Essen. Die Band Greta Van Fleet ist momentan auf Tournee. Vor dem Konzert in Köln verrät Bassist Sam, wie es hinter der Bühne zugeht.
Mit gerade mal 23 Jahren wirkt Bassist Sam Kiszka wie jemand, der in seinem noch so jungen Leben vieles erlebt hat. Hat er auch. Seit ihrer Gründung 2012 sind Greta Van Fleet fast ungebremst in den Rock’n’Roll-Olymp geschossen. Zahlreiche Chartplatzierungen und ein Grammy-Gewinn später sitzt Sam Kiszka in einem Hotelzimmer irgendwo in Europa und wartet darauf, am Abend auf die Bühne gehen zu können. Nach der pandemiebedingten Pause sind Greta Van Fleet nun auf Welttournee und spielen morgen in Köln. Wie es sich anfühlt, das aktuelle Album „The Battle at Garden’s Gate“ endlich live spielen zu können und warum Sam gerne einen Blick in die Sterne wirft, verrät er im Interview mit Kirsten Gnoth.
Vor ein paar Monaten ist die große Tournee gestartet. Wie war es, wieder auf der Bühne zu stehen?
Sam Kiszka: Das war das erste Mal, dass ich wirklich nervös war, auf eine Bühne zu gehen. Einfach, weil der letzte große Auftritt so lange her war. Wir haben zwar auch so viel zusammen gejammt, aber das ist schon was anderes. Plötzlich war da dieses Brüllen vom Publikum, dieser große Moment, der sich einfach wundervoll angefühlt hat. Wir haben gemerkt, dass jeder dankbar dafür war, dass es nun endlich wieder losgeht – aber man merkt ja meist eh immer erst, was man an etwas hat, wenn es für eine gewisse Zeit verschwunden ist.
Auf was können Sie denn auf Tour nicht verzichten?
Was ich wirklich sagen möchte, ist: Bier. Darf man das?
Klar, wir Deutschen verstehen diesen Wunsch.
Stimmt, in Deutschland gehört Bier einfach dazu. Aber nie vergessen, auch ein Glas Wasser nach jedem Bier zu trinken (lacht).
Haben Sie ein Ritual, bevor es auf die Bühne geht?
Zwei Stunden vor dem Konzert ist Josh schon angezogen, fertig loszulegen und singt sich warm. Wir anderen spielen uns ebenfalls ein und versuchen, in die richtige Stimmung zu kommen. Wir verbringen einige Zeit abseits von anderen und machen uns den Moment bewusst. Wir nippen vielleicht an einem Gläschen Whiskey und machen es uns so gemütlich wie möglich, bevor wir auf die Bühne gehen. Wir wollen uns einfach wohlfühlen.
Können Sie uns eine verbale Backstage-Tour geben? Wie sieht es bei Greta Van Fleet hinter der Bühne aus?
Kontrolliertes Chaos. Oft haben wir zwischen Soundcheck und Auftritt noch viel Zeit. Die müssen wir natürlich irgendwie füllen, bevor uns langweilig wird. Wir spielen dann Bowling mit Wasserflaschen oder stecken uns gegenseitig in Road Cases (große Koffer, in denen Equipment oder Instrumente transportiert werden, Anm, d. Red). Es ist ziemlich wuselig und überall laufen Leute rum. Aber jeder kennt jeden – auf Tour sind wir wirklich eine große Familie.
Für viele Künstler ist es schwer, nach einer langen Pause das Kofferpacken wieder zu meistern. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Oh ja, ich habe wirklich extrem lange gebraucht, um wieder reinzukommen.
Sind Sie ein Überpacker?
(zögert und blickt sich in seinem Hotelzimmer um) Ja, schon. Wir sind einen Monat in Europa unterwegs und man weiß nie, was kommt.
Fest steht, dass Sie das aktuelle Album „The Battle at Garden’s Gate“ endlich live spielen können.
Ja, das Album gehört auf die große Bühne und soll einen großen Raum erfüllen. Man bekommt in solch großen Venues einen natürlichen Nachhall, der die Luft durchdringt und eine gewisse Energie aufbaut.
„The Battle at Garden’s Gate“ ist ein fließendes und kompaktes Album. Ist es überhaupt möglich; davon Songs einfach wegzulassen?
Das Album hat auf jeden Fall seine eigene Ästhetik. Aber natürlich haben wir für die Tour auch andere Songs mitreingemischt und das hat erstaunlich gut geklappt. Es ist ein bissschen wie Puzzeln. Aber alles hat am Ende zusammengepasst. Wir haben nicht nur eine Setlist, sondern viele verschiedene. Je nachdem, wie wir uns an dem Abend fühlen, wechseln wir zwischen denen. Aber das nächste Album wird nochmal ganz anders als „The Battle at Garden’s Gate“.
