Essen. Auch im Programm „Pussy Nation“ geht Carolin Kebekus unter die Gürtellinie. Wie ihre Eltern das finden und warum Frauen einen Staat brauchen.

Ihren Durchbruch feierte Komikerin Carolin Kebekus mit der Parodie von Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz. Doch die rabenschwarze Perücke hat sie längst an den Nagel gehängt. Nach 20 Jahren im Geschäft blickt die 39-Jährige auf eine erfolgreiche Karriere zurück. Sie gehört zum festen Ensemble der „heute Show“, hat eine eigene Fernseh-Sendung „PussyTerror TV“ und ist mit ihrem aktuellen Solo-Programm „Pussy Nation“ auf Tour. Kirsten Gnoth sprach mit Carolin Kebekus über Frauen mit Eiern, abgehärtete Eltern und die Kunst des Scheiterns.

Ihr letztes Programm „Alpha Pussy“ ging drei Jahre. Wie hat sich der Abschied angefühlt?

Carolin Kebekus: Wenn man ein Programm hat, was rundgeschrieben und rundgespielt ist, ist es furchtbar, damit aufzuhören. Es fühlt sich so an, als würde ich den Beruf neu anfangen. Ich habe dann nichts mehr außer ein weißes Blatt vor mir. Es ist so, als hätte ich vorher nichts gemacht. Man kann ja nicht rausgehen und sagen: „Ihr wisst ja, wie geil meine anderen Programme waren, also seid mal nett.“ Man muss die Leute immer wieder neu überzeugen.

Nun folgt „Pussy Nation“. Was hat es damit auf sich?

Für mich ist es die logische Konsequenz gewesen, nach „Pussy Terror“ und „Alpha Pussy“ meinen eigenen Staat zu gründen. Das ist natürlich für eine Frau unheimlich größenwahnsinnig. Aber es ist Zeit.

Warum?

Es ist einfach Zeit nach der Aufschrei-Debatte und #MeToo, dass die Mädels einen eigenen Staat bekommen.

Sie setzen sich stark in der #MeToo-Debatte ein. Hat sich Ihrer Auffassung nach etwas verändert?

Ich finde schon, dass sich das Bewusstsein in den Köpfen, die Aufmerksamkeit und der Blickwinkel geändert haben. Ich glaube, dass die Leute genauer hingucken und das sich vor allen Dingen Frauen nicht mehr alles gefallen lassen.

Gibt es Gegenwind, wenn Sie so offen über Feminismus sprechen?

Das ist in der Natur der Sache, dass die Leute schon immer Angst vor einer selbstbestimmten, selbstbewussten, starken Frau haben. Das sieht man jetzt wunderbar bei Greta Thunberg. Wie die älteren Männer auf ein kleines Mädchen reagieren, das einfach mal die Eier hat, die Wahrheit zu sagen. Und gerade auch in meinem Programm, wenn ich über Feminismus spreche, bekomme ich unglaublichen Hass ab. Ich finde es interessant, dass einer Frau die eigene sexuelle Identität komplett abgesprochen wird. Man kann gerne sexuell sein, aber nur, wenn das dann für alle verfügbar ist.

Sie sprechen offen über Sexualität und Menstruation. Mussten Sie dafür die eigene Scham überwinden?

Nein, das war eher andersherum. Ich habe in meinem allerersten Programm über meine erste Periode gesprochen und damals war das so schrecklich für die Leute. Die fanden das ganz unangenehm und das hat mir umso mehr Spaß gemacht. Ich fand es so lustig, dass die Hälfte der Menschheit einmal im Monat blutet, aber niemand darüber spricht und alle es eklig finden. Es ging ja nicht darum, einfach mal was Ekliges zu sagen, sondern es hat einen Sinn, warum ich das mache. Ich mag es, die Leute erst zu verunsichern und dann zum Lachen zu bringen.

Wie schaffen Sie den Spagat zwischen „pädagogisch wertvoll“ und humorvoll in ihrem Programm?

Das muss man einfach testen. Es ist immer eine Gratwanderung. Manchen ist es zu politisch, aber ich finde, das muss jetzt gerade auch einfach sein.

Sie testen Ihre Programme also vorher?

Ich habe einige Nummern geschrieben, mit denen ich dann probeweise auftrete. Das sind teilweise großartige Abende, bei denen man gar nicht weiß, was passiert. Meine Programme erarbeiten sich zusammen mit dem Publikum. Manchmal geht es aber auch immens in die Hose.

Was ist das für ein Gefühl, wenn eine Nummer nach hinten los geht?

