Essen. Mit Comedy die Welt ein bisschen besser machen, das hat sich Alain Frei auf die Fahne geschrieben. Mit seinem Programm kommt er in die Region.

Er ist der nette Typ von nebenan – also wirklich von nebenan, denn Alain Frei ist gebürtiger Schweizer. Das lässt der Stand-up-Comedian mit dem charmant-frechen Grinsen auch gerne raushängen und nimmt dabei sich und seine Heimat aufs Korn. Mit Vorurteilen kann er schließlich hervorragend umgehen. Das beweist der 39-Jährige auch in seinem aktuellen Programm, bei dem der Wahl-Kölner auch vor sozialkritischen Themen nicht zurückschreckt. Mit Maxi Strauch sprach Frei über Weltverbesserer, sein neues Programm und das Dschungelcamp.

Ihr aktuelles Programm heißt „Grenzenlos“. Wann sind Sie zuletzt an Ihre Grenzen gestoßen?

Alain Frei: Puh, tatsächlich auch bei der Corona-Krise, als alles Termine verschoben wurden. Da habe ich auch psychisch gemerkt, das ist jetzt alles ein bisschen viel. Gepaart mit der Winterzeit und der Winterdepression … Da hat man auch versucht, sich anders eine Auszeit zu nehmen. Was auch geklappt hat, aber da war die psychische Grenze näher als man will.

Ihr aktuelles Programm ist vor der Pandemie entstanden. Spielt Corona trotzdem eine Rolle?

Muss es ja, notgedrungen. Die Welt dreht sich. Du kannst ja auch nicht so tun, als wäre alles normal. Oft gehst du auf die Bühne und die Leute sitzen da mit Masken. Und allein das ist schon ein Grund zu sagen, okay Leute, wir müssen das Thema jetzt mal kurz ansprechen. Aber wir reden jetzt auch nicht zwei Stunden über Corona, ich kann es selbst nicht mehr hören.

Absagen, Verlegungen – wie geht’s Ihnen aktuell damit, nicht zu wissen, ob die Tour in einer Woche weitergeht?

Es ist super nervig. Das geht uns allen so, dass diese Unsicherheit immer da ist. Deswegen kaufen die Leute auch keine Karten. Das kann ich nachvollziehen, die sind ja auch unsicher. Und das macht einem schon zu schaffen. Aber man gewöhnt sich tatsächlich daran. Wenn es eine Show gibt, dann spiele ich die. Es ist eben der momentane Wahnsinn, den man mitmachen muss.

Wie behalten Sie da Ihren Optimismus?

Indem ich einfach weiß, dass wir hier in Deutschland privilegiert sind. Das klingt immer so doof. Aber es ist genau das. Mir geht’s gut, ich kann trotz allem noch davon leben. Zwar nicht wie vorher, aber ich habe immer Essen, ein Dach über dem Kopf, mir ist warm und ich bin gesund. Man muss sich ein wenig auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren, finde ich.

Genug Corona. Großes Thema in Ihren Shows ist Ihre Herkunft. Was ist typisch schweizerisch an Ihnen?

Ich glaube, es ist tatsächlich diese Neutralität. Ich bin vom Sternzeichen Waage und ich versuche immer alle Seiten zu beleuchten. Wir Schweizer sind eher ruhig und überlegt, und das ist auch ein bisschen in mir drin.

Wobei können Sie nicht neutral bleiben?

Bei Rassismus zum Beispiel. Das ist für mich die dümmste Form von Hass. Jemanden nicht zu mögen wegen seiner Herkunft oder seiner Hautfarbe ... Da kann ich nicht neutral bleiben.

Das ist auch häufig ein Thema in Ihren Shows. Wie passt das mit Comedy zusammen?

Ganz gut. Das sind doch die wichtigen Themen in unserem Leben. Comedy ist auch immer das, was gerade passiert. Das ist das Schöne an Stand-up. Du erzählst aus deinem Leben, was da gerade abgeht. Und in der Tragik liegt die Comedy.

Erreicht man mit Comedy mehr Menschen?

Natürlich. Das gilt ja zum Beispiel auch fürs Impfen, wenn sich Leute nicht impfen lassen wollen. Wenn du nur auf denen herumhackst, hören die eh nicht zu. Und das Gleiche gilt für Rassisten. Rassisten verstehen mit Humor vielleicht besser, dass es ziemlich blöd ist, was sie da tun. Du gehst mit Humor immer in die Herzen der Leute, weil du sie zum Lachen bringst. Und deshalb kannst du sie so vielleicht auch eher von einem Thema überzeugen. Manchmal klappt’s – aber nicht immer.

Die Welt mit Humor ein bisschen besser machen?

Tatsächlich habe ich den Ruf, ein kleiner Weltverbesserer zu sein (lacht). Aber da machen sich meine Comedykollegen eher drüber lustig. Mir ist das einfach wichtig. Ich bin in der Position, ich stehe auf der Bühne, ich darf was sagen und die Leute hören zu. Das heißt jetzt nicht, dass ich immer den Klugscheißer spielen muss. Ein paar Leute sind dann aber auch enttäuscht, wenn ich Peniswitze mache. Ich habe halt alles drin, so bin ich auch privat. Ich kann über politische Themen reden, aber ich lache auch über Pupswitze.

