Hamm. Im Hammer Maximilian Park steht das größte Schmetterlingshaus in NRW. Bei 25 Grad lässt sich die flatternde Vielfalt bestaunen.

Sonne durchflutet den Maximilianpark in Hamm an diesem Morgen. Die goldenen Strahlen fallen durch die noch kahlen Baumkronen auf die großzügigen Wege. Hinter einer langgezogenen Kurve taucht plötzlich ein wie ein Gewächshaus anmutendes Gebäude auf.

Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen drückt Rainer Grutscha schon die Tür auf. „Kommt nur rein und hängt eure Jacken auf“, sagt er und streckt die Faust zur Begrüßung aus. Grutscha selbst trägt bei frischen acht Grad nur ein T-Shirt und das hat einen guten Grund. Im 450 Quadratmeter großen Schmetterlingshaus, dessen er seit 20 Jahren der Chef ist, herrschen muckelige 25 Grad.

Erstmal im Schmetterlingshaus akklimatisieren

Rasselnd schiebt sich der Metallvorhang zur Seite und gibt den Blick frei auf ein kleines Paradies inmitten des noch so kahlen Maxi-Parks. „Lasst das Ganze erstmal auf euch wirken“, sagt der Gärtnermeister und zieht sich zurück. Leichter gesagt als getan. Als Brillenträger oder Brillenträgerin ist man die ersten zehn Minuten aufgeschmissen. Das Nasenfahrrad ist innerhalb von Sekunden komplett beschlagen. Und auch Fotokameras brauchen eine gewisse Zeit, um sich zu akklimatisieren.

Das darf nur der Chef: Rainer Grutscha nimmt einen Schmetterling samt Orange hoch. Besucher müssen auf den Wegen bleiben und dürfen die Tiere nicht berühren.
Das darf nur der Chef: Rainer Grutscha nimmt einen Schmetterling samt Orange hoch. Besucher müssen auf den Wegen bleiben und dürfen die Tiere nicht berühren. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Lichtet sich der milchige Schleier vor den Brillengläsern langsam, offenbart der freie Blick dichtes Grün in Hülle und Fülle. Hier fallen die Sonnenstrahlen auf tropische Pflanzen, deren Blätter teilweise so groß wie Autoreifen sind. Am Wegesrand wachsen bunte Orchideen neben langen Ranken, die sich korkenzieherförmig durch den Raum schlängeln. Allein das satte Grün ist nach dem langen Winter so faszinierend, dass die Hauptdarsteller des Hauses davon im ersten Moment scheinbar verschluckt werden.

Luftakrobaten in Aktion

Doch sie sind da, die schillernden Schmetterlinge. „Über die Saison haben wir circa 80 verschiedene Arten hier im Haus“, sagt Rainer Grutscha und fügt hinzu, „noch sind es wenige. Ein paar Wochen nach der Öffnung ist hier schon mehr los.“ Über mangelnde Luftakrobatik kann man sich aber auch jetzt schon nicht beschweren.

Gekonnt saust ein blauer Morpho durch die Luft. Mit einer Spannweite von bis zu zwölf Zentimetern ist er einer der größten Schmetterlinge in Hamm. Fliegt er dicht an den Köpfen der Besucher vorbei, ist sein Flattern mit etwas Glück sogar ganz leise zu hören – jedenfalls wenn es sonst mucksmäuschenstill ist. Der geflügelte Brasilianer sei eines der beliebtesten Fotomotive.

Kein Wunder, der Schmetterling macht seinem Namen alle Ehre. „Aber Fotografen verzweifeln jedes Mal an dem Morpho. Seine Flügel sind nur auf der Oberseite blau und sobald er irgendwo sitzt, klappt er sie zusammen.“ Die Unterseite ist bräunlich und jeder Flügel wird von sieben leuchtend gelben Augen durchzogen.

Ein Blick nach oben lohnt sich - dort hängen die Puppen

Die Schmetterlinge können beim Schlüpfen beobachtet werden. So sieht der blaue Morpho übrigens von unten aus. Nur die Oberseite der Flügel leuchtet blau.
Die Schmetterlinge können beim Schlüpfen beobachtet werden. So sieht der blaue Morpho übrigens von unten aus. Nur die Oberseite der Flügel leuchtet blau. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Glatt besteht Verwechslungsgefahr mit dem Bananenfalter, der sich gerade aus seiner Puppenhülle gekämpft hat und nun kopfüber von ihr herunterbaumelt. Er hat heute nicht als Einziger das Licht der Welt erblickt. „Jeden Morgen schlüpfen Schmetterlinge. Es dauert meist nur zwei bis drei Minuten, dann sind sie draußen und entfalten langsam ihre Flügel. Vorausgesetzt, die Luftfeuchtigkeit stimmt“, erklärt der Experte. 80 Prozent sind es, die Besucherinnen und Besuchern nach wenigen Runden auf den verschlungenen Wegen kleine Schweißperlen auf die Stirn treiben, die feinen Härchen im Nacken zusammenkleben und die Kehle mit dem Wunsch nach kühlen Cocktails trocken werden lassen.