Es gibt kein schlimmeres Gefühl auf der Welt, als auf der Bühne zu stehen und die Leute gucken einen an wie ein Auto. Das passiert mir nicht mehr so oft wie früher, aber man geht immer noch ein Risiko ein. Ich habe keine Lust, mit Dingen auf die Bühne zu gehen, von denen ich von vornherein weiß, dass sie funktionieren.

Standen Sie jemals an dem Punkt, Ihren Job an den Nagel zu hängen?

Ich glaube ganz am Anfang hatte ich schon ein paar Auftritte, die nicht gut waren. Aber ich muss sagen, dass ich damals tatsächlich auch manchmal scheiße war. Dafür kann ich keinem anderen die Schuld geben. Da habe ich überlegt, ob es vielleicht doch nichts für mich ist. Frauen sind aber eher auch dazu geneigt, schnell an sich zu zweifeln. Da fehlen einem als Frau die Eier.

Können Sie auf Knopfdruck lustig sein?

Das klappt ganz gut. Dafür bin ich aber auch zu sehr Dienstleister. Es ist ja immer noch so, dass die Leute nicht zu meiner Gnaden da sind, sondern richtig Geld für die Karte bezahlt haben. Ich muss und möchte dann auch abliefern. Es ist ein Automatismus, der sich einstellt, wenn man auf die Bühne geht.

Bleibt da überhaupt noch Platz für Lampenfieber?

Lampenfieber habe ich noch und das wird natürlich schlimmer, je größer die Halle ist, in der ich spiele. Besonders groß ist das Lampenfieber außerdem, wenn Menschen im Publikum sitzen, die mir unheimlich wichtig sind.

Also kommen auch Freunde und Familie zu den Shows?

Meine Eltern sind eigentlich bei fast allem, was ich hier in der Nähe mache, dabei.

Gefällt Ihren Eltern alles, was Sie machen?

Meiner Mutter ist es manchmal zu viel. Meinem Vater nicht, dem ist alles egal. Mein Vater ist total abgehärtet. Ich mache seit 20 Jahren Fernsehen. Ich habe 1999 als Praktikantin angefangen, seitdem sind meine Eltern mit mir einen ganz langen und auch harten Weg gegangen. Mittlerweile sind sie Comedy-Experten und kennen auch viele Shows von Kollegen. Die beiden haben eine ganz klare Meinung, was sie super und was sie scheiße finden.

Ihre Sprüche sind manchmal unter der Gürtellinie. Muss das sein?

Ich finde, dass es vor allen Dingen beim Thema Sexismus angebracht ist. Das Ganze lässt sich nämlich auch umdrehen, also dass eine Frau sexistisch ist. Und dann hört bei vielen der Spaß direkt auf. Manchmal muss man etwas derber in der Tonauswahl werden.

Waren Sie schon immer so?

Ich bin schon immer irgendwie vulgär gewesen in der Sprache. Mir hat es Spaß gemacht, so zu sprechen. Ich weiß nie so recht, wo es Stilmittel ist und wo ich es einfach bin.

Also erleben die Menschen im Publikum die echte Carolin Kebekus auf der Bühne?

Naja, es ist immer noch eine Figur. Aber sagen wir mal so: Die Menschen, die mich kennen, wundern sich jetzt nicht.

Sind Sie jemand, der auch Abseits der Bühne im Rampenlicht steht?

Früher als ich jünger war, war ich der Mittelpunkt jeder Party. Ich war immer die, die am Ende in der Küche stand und lustige Geschichten erzählt hat, während alle drumherum standen. Das brauche ich gar nicht mehr. Ich bin froh, wenn ich mal irgendwo bin und es nicht um mich geht. Ich liebe es, Kollegen auf ihren Shows zu besuchen und dann einfach Backstage zu sein.

Können Sie sich vorstellen, jemals etwas anderes zu machen?

Ich kann mir schon vorstellen, dass ich irgendwann nicht mehr den Druck haben möchte, alleine dafür verantwortlich zu sein. Dann würde ich mehr Musik machen oder andere Dinge. Aber ich kann mir nicht vorstellen, die Bühne für immer hinter mir zu lassen.

Die Termine:

29.+30.11. Köln (Lanxess Arena), 5. 12. Dortmund (Westfalenh.), 14.12. Krefeld (Yayla Arena), 15.12. Bielefeld (Seidensticker Halle), 19.1.2020 Essen (Grugahalle),
13.3. Bochum (RuhrCongress),
14.3. Düsseldorf (MEH), 21.3. Münster (Halle Münsterland), 22.3. Siegen (Siegerlandhalle). Tickets ab ca. 35 €.