Essen. . Weihnachten im Sommer? Nur ein Gedankenspiel. Mit Blick auf Staus und Parkplatzstress in Innenstädten aber würde das wohl manches entkrampfen.
Abschleppdienste haben derzeit Hochkonjunktur. Die Wochen vor Weihnachten gehören zu den verkehrsreichsten in den Innenstädten, vor allem die Samstage. Dass sich der Verkehr derart knubbelt, liegt jedoch nicht alleine am nahenden Weihnachtsfest, erklärt Stauforscher Prof. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen.
Warum ist die Vorweihnachtszeit so Stau-trächtig?
Vieles liegt schlicht an der dunklen Jahreszeit: "Die Sonne steht tiefer und beeinträchtigt die Sicht am Steuer wie auch die Dunkelheit. Es regnet öfter, dann sind Autoscheiben feucht und beschlagen. Durch das Streulicht der Scheinwerfer wirken andere Fahrzeuge dann optisch näher als sie tatsächlich sind. Also fährt man verhaltener. Untersuchungen zeigen, dass sich zum Beispiel das Abbiegeverhalten ändert, Autofahrer halten mehr Abstand zu anderen Fahrzeugen. Alles das beeinflusst den Verkehrsfluss."
Wieso befördern auch Navis Staus?
Weihnachtsmärkte ziehen viele auswärtige Besucher an, die sich selten vor Ort auskennen. Aber: "Navis machen den Verkehr nicht flüssiger, im Gegenteil", sagt Michael Schreckenberg. Autofahrer müssten zwei Wahrnehmungen in Einklang bringen: was sie sehen und was ihnen das Navi sagt. "Doch diese Informationen widersprechen sich oft, man muss mehr überlegen am Steuer. Für den Verkehrsfluss ist das fatal."
Was sorgt im Weihnachtsverkehr für Stress: Zeitdruck?
"Suchen ist Stress", sagt Michael Schreckenberg. Mit dem Auto in eine kaum oder gar nicht bekannte Stadt oder Gegend zu fahren sei schwieriger und koste mehr Konzentration als von dort wieder wegzufahren.
Müsste der zu erwartende Parkplatz-Stress nicht vom Autofahren abhalten?
"Ein Weihnachtsmarktbesuch etwa ist für die meisten Besucher ein singuläres Ereignis", meint Michael Schreckenberg. "Man fährt da vielleicht ein- oder zweimal hin, wenn man vor Ort keinen Weihnachtsmarkt hat oder einen besonderen Markt besuchen will." Da sei die Parkplatzsuche in der City meist nicht entscheidend, auch nicht die Höhe der Parkgebühren.
Was macht Autofahrern selbst in der Weihnachtszeit den Umstieg auf Bus und Bahn so schwer?
"Man muss sich auf ein komplett anderes Verkehrssystem einstellen und sich eine komplette Transportkette planen", sagt Prof. Michael Schreckenberg. Ungeübten ÖPNV-Nutzern falle das eben vielfach schwer. "Das Auto ist da einfach bequemer". Auch Kompromisse - außerhalb Parken und mit Bus, Bahn oder Taxi in die Stadt weiterfahren - wären vernünftig, aber für eingefleischte Autonutzer selten attraktiv: "Helfen könnten kostenlose Shuttle-Busse etwa von Großparkplätzen am Standrand in die Innenstadt", meint Schreckenberg. (dae)