Das tropische Klima herrscht übrigens nur während der Saison im Schmetterlingshaus, über den Winter fährt Grutscha alles bis auf rund 14 Grad runter. „Den Pflanzen macht es nichts aus und Schmetterlinge gibt es keine, wenn das Haus für Besucher geschlossen hat.“ Jetzt muss er es für die tierischen Bewohnern wieder gemütlich machen und ordentlich wässern. Nicht nur die Pflanzen, auch die Gehwege – drei- bis fünfmal täglich zieht er mit der Gießkanne los.

Alle zwei Wochen kommen 350 neue Puppen

Jeder Tropfen Wasser, der auf dem Asphalt landet, wirkt wie ein Aufguss in der Sauna und lässt die Falterherzen höher flattern. Und feuchtfröhliche Nachhilfe können noch einige Schmetterlinge beim Schlüpfen gebrauchen. Wie Klammern auf einer Wäscheleine hängen hunderte Puppen in ihren Hüllen an Seilen, die quer durch das tropische Kleinod gespannt sind. „Als ich das Schmetterlingshaus neu übernommen habe, habe ich kurz vor der Saisoneröffnung 100 Puppen aufgehängt und mich auf die vielen Schmetterlinge gefreut. Ganze drei sind schließlich am nächsten Tag geschlüpft“, erinnert er sich mit einem Lachen.

Er hatte nicht bedacht, dass die Tiere manchmal noch Wochen als Puppen rumhängen oder wie im Fall des riesigen Atlasspinners (Spannweite 30 Zentimeter!) Monate in Kokons verbringen. Doch Rainer Grutscha hat aus seinen Anfängerfehlern schnell gelernt. Nun treffen die ersten Puppen von Züchtern aus Costa Rica, Großbritannien und den Niederlanden gut zwei Wochen vor der Eröffnung ein. „Danach bekommen wir alle zwei Wochen rund 350 neue“, verrät er.

Warum der Gärtnermeister ständig für Nachschub sorgen muss, hat einen einfachen Grund – viele Schmetterlinge leben nur gut einen Monat. Anders sieht es hingegen bei Grutschas Lieblingsschmetterling aus: dem Glasflügelfalter. „Ich kann gar nicht ganz genau sagen, warum ich ihn so mag. Es ist wohl sein Aussehen und die Tatsache, dass er bis zu fünf Monate lang lebt. Ach, da fliegt übrigens gerade einer“, sagt er und zeigt scheinbar mitten ins Nichts. Doch. Moment. Da tanzen zwei weiße Punkte vor dem mexikanischen Hammerstrauch mit seinen roten Blüten auf und ab. Das weiße Band ziert jedoch nur die Flügelspitzen des Glasflügelfalters, der Rest ist komplett durchsichtig.

Das Haus ist immer anders

Der Glasflügelfalter hat durchsichtige Flügel und lebt bis zu fünf Monate lang.
Der Glasflügelfalter hat durchsichtige Flügel und lebt bis zu fünf Monate lang. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Beim Anblick des südamerikanischen Flattermanns dürfte so manch einem Besucher die Kinnlade runterfallen. Und genau solche Momente sind es, die Rainer Grutscha faszinieren. „Ich liebe es, die Besucher zu beobachten. Kinder haben einen Heidenspaß und Erwachsene werden wieder zu Kindern. Hier war mal eine Gruppe Punker im Haus. Die Frisuren haben zwar nicht lange gestanden, aber sie hatten eine tolle Zeit.“

Und das ist die Hauptsache. Es lohnen sich übrigens mehrere Besuche im größten Schmetterlingshaus in Nordrhein Westfalen. „Das Haus hat immer ein neues Gesicht. Es kommen immer neue Schmetterlinge dazu, die Pflanzen wachsen, fangen an zu blühen – am Ende der Saison zu Allerheiligen ist hier alles zugewuchert.“ Dann ist es auch nicht mehr so leicht, die vier chinesischen Zwergwachteln zu sehen, die über die Wege huschen und „alles hier in Ordnung halten“.

Die Hühnervögel fressen nicht nur tote Schmetterlinge, sondern auch die Spinnen, die den Faltern nach dem Leben trachten. So manch einen Besucher mit Arachnophobie dürfte also auch die Arbeit des gefiederten Reinigungspersonals freuen. Mehr Schmetterlinge bedeuten auch mehr glückliche Besucher und die lassen Rainer Grutscha lächeln. So schließt sich der Kreis.

Die Infos zum Haus:

Das Schmetterlingshaus im Maximilianpark, Alter Grenzweg 2, Hamm, hat bis zum 1. November täglich von 10-18 Uhr geöffnet.

Parkeintritt Erw. 5 €, Ki 4-17 J. 3 €. Eintritt Schmetterlingshaus Erw. 3 €, Ki 4-17 J. 2 €. Mehr Infos www.maximilianpark.de.