Essen. Die Chemnitzer Indie-Band Blond eckt gerne an. Das tut das Trio bald auch auf dem Juicy Beats in Dortmund – mit dem neuen Album „Perlen“.
Eine eigene Plattenfirma namens Betonklunker, ein (älterer) Song namens „Las Vegas Glamour“, leuchtende Bühnenkleidung und ein neues, am 21. April erscheinendes Album mit dem Titel „Perlen“: Die Band Blond scheint eine ausgeprägte Vorliebe für Glänzendes zu haben. Dass im Leben beileibe aber nicht immer alles funkelt, wissen Sängerin und Gitarristin Nina Kummer, ihre Schwester und Schlagzeugerin Lotta sowie Bassist und Keyboarder Johann Bonitz nur zu gut. Die Gruppe thematisiert in ihren Songtexten unter anderem Sexismus, Menstruationsbeschwerden oder Depressionen – dies zumeist unverblümt und direkt. „Es ist unser Ansatz, mit den Songs gewisse Leute ein bisschen zu nerven“, gibt Nina unumwunden zu.
So zum Beispiel in der Vorab-Single „Männer“, eine Zusammenarbeit mit der Berliner Rapperin addeN. Mit Zeilen wie „Wir sind allein, wo sind all die ander’n Frauen? Für so ’ne Pimmelparty mit bleichen Rentnern waren wir nicht stundenlang im Proberaum“ kritisieren Blond die seit Jahrzehnten vorherrschende maskuline Dominanz bei Musikfestivals. „Man tritt damit schon gewissen Leuten auf die Füße“, sagt Lotta Kummer, ihre Schwester ergänzt: „Viele geben uns Rückmeldung, dass sie den Song wichtig finden. Aber natürlich kommen neben den netten Kommentare auch die alten Sprüche wie ,Ich buche nach Geschmack und nicht nach Geschlecht.’ Es ist halt ein aktuelles Thema, eines, über das man sich immer noch aufregen darf, weil es da einfach eine Schieflage gibt. Deswegen ist es auch gut, wenn einige von dem Song angepisst sind.“
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Blond kritisieren Männerdominanz auf Festivals – und spielen bald bei Rock Am Ring
Einmal gehört, bekommt man ihn jedenfalls nicht mehr so schnell aus dem Ohr. Mit einer feinen Prise Ironie deutschen Blond im Refrain zu schmissigem Indie-Rock die legendäre Zeile der Weather Girls ein: „Es regnet Männer, hallelujah, es regnet Männer“. Eine erste Wirkung zeigt sich zumindest in Bezug auf Blond jedenfalls: Neben einem Auftritt auf dem „Juicy Beats“ im Dortmunder Westfalenpark stehen Termine auf großen Musikevents wie dem „Deichbrand“ in Cuxhaven oder den gigantischen Zwillingsfestivals „Rock am Ring“ und „Rock im Park“ im Kalender, bevor es ab November auf Clubtour geht.
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Abgesehen davon hat sich das Chemnitzer Trio um die Geschwister und ihren besten Freund aus Sandkastentagen aber ohnehin ein dickes Fell angeeignet, was böse Kommentare angeht: „Es passiert relativ oft bei uns, dadurch dass wir immer schon Themen hatten, die anecken. In den frühen Jahren hat es einige schon gestört, dass wir zwei Frauen und ein Blinder sind“, sagt Lotta Kummer.
Ein starkes Trio seit Kindheitstagen
Dass Nicht-Sehende auf Bühnen vorrangig Instrumente spielen anstatt zu singen, ist eine absolute Seltenheit. Johann Bonitz hatte, wie er im Interview erzählt, aber ohnehin kaum eine Wahl: „Das habe ich quasi in die Wiege gelegt bekommen, es war für meine Eltern immer ein Thema, dass die Kinder Instrumente lernen.“
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Auch um die Bühnen herum erleichtert die enge Freundschaft des Trios so einiges: „Da wir uns schon seit immer kennen und uns super vertrauen, gibt es für mich nicht zu viele Barrieren. Abgesehen von den alltagstypischen Problemen, die Blinde eben haben. Es wissen zum Beispiel auf Festivals viele nicht, wie man mit Blinden umgeht. Ständig kommen komische Fragen oder falsche Einschätzungen, ob ich eine Treppe hochgehen kann“, sagt Bonitz, der im Video zur Single „Oberkörperfrei“ gar in Karate-Manier Ziegelsteine zerschlägt.
Das Album „Perlen“ liefert einen bunten Genre- und Themen-Mix
Stilistisch festnageln lassen wollen sich Blond auf „Perlen“ wie schon beim Debüt „Martini Sprite“ nicht. Laute Gitarren und polternde Drums wechseln sich ab mit melancholischen Wave-Sounds, euphorische Refrains mischen sich mit traurigen Zwischentönen. Die Songs huldigen den Vorbildern wie Judith Holofernes und LaFee („Durch die Nacht“), befassen sich mit Orientierungslosigkeit im Leben junger Menschen („Sims 3“) oder sexuell übergriffigem Verhalten von Männern („Du und ich“, „Toxic“).
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Das alles entstand einmal mehr in Chemnitz. Eine Stadt, die nicht erst seit den schweren rechtsextremen Ausschreitungen im August 2018 den Ruf einer „Nazi-Hochburg“ hat. „Das ist schon ok, wenn man das sagt. Man muss eben auch fragen, warum die Stadt den Rechten so viel Struktur bietet, warum es denen so leicht fällt, sich zu vernetzen. Es gibt aber viele wie uns, die hier Kultur machen, die Fahne hochhalten und sich nicht verdrängen lassen“, kommentiert Nina Kummer die Situation.
Heimatstadt Chemnitz: Viele Probleme, aber auch gute Strukturen und Chancen
Aus der Stadt wegziehen, die neben Rapstar Trettmann auch Kraftklub (mit den Kummer-Brüdern Felix und Till – über die enge Familienbande sprechen Blond in Interviews aber nur ungern bis gar nicht) hervorbrachte, kommt für Blond aber nicht in Frage: „Das war nie ein Thema für uns. Wir haben hier sehr gute Strukturen aufgebaut, eine gut vernetzte kulturelle Szene. Dazu die extrem günstigen Mieten.“
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Für vorsichtigen Optimismus sorgt die Ernennung von Chemnitz zur Kulturhauptstadt 2025: „Wir haben sehr darauf gehofft, dass wir diesen Titel bekommnen. Einfach auch, damit man Gegenangebote liefert, damit Geld da ist für Kultur, die dafür sorgt, dass die Mitte der Gesellschaft nicht nach rechts abdriftet.“
Blond live: 29.7. Dortmund (Westfalenpark, „Juicy Beats“-Festival, Tageskarte ca. 74 €), 29.11. Köln (Live Music Hall). Karten ca. 34 €.