Bochum. Greta Koch (13) und Lissy Knorth (11) hegen und pflegen beim Hobby Horsing Steckenpferde. Der Trend aus Finnland ist auch hier angekommen.
Langsam neigt sich die Abendsonne über den Bochumer Stadtteil Altenbochum und taucht das einladende Fleckchen Grün inmitten der Siedlung in ein goldenes Licht. Die letzten Sonnenstrahlen nutzen Greta Koch (13) und Lissy Knorth (11), um an der frischen Luft zu trainieren. Doch die beiden Mädels sind nicht allein. Mit dabei sind Colby und Topi – zwei waschechte Hobby Horses.
Der Anglizismus ist zumindest hierzulande neu, die Idee hinter den possierlichen Tierchen nicht. Mit Steckenpferden galoppierten Kinder schon durchs Mittelalter. Aus dem Spiel von damals ist heute eine Trend-Sportart geworden, die aus Finnland auch in die Region geschwappt ist – zum TV Frisch-Auf Altenbochum.
Hobby Horsing ist schweißtreibend
Wie schweißtreibend das Hobby Horsing sein kann, zeigen Greta und Lissy eindrucksvoll. Mitten auf der kleinen Wiese steht eine blaue Hürde. Und auf die steuert Greta geradewegs, mit ihrem Steckenpferd Colby in der Hand, zu. Die 13-Jährige wird immer schneller und schneller, nur um schließlich kurz vor dem Hindernis abzuheben.
Ähnlich wie ein Hürdenläufer klappt Greta ihre Beine ein und fliegt förmlich über die Stange. „Mein Rekord liegt bei 1,20 Meter“ erzählt sie. Damit springt sie rund 14 Zentimeter höher, als es die Männer beim 110-Meter-Hürdenlauf machen würden.
Lob für die Steckenpferde
Anstatt sich selbst für diese Leistung auf die Schulter zu klopfen, tut sie es bei Colby. Nach dem erfolgreichen Sprung streichelt Greta den flauschigen Hals des Ponys – ganz so, wie es Reiter auch bei Pferden aus Fleisch und Blut machen. Für Greta und Lissy sind ihre Steckenpferde nämlich weitaus mehr als nur Sportgeräte . „Jedes Hobby Horse hat einen eigenen Charakter mit Stärken und Schwächen. Colby zum Beispiel ist ein guter Springer. Ganz so wie ich“, verrät Greta und lächelt.
Zwar ist Colbinchen, so der liebevolle Spitzname, ihr Lieblingspferd – ihr einziges ist es aber nicht. Etwa acht Steckenpferde hat die Bochumerin. Jedes von ihnen hat eine eigene kleine Box in Gretas Zimmer, samt Steckbrief an der Stalltür. Bei ihrer Freundin Lissy sieht es ähnlich aus. Sieben Plüsch-Pferde stehen bei der Elfjährigen im Stall. Das Zubehör wie Halfter oder Trensen basteln die Mädels meist selbst und nach eigenen Wünschen. So verirrt sich auch mal das ein oder andere Strasssteinchen aufs Zaumzeug.
Trend ist in der Sportszene angekommen
Eine ganze Reihe weißer Steine ziert heute auch Colbys Stirnband. Doch das ist nicht das einzige, was in der Abendsonne glitzert. Die dunkelbraune Woll-Mähne hat Greta ihm zu Zöpfen geflochten und anschließend mit weißen Perlen verziert.
„Es steckt so viel mehr hinter dem Hobby Horsing, als der eigentliche Sport“, weiß Monique Gerling. Die 46-Jährige ist nicht nur Gretas Mutter, sondern auch Hobby-Horsing-Trainerin. Vor dreieinhalb Jahren startete Gerling eine Steckenpferd-Gruppe beim TV Frisch-Auf Altenbochum. „Anfangs wurden wir etwas belächelt“, erinnert sie sich. Die Zeiten sind längst vorbei. Mittlerweile sind 25 Steckenpferd-Besitzer zwischen acht und 14 Jahren für die Gruppe angemeldet. „Hobby Horsing ist in der Sportszene angekommen.“
Eleganter als joggen
Eine „Reitstunde“ dauert 60 Minuten und wird in zwei Disziplinen geteilt. Zuerst kommt die Dressur. Ganz so wie im echten Reitsport müssen Greta und Lissy in der halben Stunde auf ihre Haltung achten – Oberkörper gerade, Blick nach vorn. Mit ihren eigenen zwei Beinen ahmen sie die Schritte des Pferdes nach. „Und das möglichst leichtfüßig – egal ob Schritt, Trab oder Galopp. Man muss sich das vorstellen wie joggen, nur eleganter“, beschreibt Monique Gerling.
Mit gestreckten Beinen schreiten die Hobby Horserinnen auch nun über die Wiese, scheinen zuerst immer die Zehenspitzen wieder auf den Boden zu setzen und lächeln. Es ist nicht aufgesetzt, sondern kommt aus vollen Pferdemädchen-Herzen . „Einmal Pferdemädchen, immer Pferdemädchen. Bei mir war das in Gretas Alter nicht anders“, sagt Monique Gerling, die am Rand der Wiese steht und ihren beiden Schülerinnen dabei zusieht, wie sie übers Gras tänzeln.
Höhenflüge beim Springen
Nach den 30 Minuten Dressur sind die Steckenpferde und vor allem ihre Besitzer warm genug für einen
Höhenflug. Hürde um Hürde wir dann in der Sporthalle genommen. Reibungslos läuft das nicht immer, wie Monique Gerling weiß: „Manchmal sind die Pferde auch nicht gut drauf. Dann lassen sie sich nicht gut reiten, verweigern beim Springen oder gehen durch – ebenso wie es auch bei einer normalen Stunde mit echten Pferden passieren könnte.“
Den sturköpfigen Pferden und Ponys hauchen ihre Besitzer Leben ein. Die Eigenarten der Huftiere entstehen in der Gedankenwelt junger Mädchen. „Hobby Horsing ist Fantasie hoch zehn“, freut sich Monique Gerling.
Hobby Horsing beflügelt Fantasie
Nicht nur beflügelt das Training mit den Steckenpferden die Fantasie und steigert die Ausdauer, es ist auch äußerst gesellig. Immer wieder quatschen und kichern die beiden Mädels, während sie nebeneinanderher traben. Bei Turnieren, ja, auch die gibt es, herrscht aber konzentriertes Schweigen. „Wir hatten selbst vor, vom TV Frisch-Auf Altenbochum ein deutschlandweites Turnier dieses Jahr zu veranstalten. Dann kam allerdings Corona“, ein bisschen ist die Enttäuschung aus Monique Gerlings Stimme heraus zu hören. Aber verschoben ist ja nicht aufgehoben. Sollte sich die Lage wieder entspannen, heißt es: Auf die Steckenpferde, fertig, los!
Online Inspiration:
Beim TV Frisch-Auf Altenbochum beginnen im Februar die neuen Kurse zum Thema Hobby Horsing. Training immer mittwochs 16.30-17.30 Uhr (8-14 Jahre). Außerdem trainieren mittwochs von 14.30-15.15 sowie 15.30-16.15 Uhr die Jüngeren (ab vier Jahren) mit Denise „Nisi“ Poppe.
Auf der Homepage des Vereins www.frischaufaltenbochum.de finden sich Videos zum Basteln eines Steckenpferdes und wie erste Schritte im Sport aussehen.