Essen. Sänger Yungblud hat sein neustes Album veröffentlicht. Im Interview verrät er, was dahinter steckt und was ihn mit Ozzy Osbourne verbindet.

„Parents“-Sänger Yungblud ist einer dieser Künstler, an dessen Authentizität Kritiker immer wieder zweifeln. An bühnenfreien Tagen läuft Dominic Richard Harrison doch nicht mit Eyeliner & Co. rum und wirkt so, als wäre das Duracell-Häschen losgelassen worden, oder? Doch! „Hey, ich bin Dom“ schallt es mit Yorkshire-Akzent aus dem Laptop. So energiegeladen, dass der erste Griff zum Lautstärkeregler geht. Die rot-schwarzen Haare hat der 25-Jährige Alternative-Rocker nach hinten gesteckt, der Eyeliner wirkt, als sei er seit Tagen nicht abgeschminkt worden. Yungblud ist nicht nur ein Original, er hat sich zum Vorbild vieler gemausert. Im Interview mit Kirsten Gnoth erzählt der Shootingstar aus Doncaster, was es mit der Yungblud-Bewegung auf sich hat und wie sein Treffen mit Ozzy Osbourne lief.

Dein neues Album trägt den Titel „Yungblud“. Viele Künstler veröffentlichen ein selbstbetiteltes Album zum Beginn der Karriere. Du bist aber schon dick im Geschäft. Warum jetzt?

Yungblud: Ich denke, jedes Album, das ich bisher gemacht habe, könnte den Titel „Yungblud“ tragen. Sie alle strahlen den Geist und die Seele dieser Gemeinschaft aus. Aber erst jetzt verstehe ich, was es wirklich bedeutet, ein Teil davon zu sein.

Yungblud ist vielmehr als nur dein Künstlername, oder?

Yungblud ist mit der Idee entstanden, die Menschen für das zu feiern, was sie sind. Mittlerweile ist daraus eine Community und eine regelrechte Bewegung geworden. Es geht nicht um mich, es geht um alle, die ein Teil davon sind. Und für jeden Zuhörer und jede Zuhörerin bedeutet Yungblud etwas anderes. Ich selbst habe das Gefühl – mehr als je zuvor – in dieser Gemeinschaft sicher zu sein, mich öffnen zu können und das habe ich auf dem neuen Album getan. Ich möchte die Menschen in meine Welt lassen.

Wie ist es in deiner Welt?

Ich selbst zu sein, ist schwer. Ich bin eben ein bisschen anders. Schon seit meiner Kindheit habe ich Probleme damit und ecke immer wieder an. Aber plötzlich wurde ich dafür gefeiert. Yungblud fing als Subkultur an und wurde immer größer.

Das klingt so, als wäre das nicht unbedingt immer positiv?

Plötzlich blutete meine Musik in den Mainstream hinein und ich bin wieder angeeckt. Die Menschen haben Angst vor Dingen, die sie im erstem Moment nicht verstehen. Wir, die Community und ich, haben dann zum ersten Mal Hass gespürt. Die Leute haben meine Authentizität angezweifelt und das hat mir wirklich wehgetan. Es hat mich an meine Kindheit erinnert, in der ich die Kinder auf dem Schulhof versucht habe, von mir zu überzeugen. Nur das es jetzt kein Haufen Kids mehr sind, sondern plötzlich zehn Millionen Leute.

Bist du traurig, dass die Gesellschaft nicht fortschrittlicher ist?

Die Menschen hassen dich, weil sie sich selbst hassen. Das war schon immer so und das wird auch immer so sein. Zuerst war ich sauer darüber, aber nun möchte ich ihnen helfen. Das neue Album soll sie dazu anregen, auch mal über sich selbst nachzudenken. Ich bin halt ein verdammter Träumer und habe den Glauben an die Menschlichkeit noch nicht verloren (lacht).

Was hast du in der Zeit und auch während der Album-Entstehung sonst über dich gelernt?

Dass ich viel stärker bin als ich dachte. Ich sehe das Leben mehr wie einen Boxkampf.

Inwiefern?

Du verlierst erst, wenn du nicht mehr versuchst, wieder aufzustehen. Selbst, wenn man immer wieder umgehauen wird, ist es wichtig, nicht aufzugeben. Je öfter man aufsteht, desto mehr Respekt bekommt man. Ich liebe diese Metapher.

Auch Ozzy Osbourne hat sich im Laufe seiner Karriere als Stehaufmännchen bewiesen. Er und seine Frau Sharon spielen im Video zu deinem Song „Funeral“ eine kleine Rolle. Wie war das erste Treffen?

Wundervoll. Viele Leute denken, dass Ozzy verrückt ist. Ich denke, Ozzy ist frei. Ich kann es gar nicht beschreiben, aber wir sind aus demselben Holz geschnitzt.

Nach dem Dreh hat er gesagt, dass er viel von sich selbst in dir sieht. Siehst du auch was von dir in ihm?

Das würde ich unglaublich gern. Er ist eine der wundervollsten Seelen, die mir je begegnet sind. Er ist ein wirkliches Individuum – wie Bowie, Freddie und Madonna.

Gab es vom „Prince of Darkness“ einen Rat?

Scheiß’ drauf, was die Leute von dir denken – immer.

Ihr habt noch was gemeinsam: eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Hat deine ADHS dir dabei geholfen, Rockstar zu werden oder hilft es, mit der ADHS Rockstar zu sein?

Die Musik hat meiner ADHS ein Ventil gegeben, um Luft rauszulassen. In dem Moment wurde daraus etwas Positives. Jeder sieht die Welt auf seine eigene Art und Weise. Niemand sollte dafür verspottet, sondern gefeiert werden.

Eines am Musikerleben dürfte allerdings schwer mit der ADHS zusammenpassen: Das Warten vom Soundcheck bis zum Auftritt.

Oh ja, aber ich weiß schon, wie ich mich beschäftigen und alle anderen nerven kann. Ich spiele Gitarre, schreibe Songs und Comics oder entwerfe Klamotten.

Wie ist das Gefühl, wenn du dann endlich auf der Bühne stehst?

Alles in der Welt macht plötzlich Sinn. Ich bin in einer Art Trance. Oft weiß ich gar nicht mehr, was ich auf der Bühne alles gemacht habe – es fühlt sich so natürlich an. Es ist einfach nur ein Ausbruch von Energie. Ich lasse mich völlig fallen und schaue dann was so passiert.

Du bist bekannt dafür, von der Bühne zur springen und mit offenen Armen auf die Fans zuzulaufen. Wie viel bedeuten sie dir?

Alles. Absolut alles. Sie sind meine Blutzellen, sie sind die Luft, die ich atme und das Wasser, das ich trinke. Ehrlich. Sie sind alles für mich in dieser verdammten Welt.

Hast du Angst, dass der enge Kontakt jemals verloren geht?

Das würde ich niemals geschehen lassen. Ich denke, dass ist auch der Grund, warum Yungblud so groß geworden ist – die Menschen wissen das. Es ist mir egal, vor wie vielen Leuten ich spiele, ich bemühe mich immer, dass es sich für jeden besonders anfühlt.

Yungblud - the world tour, 5.3.23, Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf. ­Karten ab ca. 53 €.