, sagt Britta Gerckens.
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Silke Restemeyer hat noch eine andere Vermutung, warum der Weizen in Verruf geraten ist. Sie hat mit dem Trend zu tun, sich glutenfrei zu ernähren. Seit einigen Jahren steigt der Absatz solcher Produkte, die ursprünglich mal für Menschen mit Unverträglichkeiten wie Zöliakie entwickelt wurden.
Mit dem Übergewicht steigt das Risiko für Krankheiten
Gluten, auch Klebereiweiß genannt, kommt im Mehl verschiedener Getreidesorten vor und sorgt in Verbindung mit Wasser dafür, dass ein formbarer Teig entstehen kann. „Und obwohl Gluten auch in Gerste, Roggen oder Dinkel vorkommt, bringen die Menschen es häufig vor allem mit Weizen in Verbindung“, glaubt Restemeyer. Gesund sei dieser Trend im Übrigen nicht. Wer sich ohne Not glutenfrei ernähre, schränke seine Nährstoffzufuhr unnötig ein. „Und langfristig fehlen wichtige Nährstoffe.“
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Auf die Frage, ob Weizen ungesund ist, können also beide Expertinnen mit einem klaren Nein antworten. „Man kann sehr gerne Weizen verzehren“, sagt Gerckens. Es sei natürlich wie immer: Die Dosis mache das Gift. „Wenn ich mich einseitig von Produkten aus 405er-Weizenmehl ernähre, dann kann das auch krank machen.“
Aber Weizen könne nicht der alleinige Auslöser von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Übergewicht sein. „Sondern es ist grundsätzlich so: Nimmt man zu viel Energie zu sich und bewegt sich gleichzeitig zu wenig, kann man übergewichtig werden und das Risiko für diese Krankheiten steigt.“ Es sei einfach eine Frage der Energiebilanz – egal, ob mit oder ohne Weizen.