Witten. Mit dem Smartphone bewaffnet, ziehen Fotoaffine durch Witten. Auf den sogenannten Instawalks sollen dabei besondere Schnappschüsse entstehen.

Mit schnellen Schritten huscht Julian Kramp durch die Wittener Innenstadt. Er biegt links in eine kleine Straße hinein, verschwindet rechts hinter einer mit Efeu bewachsenen Mauer und kommt schließlich am Stadtpark heraus. „Ich kenne mittlerweile eine Menge Abkürzungen“, erklärt er und lächelt. Kein Wunder, seit fast einem Jahr führt er als Werkstudent des Stadtmarketings Fotoaffine auf sogenannten „Instawalks“, einer Art Erkundungstour für das soziale Netzwerk Instagram, zu den schönsten Ecken und Enden der Stadt.

Die sind allerdings nicht immer ganz so leicht zu erreichen. Bevor es aber den steilen Berg im Stadtpark hinauf geht, gibt es noch eine nette Anekdote mit auf den Weg – als Motivationsschub sozusagen. Der kleine springende Ziegenbock, der als Statue am Parkrand Besucher begrüßt, wurde vor einigen Jahren gestohlen. Nur noch die bronzenen Hufe lugten aus dem Blumenbeet hervor. Der Rest war verschwunden. „Und ist auch nie wieder aufgetaucht. Die Statue, die jetzt dort steht, ist nicht mehr das Original“, verrät Kramp.

Momentaufnahmen mit Lokalkolorit

Solche Geschichten erzählt er auf den Instawalks selten. „Es sind ja keine Stadtführungen, bei denen ich zu jedem Highlight Infos parat habe. Wir machen hier etwas anderes.“ Und dafür braucht der Werkstudent vor allem sein Handy. Ein Blick in den übervollen Fotospeicher verrät, worum es bei den Instawalks geht: Die Stadt mit anderen Augen zu sehen.

Werkstudent Julian Kramp zeigt Teilnehmern des Instawalks die Sehenswürdigkeiten, die sich auch gut im Instagram-Profil machen.
Werkstudent Julian Kramp zeigt Teilnehmern des Instawalks die Sehenswürdigkeiten, die sich auch gut im Instagram-Profil machen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ob es nun ein Schnappschuss von den Bergbauspuren im grünen Muttental oder ein Detailbild vom zuckersüßen Mäusespeck in der Auslage einer Trinkhalle ist – jeder Teilnehmer sieht Witten bei den Instawalks so, wie er oder sie die Stadt sehen möchte. „Dabei gibt es kein richtig oder falsch. Ich bin einfach immer wieder erstaunt, was am Ende für Fotos dabei heraus kommen.“

Zu sehen gibt es die Momentaufnahmen mit Lokalkolorit unter dem Hashtag #instawalkwitten auf der Bilderplattform Instagram, aber ein Muss ist das Hochladen ins Internet nicht. „Wir haben auch Gäste dabei, die kein Instagram haben. Die gehen dann einfach nur mit Handykamera oder einer normalen Kamera mit“, versichert Kramp, der für das Studium von Hamburg nach Witten zog.

Blick in die Ferne vom „Balkon“ aus

Eines haben die Hansestadt im hohen Norden und Unistadt im Ennepe-Ruhr-Kreis auch gemeinsam: Mitten durch die Herzen der beiden Städte schlängelt sich ein Fluss. Und genau dort hin, zur Ruhr, zieht es Julian Kramp heute. Nachdem er die grünen Wiesen der Stadtparks – „auf denen man ganz wunderbar im schneereichen Winter rodeln kann“ – hinter sich gelassen hat, wird das Gelände immer waldiger. Aus den asphaltierten Wegen wird unebenes Kopfsteinpflaster, aus dessen großen Fugen dunkelgrünes Moos sprießt. Und schließlich verschwinden auch die letzten Steinbrocken im bräunlichen Waldboden.

Zig Male ist der 27-Jährige hier schon über Äste gestiegen und durch flache Senken geschlendert, um zum „Balkon“ zu kommen. Der Aussichtspunkt macht seinem liebevollen Spitznamen alle Ehre. Nur wenige Meter hinter dem grünen Metallzaun stürzt eine Steinkante in die Tiefe und gibt den eindrucksvollen Blick über den Stadtteil Bommern frei.

Bergbauspuren im Muttental

Der begeisterte Instawalker springt beherzt auf einen Baumstumpf, fingert sein Handy aus der Hosentasche und hält drauf – auch wenn der Himmel an diesem Morgen wolkenverhangen ist. Aber hey, momentan werben Instagram-Stars doch für mehr Realität auf der sonst so aufgehübschten Plattform.

Mit einem Tipp auf den Auslöser der Handykamera hält Julian Kramp die sanft fließende Ruhr, die massiven Gleisanlagen am Ufer und das imposante Ruhr-Viadukt in einer Momentaufnahme fest. Es ist ein Anblick, für den sich die schweißtreibende Wanderung allemal lohnt. „Grundsätzlich sollte man für die Instawalks gut zu Fuß sein. Die längste Wanderung ging durchs Muttental und dauerte drei Stunden.“

Thema wechselt alle zwei Wochen

Das Ruhr-Viadukt ist ein beliebtes Fotomotiv.
Das Ruhr-Viadukt ist ein beliebtes Fotomotiv. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Allerdings muss nicht jeder einzelne Kilometer mitgelaufen werden. Zwar steckt Kramp vor dem Instawalk eine ungefähre Route ab, doch die diene nur als Inspiration. Manch ein Teilnehmer vertiefe die Fotosession an einer bestimmten Stelle, während es die anderen schon weiterzieht. Auch Motivwünsche versucht der Werkstudent bei den Walks zu berücksichtigen. Alles im Rahmen des Mottos, versteht sich.

Das wechselt alle zwei Wochen und versucht, möglichst viele Facetten der Stadt einzufangen – von der Industriekultur über die Natur bis hin zu traditionsreichen Veranstaltungen wie der Zwiebelkirmes. Die Idee zu den Instawalks bekam Dr. Silvia Nolte, Geschäftsführerin der Stadtmarketing Witten GmbH, als sie einen Blick über die Stadtgrenzen hinaus warf. „In anderen Städten wie Mülheim oder Dortmund gibt es das Konzept seit längerer Zeit und ich war begeistert, als ich die Bilder gesehen habe“, erinnert sie sich. Im Rahmen einer Kommunikationsstrategie hat sie das Konzept auch für Witten übernommen.

Und seither werden die Spaziergänge mit gezückten Smartphone gut angenommen: „Sie sind sehr beliebt und das auch nicht nur bei Jüngeren, wie man es vermuten könnte.“ Auch Ältere werfen einen Blick durch ihr Handydisplay auf die Stadt und entdecken Neues.

Die Infos zum Instawalk

Die Instawalks finden alle zwei Wochen sonntags statt. Der nächste Termin ist am 5. September. Dann erkunden die Teilnehmer ab 16 Uhr fotografisch die traditionelle Zwiebelkirmes.

Für den Instawalk über Wittens größtes Volksfest können sich Interessierte auf www.stadtmarketing-witten.de anmelden. Die Teilnahme ist kostenlos.