Herten. Der RevuePalast Herten veranstaltet an diesem Sonntag einen Fundusverkauf. Beim Glitzer-Sale gehen ausrangierte Kostüme über die Theatertheke.

Wehmütig blickt Ralf Kuta auf das paillettenbesetzte Kleid mit den buschigen Straußenfedern an Ärmeln und Saum. „Da muss ich eine Träne verdrücken“, gesteht er und streicht über das glitzernde Stück Stoff. Zwölf Jahre stand er in dem Kostüm auf der Bühne des RevuePalasts, verkörperte die weltberühmte Tänzerin Josephine Baker. „Da hängt wirklich mein Herzblut dran“, erklärt der Travestiekünstler und Regisseur.

Glitzer-Sale im Revue-Palast Herten

Aber in der denkmalgeschützten Heizzentrale der ehemaligen Zeche Ewald steht Frühjahrsputz an, die Darsteller brauchen Platz in der Garderobe, denn die scheint aus allen Nähten zu platzen. Das Travestietheater veranstaltet am 22. Januar von 11 bis 15 Uhr einen Glitzer-Sale. Und kein Titel wäre wohl passender für das Vorhaben des Ensembles, schließlich klingt „Fundusverkauf“ wenig glamourös – und wird dem außergewöhnlichen Arsenal an Verkleidungen schlicht nicht gerecht.

Die ersten Kostüme, die am Sonntag über die Theatertheke gehen sollen, hängen schon dicht an dicht an Kleiderstangen. Es glitzert und funkelt an allen Ecken und Enden im Backstage-Bereich, den das Ensemble rund um die alte riesige Dampfmaschine errichtet hat, die jetzt nur noch als Ablage dient. Viel ist von dem antiken Energieerzeuger nicht mehr zu sehen, Stoffe aller Art und Decken, Perücken und fedrige Kopfbedeckungen verdecken das stählerne Ungetüm.

1700 Kostüme im Backstage-Bereich

Wer durch die unscheinbare Tür neben der Bühne geht, landet in einer ganz eigenen Welt. „Beim ersten Mal habe ich an eine riesige Wunderglitzerkugel gedacht“, sagt Pressesprecherin Susanne Schübel. „Ein magischer Ort.“ Es riecht nach schwerem Puder, ein süßlicher Duft liegt in der leicht muffigen Luft. Aber so ist es nun mal, wenn unzählige Make-up-Döschen und Pinsel auf den vollgepackten Schminktischen verteilt liegen – und 1700 Kostüme, teilweise schon Jahre alt, den riesigen Bereich abseits des Vorhangs in ein knallbuntes Meer verwandeln.

„Seit 2009 hat sich einiges angesammelt“, erklärt die Sprecherin. Für jede Show seit dem Debüt „Voilá“ vor 14 Jahren wurden neue Kostüme angefertigt. Allein die aktuelle Revue „Diamonds & Glamour“ füllt etliche Stangen. Für den alltäglichen Gebrauch eignet sich allerdings wenig. Schübel lacht. „Für Karneval“, erklärt sie. „Oder für einen großen Auftritt beim Besuch der Oper oder eines Balls. Wer sich etwas Außergewöhnliches anschaffen will, ist bei uns richtig.“

Unikate, speziell angefertigt für die Palast-Künstler

Bunte Rücke, rote Wuscheljacken, pinke Kleider mit ausladenden Tülleinsätzen, schwarze, paillettenbesetzte Westen, Umhänge, Kopfschmuck, Klunker aller Art, Schuhe ... Alles Unikate. Auch Ausgefallenes, wie ein riesiges Herz, das auf den Schultern sitzt und an die Herzkönigin aus „Alice im Wunderland“ erinnert, steht zum Verkauf.

