Köln. Jürgen Becker fährt E-Motorrad und würde das Fliegen am liebsten ganz verbieten, um den CO2-Ausstoß zu verringern

Jürgen Becker ist eine Kabarett-Institution – nicht nur in seiner Heimatstadt Köln, sondern in der gesamten Region. Bereits in den frühen 80er-Jahren war er Mitbegründer des Alternativ-Karnevals „Stunksitzung“, seit 1991 ist er mit seinen Solo-Programmen unterwegs. Das aktuelle heißt „Die Ursache liegt in der Zukunft“, im Tourplan haben sich aber naturgemäß erneut Verschiebungen ergeben. Noch vor Verkündigung des neuen Lockdowns sprach Stefan Moutty mit Jürgen Becker über seine bisherigen Erfahrungen in der Krise, aber auch zeitlosere Themen wie den Klimawandel.

Herr Becker, treffen den Kölner die Corona-Beschränkungen eigentlich besonders hart? Weil er sehr gesellig ist und den direkten Austausch vielleicht mehr braucht als, sagen wir mal, ein Westfale …?

(lacht) Ja, es heißt ja immer, wenn der Westfale morgens aufsteht, fragt er: „Was kann ich heute schaffen?“. Und wenn der Rheinländer aufsteht, fragt er: „Wo gehen wir heute Abend hin?“. Und diese Mentalität wird aktuell eingebremst, das muss man schon sagen.

Und das Schlimmste steht dem Kölner ja erst noch bevor: Der Karneval wird abgesagt. Geht das überhaupt?

Nein. Das Oktoberfest in München, das kann man problemlos absagen. Das besteht ja nur aus Saufen, Kotzen und Lederhosen. Aber der Karneval in Köln ist ganz anders. Da gibt’s ja keine Lederhosen …

Was schlagen Sie vor?

Ich habe gesagt, man soll den Karneval in den Sommer verlegen. Oder vielleicht in eine andere Region, nach Sachsen-Anhalt zum Beispiel. Die Kölner reisen alle nach Magdeburg und feiern da, und die Magdeburger nehmen Miete und fahren solange alle nach Köln … (lacht)

Jeder weiß es, der Shutdown im Frühjahr hatte auch seine guten Seiten. Wie haben Sie die freie Zeit genutzt?

Ich fand das ganz entspannend. Der große deutsche Philosoph Harald Juhnke hat auf die Frage, was für ihn Glück bedeute, mal gesagt: „Keine Termine und leicht einen sitzen.“ Das hatte was davon. Man konnte sich ja treffen, es war ja nicht so schlimm. Ich habe immer drei Freunde eingeladen und wir haben mit Abstand auf dem Balkon gesessen, das war ja erlaubt, und das haben wir fleißig gemacht. Insofern hatte ich, der sonst immer abends arbeiten muss, wegen Corona sogar mehr soziale Kontakte als vorher. (lacht)

Hat sich auch gesellschaftlich was verändert?

Ich fand schön zu sehen, was auf einmal alles möglich ist – dass die Flugzeuge zum Beispiel einfach mal unten bleiben. Man muss gar nicht fliegen, zum Shopping nach New York, oder so. Wir sind auch als Jugendliche nicht geflogen, nicht ein einziges Mal. Da gab’s die tollen Nachtzüge, da sind wir zu fünft von Köln nach Mailand gefahren. Schon in Koblenz hatten wir acht Flaschen Lambrusco intus. Danach haben wir so tief gepennt, bis uns der Schaffner mit den Worten „Willkommen in Athen!“ geweckt hat (lacht). Da müssen wir wieder hin: Weg vom Fliegen, wieder mehr mit dem Zug fahren – der Umbau der Gesellschaft könnte durch Corona gelingen.

Ihr Programm trägt den Titel „Die Ursache liegt in der Zukunft“. Was sehen Sie denn, wenn Sie in die Zukunft blicken?

Dass vieles, was wir heute machen, nur darauf ausgerichtet ist, damit es uns in Zukunft besser geht. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das weiß, dass es eine Zukunft hat, und es will sie gestalten. Das machen Tiere ja nicht. Ein Bär, zum Beispiel, wenn dem kalt ist, plant er ja keine Heizung, sondern der legt sich hin und schläft ein halbes Jahr Das nennt man in der Natur Hibernation. In Köln heißt das Stadtverwaltung.

In Ihrem letzten Programm ging’s um Sex, diesmal auch um so trockene Themen wie Kapitalismus und Klimawandel.

Ja, und ich merke, dass die Leute genau das bewegt. Corona kommt natürlich auch vor, aber das große Thema, was alles überragt, ist das Klima. Corona ist ja irgendwann vorbei – aber das Klima bleibt.

Sie selbst sind überzeugter E-Auto-Fahrer. Was tun Sie im Alltag noch gegen den Klimawandel?

Ich fliege nicht. Fliegen ist ja die umweltunfreundlichste Fortbewegungsmethode. Weil sie gleich doppelt schädlich ist – einmal wegen der Kondensstreifen und natürlich wegen des ganzen CO². Das Verrückte ist, dass ich damit zur Mehrheit gehöre. 95 % der Weltbevölkerung haben noch nie ein Flugzeug von innen gesehen. Wenn man das Fliegen ganz abschaffen würde, wären also nur ganz wenige betroffen, aber schon 10 % des CO²-Ausstoßes verschwunden. Fleisch ist auch nochmal ein großer Batzen. Man sagt, dass die Fleischproduktion mit der dafür nötigen Tierhaltung denselben CO²-Ausstoß verursacht wie der gesamte Verkehrssektor. Ich bin kein Vegetarier, aber ich habe meinen Fleischkonsum so auf einmal die Woche reduziert.

Und wobei sündigen Sie auch schon mal? Gönnen Sie sich gelegentlich einen Coffee to go im Pappbecher oder einen Burger einer einschlägigen Fastfood-Kette?

Nein, das brauche ich gar nicht. Ich fahre Motorrad, das gebe ich zu – das ist meine kleine Sünde. Das ist so in mir drin. Mein altes Hobby, das schon mit dem Mofa-Fahren angefangen hat und dann mit dem Mokick weiterging. Das habe ich aber in diesem Jahr auch mit einem E-Motorrad gemacht, das geht auch. Ich bin mit einer Zero SRS 2000 Kilometer durch Deutschland gefahren. Das funktioniert gut, und vor allem ist der Lärm weg.

Fehlt dem Biker da nicht was?

Nein, da fehlt gar nichts. Das macht sogar viel mehr Spaß, wenn das Motorrad keinen Krach macht. Die Ruhe ist einfach gut, weil man sich besser aufs Fahren konzentrieren kann.

Im November machen Sie seit 30 Jahren ihre kabarettistische Frühstückspause mit Didi Jünemann auf WDR 2. Gibt’s zur Feier des Tages mal ein Sektfrühstück?

(lacht) Das könnte man eigentlich machen, gute Idee. Alkohol im Dienst ist ja eigentlich nicht erlaubt, aber nach 30 Jahren, finde ich, kann man das mal machen.

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