Essen. Der Erfolgsautor schläft gern im Wald und würde sich auch dort beerdigen lassen. Im Interview verrät er u.a., was er von Weihnachtsbäumen hält
Mit Büchern wie „Das geheime Leben der Bäume“ avanciert Peter Wohlleben zu Deutschlands prominentestem Förster. Das Wunder des Waldes – und wie wichtig es ist, ihn zu schützen – erklärt der 57-Jährige u.a. in seiner Waldakademie in der Eifel und bald auch auf der Bühne. Stefan Moutty wollte von Peter Wohlleben wissen, was das Publikum im Programm „Ein Abend für den Wald“ erwartet – und was er vom Trend des Waldbadens hält.
Herr Wohlleben, nach Ihren Bestsellern und einem erfolgreichen Film gehen Sie bald auch noch auf Tour. Ist das der letzte Schritt vom Förster zum Popstar?
Peter Wohlleben: (lacht) Sicher nicht. Ich bin immer noch Förster, und das gibt mir die Bodenhaftung. Das Schöne ist: Ich brauche das alles nicht – es sind alles nur Optionen. Auf der Tour kann ich viel mehr machen als bei einer normalen Lesung, das gibt mir neue Möglichkeiten. Und für einen Popstar bin ich dann doch zu unbekannt. Was auch gut ist, so muss ich mich wenigstens nicht beim Einkaufen hinter den Regalen verstecken … (lacht)
Was kann man denn bei Ihrem „Abend für den Wald“ erleben?
Wir machen zum Beispiel einen virtuellen Spaziergang durch den Wald – mit Filmsequenzen, mit spezieller Musik und mit Anekdoten, die ich erzähle. Ich werde auch das Publikum einbinden, das mache ich grundsätzlich gerne – mit kleinen Experimenten und Diskussionen.
„Wer Bäume absägt, tötet sie“
Apropos Diskussionen: Sie sagen, u.a., Förster sind Baummetzger. Wie reagieren Ihre Berufskollegen darauf?
Das finden natürlich viele Förster nicht lustig, weil sie sich als Waldpfleger bezeichnen. Ich sage, das ist unehrlich. Man pflegt den Wald nicht, indem man mit Maschinen darin herumfährt und Bäume absägt – damit tötet man sie. Ich mach das übrigens auch als Förster. Ich bewirtschafte nach wie vor Wald, was vollkommen legitim ist. Aber bitte nicht so brutal und bitte ehrlich. Wie sollen wir sonst eine Diskussion darüber bekommen, wie viel Natur wir nutzen wollen.
In Ihren Büchern erklären Sie, wozu Bäume alles fähig sind. Sind Bäume intelligent?
Ich würde nicht sagen, dass Bäume intelligent sind. Aber Bäume können Entscheidungen treffen. Apfelbäume zählen zum Beispiel die warmen Tage im März und treiben erst ab einer gewissen Zahl aus. Buchen wiederum orientieren sich an der Tageslänge. Selbst wenn es schon früh im Jahr sehr warm ist, treiben sie nicht aus, sondern warten, bis die Tage eine gewisse Länge haben.
Wie schaffen Bäume das?
Bäume haben wahnsinnig viele Sinne, um ihre Umwelt wahrzunehmen. Die brauchen sie auch, weil sie nicht weglaufen können und auf jede Bedrohung mit einer anderen Strategie reagieren müssen. Auf Dürre anders als auf Borkenkäfer, auf Rehe anders als auf Sturm. Wir Menschen kennen bei Gefahr nur eine Strategie, nämlich weglaufen. Bäume dagegen müssen sich der Gefahr stellen.
„Buchen und Eichen sind Teamplayer“
Haben die verschiedenen Baumarten unterschiedliche Fähigkeiten?