Das nächste Album?
Wir arbeiten an einem neuen Album und sind auch schon relativ weit. Mehr kann ich jetzt noch nicht verraten, vielleicht gibt es aber schon sehr bald Neuigkeiten (lacht).
Man hat gemerkt, wie Sie sich als Band von Platte zu Platte weiterentwickelt haben. Ist das Ihr Anspruch?
Absolut. Ich sehe viele Künstler, die sich an den gleichen und gewohnten Stil halten – das hat natürlich auch was mit der Komfortzone zu tun. Wir wollen nicht stagnieren und immer was neues kreieren. Es gibt noch so viel zu entdecken und das möchten wir auch. Wir haben das Gefühl, dass es unser Job ist, auch mal zu gucken, was sich hinter der nächsten Wand verbirgt.
Wer schreibt bei Greta Van Fleet überwiegend die Songs?
Das Ding ist, dass wir alle verschiedene Teile zu einem Song beisteuern. Einer von uns kommt mit etwas an und wir anderen jammen dann dazu. Manchmal kramen wir auch Ideen aus, die wir vor einem Jahr hatten, weil sie nun endlich passen. Dann entwickeln wir sie weiter und es entsteht etwas völlig neues daraus – spannend. Der gemeinsame Austausch beim Songschreiben ist wundervoll.
Sie sind gerade mal 23 Jahre alt und schon während der Schulzeit in diese Musikkarriere gerutscht. Haben Sie sich jemals Gedanken darüber gemacht, was Sie geworden wären, wenn es Greta Van Fleet nicht geben würde?
Während der Schulzeit habe ich mich sehr für Astrophysik interessiert. Ich war förmlich besessen davon, wie das Universum so funktioniert. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und im Universum stecken so viele Antworten auf die Fragen des Lebens. Manche werden sich irgendwann beantworten lassen und manche auch nie. Als ich dann mit der Musik angefangen habe, war aber klar, dass das meine Berufung ist. Plötzlich war alles, was mich interessiert, ein Instrument zu lernen, noch eins zu lernen, Songs zu schreiben und besser darin zu werden. Ab diesem Moment ging alles mit der Schule ein bisschen bergab (lacht).
Stimmt es, dass Sie nur angefangen haben, ein Instrument zu spielen, weil ihre beiden Brüder schon musikalisch unterwegs waren?
Jake hat schon immer Gitarre gespielt und er hat ständig Schlagzeuger von seiner Jazzband mit nach Hause gebracht. Josh hat dann angefangen, dazu zu singen. Ich war 12 und hab nix gemacht. Meine Mutter sagte dann: „Sam guck doch mal, im Heizungskeller steht noch der alte Bass deines Vaters.“ Ich hab ihn aus dem Keller geholt und es war das coolste Ding überhaupt.
Hatten Sie jemals das Gefühl, dadurch etwas in der Jugend zu verpassen?
Ich habe tatsächlich öfter darüber nachgedacht. Aber ich bin immer zum Entschluss gekommen, dass ich nicht glücklicher hätte sein können. Musik macht mich glücklich. Ich bin zum Beispiel nie aufs College gegangen, aber ich habe nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben.
Mit einer Band zu touren, klingt auch spannender als das College.
Ja, es hat was mit Freiheit und Unabhängigkeit zu tun. Ich fühle mich wie ein Rebell, der jenseits des akzeptierten Systems lebt. Und das gefällt mir (lacht).
Das klingt so, als würde der Mythos von „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ immernoch existieren?!
Es ist aber anders als damals in den 70ern. Damals war das Tourleben wirklich extrem. Viele Künstler haben Burnout bekommen oder sind schlichtweg an diesem Lebensstil gestorben. Die Liste, was alles passieren kann, ist lang. Wir wollen Spaß haben – viel Spaß – aber wir möchten noch in der Lage sein zu touren. Ich denke, es geht nicht um exzessives Trinken oder Drogennehmen. Es geht viel mehr darum, Freiheiten zu haben und sich völlig frei austauschen zu können.
Haben Ihnen Ihre beiden älteren Brüder einen Tipp gegeben, bevor Sie sich für die Musikkarriere entschieden haben?
Jake hat mir einen sehr wertvollen Tipp gegeben. Er hat gesagt, ich muss alle Regeln der Musik beherrschen – nur um sie dann brechen zu können. Das fasst den Rock’n’Roll ziemlich gut zusammen. Es geht darum dem Herzen zu folgen und etwas zu schaffen, dass einfach roh und authentisch ist. So wird es nicht, wenn man sich immer an die Regeln hält.
Greta Van Fleet: „Dreams in Gold“-Tour, 14. Juni, Tanzbrunnen, Rheinparkweg 1, Köln. Tickets ca 51 €.