„So ein Kostüm zu fertigen, dauert Wochen, mindestens einen Monat, wenn man acht Stunden am Tag daran arbeitet“, sagt Ralf Kuta. Nicht nur, dass der Strass per Hand aufgenäht wird, Kleider & Co. müssen für Männerproportionen angefertigt werden. „Trotzdem müssen die richtigen Dinge betont werden, der Po, die Brüste.“ Kostüme gebe es allerdings in allen Größen zu kaufen, versichert der Regisseur und Susanne Schüble fügt hinzu: „Es kommen auch viele Männer zum Fundusverkauf.“ Sie erinnere sich an ein älteres Ehepaar. „Da hat der Mann Glitzerschuhe erstanden. Es ist wirklich für alle offen.“

Gezahlt wird bar, keine Gewährleistung

Der Glitzer-Sale findet zum zweiten Mal statt, das Publikum beim ersten Verkauf war so bunt gemischt wie die ausgestellten Kostüme: Jung, alt, Mann, Frau, Ottonormalverbraucher und Bühnenkünstler. Rund 500 Leute hätten den Weg in den RevuePalast gefunden, in Etappen wurden sie eingelassen, erklärt Schübel. „Es lohnt sich, früh zu kommen, da ist die Auswahl noch groß.“ Gezahlt wird bar, eine Gewährleistung gibt es nicht. Preislich rangieren die Stücke zwischen zehn Euro und einer dreistelligen Summe, vermutlich.

Fürs Endgeld sind die Darsteller selber verantwortlich. Ralf Kuta weiß noch nicht, wie viel er fürs Baker-Kleid haben möchte. „Unter 150 Euro“, legt er sich letztendlich fest. Das Geld bekommt das Ensemble, „für neue Kostüme“, dafür sind die Künstler nämlich selbst verantwortlich. „Bei mir rattert’s schon wieder. Ich möchte eins in Silber und Schwarz“, sinniert der 63-Jährige.

Marilyn Monroe, Liza Minnelli, Hildegard Knef

Josephine Baker ist nicht der einzige Star, den Kuta im Laufe seiner beinah schon 50 Jahre andauernden Karriere verkörpert hat. Marilyn Monroe, Liza Minnelli, Hildegard Knef … „Ralf ist der Mann für die großen Diven“ wirft Susanne Schübel ein. Wer im Theatersaal ein bisschen kramt, kann also Kleider und Anzüge entdecken, die an eine Marlene Dietrich, an Caterina Valente oder Judy Garland erinnern.

Darunter auch Kostüme, die nie getragen wurden oder zumindest so aussehen. Nummern, die kurz vor der Pandemie liefen, fanden nur drei, vier Monate den Weg auf die Bretter, darunter der Auftritt „The Greatest Showman“. Einige Kostüme wurden gefertigt und kamen nicht zum Einsatz, andere wurden bei den hauseigenen Schneidern, die auch auf der Bühne stehen, in Auftrag gegeben und nie abgeholt. „Sowas ist sehr unfair“, echauffiert sich Kuta. All das und noch so viel mehr steht am Sonntag zum Verkauf.

Passende Accessoires fürs Kleid

Zu Ralf Kutas geliebtem Baker-Kleid gehört natürlich auch die passende Federkappe, die noch etwas vernachlässigt an einer Balustrade lehnt. „Die nehme ich mit nach Hause, da wird sie gewaschen und ausgeföhnt. Das dauert dann vier Stunden.“ Kleid und Kappe sollen eben in gute Hände kommen – dann fällt der Abschied vielleicht nicht ganz so schwer.

>>> Info:

Glitzer-Sale, 22.1., 11-15 Uhr, RevuePalast Ruhr, Werner-Heisenberg-Str. 2–4, Herten. Eintritt frei. Es gibt Führungen durch das Gebäude, Informationen über den Palast als Event-Location und Showtickets zu Sonderpreisen sowie Kaffee und Kuchen zur Stärkung.

Weitere Kostümverkäufe: Theater Mönchengladbach, 22.1. (13-17 Uhr), Eintritt frei; Grillo-Theater Essen, 28.1. (10-16 Uhr), Eintritt frei.