Ja, jeder Baum hat sich auf etwas anderes spezialisiert. Nehmen wir mal Birken, Weiden und Pappeln, das sind Einzelgänger, im Prinzip Egoisten, sie leben nicht im Verbund. Sie machen alles alleine und möglichst schnell, deshalb werden sie auch nicht so alt. Buchen, Eichen und andere typische Urwaldbäume dagegen sind Teamplayer, die leben im Sozialverband. Wenn da mal jemand krank wird, wird er von den anderen wieder aufgepäppelt.
Haben Sie einen Lieblingsbaum?
Interessanterweise nicht. Ich mag ganz viele Bäume gerne. Und ich schreibe halt viel über Buchen und heimische Laubbaumarten, weil die vor meiner Nase wachsen und ich sie besonders gut verstehe. Aber ich finde zum Beispiel auch die älteste Fichte der Welt in Schweden unglaublich beeindruckend – ein Fünf-Meter-Baum, der fast 10.000 Jahre alt sein soll. Oder die riesigen Douglasien in Nordamerika, die sind überwältigend.
Die Douglasie wird bei uns ja derzeit ziemlich gehypet, als Geheimwaffe gegen den Klimawandel …
Leider. Die Douglasie ist nicht von hier, unsere heimischen Tierarten können damit nichts anfangen. Wenn wir deren Hauptnahrungsangebot auf irgendetwas anderes wechseln, dann verhungern die. Die Douglasien würde bei uns wachsen, keine Frage, aber das Ökosystem machen wir damit kaputt.
Trödeln im Wald – ausdrücklich erlaubt
Waldbaden liegt seit einiger Zeit im Trend. Was halten Sie davon?
Am Anfang habe ich gedacht, man braucht doch keine Anleitung, um in den Wald zu gehen. Mittlerweile hab ich’s besser verstanden. Es geht ums Entspannen, dass man sich erlaubt, runterzukommen. Kinder machen es beim Spaziergang im Wald ganz intuitiv – sie trödeln. Sie entdecken da ein Stöckchen, hier ein Blättchen. Das ist beim Waldbaden ähnlich – es erlaubt uns, unter Anleitung langsam zu machen und zu entspannen. Waldbaden ist letztendlich das Sein im Wald, das Einatmen der Botenstoffe, das Absenken des Blutdrucks.
Haben Sie auch schon mal im Wald geschlafen?
Oft. Ich hab schon 1998 Survivalkurse und solche Sachen angeboten, weil ich damit die alten Buchenwälder retten wollte. Ich hab den Waldbesitzern gesagt, nehmt das Geld doch aus dem Tourismus und lasst die Bäume stehen. Und da haben wir immer draußen ohne Zelt im Wald übernachtet. Im Urlaub in Lappland übernachte ich mit meiner Frau auch sehr gerne im Wald.
Wollen Sie später auch mal im Wald beerdigt werden?
Finde ich grundsätzlich schön – wenn das wirklich Bestattungswälder sind, in denen keine Bäume mehr gefällt werden. Wenn man mit seinem Grab noch Bäume schützt und gleichzeitig wieder im Kreislauf der Natur ist, dann finde ich das ein sehr schönes Symbol.
Haben Sie zum Fest eigentlich einen Weihnachtsbaum in der Wohnung?
Ja, habe ich (lacht). Ich bin kein Dogmatiker – ich hab’ ja auch einen Holzschreibtisch und veröffentliche Bücher. Ich bin ein Gerne-Holznutzer – deswegen finde ich es ja so wichtig, dass es schonend genutzt wird. Und ein Weihnachtsbaum gehört für mich einfach dazu, da hängen Kindheitserinnerungen dran. Aber auch da kann man ja schauen, wo er herkommt und einen aus ökologischem Anbau kaufen.
>>> Peter Wohlleben live:
Termine: 3.3.22 Köln (Theater am Tanzbrunnen), 16.3. Essen (Lichtburg). Karten gibt’s ab ca. 40 € auf www.ruhrticket.de.