Sie sind ausgebildeter Schauspieler, haben aber die Theater- gegen die Comedybühne eingetauscht, warum?

Das war nicht geplant. Ich fand Stand-up-Comedy immer spannend. Aber ich hatte gar keine Ahnung davon. Wo macht man das überhaupt? Als ich dann einfach angefangen habe, habe ich gemerkt, ich bin gerne Schauspieler, aber ich bin viel lieber Comedian. Ich wollte immer sehr frei auf der Bühne sein. Ich mochte keine Anweisungen. Die Nachteile beim Schauspielern waren dann meine Vorteile beim Stand-up. Das war für mich dann der logische Schluss.

Wann haben Sie denn überhaupt gemerkt, dass Sie auf die Bühne gehören?

Ganz typisch: Weihnachten wollte ich immer etwas aufführen, ohne Grund (lacht). Und dann musste mich meine Familie ertragen. Ich hatte das schon immer, für mich war das dann klar, dass ich auf die Bühne möchte. Und irgendwann haben auch meine Eltern gemerkt, dass mir das ernst ist. Ich glaube, die hatten ein paar unruhige Nächte wegen mir.

Was wäre denn aus Ihnen geworden, wenn es nach Ihren Eltern gegangen wäre?

Was Vernünftiges. Hauptsache nichts, bei dem ich auf der Bühne lande und ein ungesichertes Einkommen habe. Schlussendlich waren sie aber sehr frei und haben mich auch da unterstützt. Es ist ja klar, dass sich Eltern Sorgen machen, wenn der Sohn sagt, ich werde jetzt Schauspieler. Es wurde auch nicht besser, als ich dann gesagt habe: „Leute, macht euch keine Sorgen. Ich werde nicht Schauspieler, sondern Comedian.“ Aber es ist ja alles gut gegangen.

Anscheinend, Sie haben schon einige Preise gewonnen. Gibt’s einen, der Ihnen besonders wichtig ist?

Die HumorZone Dresden („Bester Newcomer 2016“ Anm. d. Red.), das ist ein großes Festival. Da bin ich gegen bekannte Leute angetreten. Chris Tall zum Beispiel und andere große Namen. Aber dann hatte ich wohl so einen guten Abend, dass die Jury gesagt hat: „Ne, wir wollen uns diesen Unbekannten, diesen Schweizer geben.“ Und das hat mich sehr berührt. Weil ich gemerkt habe, es kommt wirklich darauf an, was du tust. Das ist nicht immer so in diesem Business.

Sie waren auch schon bei den RTL-Sommerspielen. Als nächstes dann Dschungelcamp?

Ich denke nicht. Ich verurteile das nicht, jeder Mensch hat sein Buch, das er schreibt. Ich möchte aber nicht, dass „Das Dschungelcamp“ ein Kapitel bei mir ist. Ich habe mal mit jemandem bei RTL geredet und den gefragt, wie hoch meine Chance wäre, da mitzumachen. Und er meinte: Super gering. Weil ich nicht der harte Promi bin, ich bin nicht spannend. Ich bin eher der Typ, der da sitzt und mit anderen nett quatscht. Ich bin zu langweilig (lacht).

Was wollen Sie denn noch erreichen?

Nicht viel. Ich habe mir viele Träume erfüllt. Ich durfte jetzt z.B. in Köln im E-Werk spielen, das hat mir viel bedeutet. Weil da viele große Namen gespielt haben, die ich bewundere. Mit RebellComedy habe ich Arenen gespielt … Ich möchte eigentlich nur besser werden.

Heißt?

Meine neue Show, die nach dem Sommer kommt, heißt „All In“. Da werde ich noch eine Nummer persönlicher. Ich habe mir vorgenommen, keine Geschichten mehr zu erfinden. Ich werde alles, was mir wichtig ist, was mich betrifft, erzählen. Ob ich jetzt in großen Arenen spiele, ist mir eigentlich egal. Mir geht’s sehr gut, so wie es gerade ist.

Sie sagen „besser werden“. Wo schwächeln Sie denn?

Ich setze mich manchmal hin und will lustig sein, einen Gag schreiben. Dann überlege ich, was könnte lustig sein? Ich habe für mich gemerkt, dass man erst einmal schauen muss, was man überhaupt erzählen möchte. Die Gags kommen dann beim Erzählen. Ich bin, glaube ich, ein ganz guter Erzähler. Aber da habe ich noch viel zu lernen, da kann ich noch viel besser werden.

Worum wird es im neuen Programm „All In“ konkret gehen?

Ich öffne mich, ich grabe jetzt weiter, ich gehe tiefer – auch in mein Seelenheil. Was beschäftigt mich? Zum Beispiel rede ich über Panikattacken, die ich habe. Da gehe ich ganz offen mit um. Ich habe 2021 viel erlebt, auch privat hat sich viel getan. Das wird witzig. Der Vorverkauf ist wahrscheinlich im März. Aktuell schreibe ich noch dran. Und die Tour startet dann im September.

Alain Frei – Grenzenlos, u.a. 19.1. Oberhausen (20 Uhr, Ebertbad), 28.1. Siegen (20 Uhr, Siegerlandhalle), 30.1. Essen (19 Uhr, Zeche Carl), 18.2. Mönchengladbach (20.30 Uhr, Kunstwerk). Tickets ab ca. 27€. Mehr Termine: alainfrei.de