Köln. Tana Ribeiro hat mit Motiven aus Süßigkeiten begonnen. Mittlerweile sind die Mosaike aus farbenfrohen Fliesen. Das Hobby ist meditativ.

Blitzschnell fliegen Tana Ribeiros Augen über die Kiste voller Fliesenscherben. Sie beginnt, mit spitzen Fingern darin herumzukramen. Ganz vorsichtig, denn die Ränder könnten scharf sein. Immer noch nichts. Doch plötzlich zieht die gebürtige Brasilianerin ein unscheinbares kleines Stück Fliese aus dem Haufen und legt es auf die Holzplatte vor sich. Passt perfekt. Damit hätte das Mosaik vom Kölner Dom, an dem die 53-Jährige gerade arbeitet, nun auch eine zweite Turmspitze. Ohne die wäre die Kult-Kathedrale eben nur halb so schön kölsch.

Das Wahrzeichen der Rheinme­tropole hat sie schon hunderte Male als Mosaik zusammengepuzzelt. „Langweilig wird es aber nie. Jedes Mosaik ist eine neue Herausforderung und immer ein bisschen anders“, erklärt die Künstlerin. Das verrät auch ein Blick durch ihr Kölner Atelier. Dort warten einige Dom-Kunstwerke auf eine neue Heimat. Viele von ihnen erstrahlen in der traditionellen Farbenmischung aus „rut un wiess“.

Kölner Dom als Mosaik

Oft passen die Fliesenscherben nach einer kleinen Suche perfekt ins Bild. Manchmal muss Tana Ribeiro aber mit einer Kneifzange nachhelfen.
Oft passen die Fliesenscherben nach einer kleinen Suche perfekt ins Bild. Manchmal muss Tana Ribeiro aber mit einer Kneifzange nachhelfen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Doch der Dom kann auch unkonventionell, zumindest wenn Tana Ribeiro ihrer Kreativität freien Lauf lässt. Ein grünes Kirchen-Konterfei vor lilafarbenen Hintergrund gefällig? Oder wie wäre es mit einem knallbunten Dom? „Wichtig ist einfach, dass der Kontrast stimmt. Dadurch wird das Motiv erst erkennbar“, sagt die Expertin und zieht ein weiteres Kunstwerk aus ihrem Fundus. Es ist ein gelber Seestern, der dadurch lebendig wird, dass er auf einem blauen Ozean zu schwimmen scheint. Zwar ist er rein optisch platt wie eine Flunder, doch unterschiedliche Gelbtöne geben dem possierlichen Tierchen ein plastisches Antlitz.

Für möglichst ausdrucksstarke Kunst braucht Tana Ribeiro jede Menge Scherben. Kistenweise stehen sie in den hölzernen Regalen und, nicht zu vergessen, farblich sortiert. Ja, der Anblick dürfte wohl jedem ordnungsliebenden Menschen ein Gefühl von innerer Zufriedenheit bescheren. Allerdings kommen die Fliesen aus den Niederlanden nicht schon kaputt bei ihr an. Sie darf vor jeder Puzzelei kräftig den Hammer schwingen. „Da kann man schon mal seine ganze Wut dran auslassen, aber sonst ist das Legen eines Mosaiks eher meditativ“, sagt sie und lacht.

Beim Zerschmettern der Fliesen ist Vorsicht geboten, gerade wenn man mit Kindern arbeitet, wie es Tana Ribeiro in Pandemie-freien Zeiten sonst tut. Schutzbrillen sind Pflicht, wenn die Kurs-Teilnehmer oder Schulklassen die Fliesen mit Hämmern klein kloppen. „Deshalb benutze ich auch nur Fliesen aus Beton und nicht aus Glas. Die Splitter fliegen überall herum“, erklärt sie und demonstriert direkt, was gemeint ist.

Schweres Werkzeug, filigrane Fliesen

Denn: Was nicht passt, wird passend gemacht. Manchmal findet die Künstlerin selbst in Hunderten von Scherben, nicht die eine, die perfekt in die Lücke passt. Ein kleines Stück fehlt im Fundament des Doms noch. Eine halbwegs passende Scherbe liegt schon daneben. Allerdings ist sie etwas zu groß. Tana Ribeiro steht auf, geht zum Regal hinter ihr und zieht eine Kneifzange heraus.

Knips, Knips, Knips – Millimeter für Millimeter arbeitet sich die Künstlerin vor. Endlich passt das Stück, jetzt muss sie nur noch die Kante ein wenig begradigen und – et voilà – der Dom steht sicher. Zufrieden schaut sie auf das kleine Kunstwerk herunter, rückt noch einmal einige Stücke zurecht und greift dann zum Holzleim. Großzügig die Fliesenrückseite bepinseln, auf die Holzplatte drücken und schon hat die Scherbe ihren Platz für die Ewigkeit gefunden. Jedenfalls sollte das mit der richtigen Wahl des Klebers so sein. „Wenn es ein Mosaik für den Außenbereich werden soll, muss man zu einem anderen Kleber greifen und kann natürlich keinen Holzleim nehmen. Dann braucht es schon Fliesenkleber und eventuell auch eine Grundierung.“

Großvater war ein Steinhauer

Die Fugenmasse verteilt die Künstlerin großzügig auf dem Mosaik. Keine Sorge, sie lässt sich später problemlos mit einem nassen Schwamm abwischen.
Die Fugenmasse verteilt die Künstlerin großzügig auf dem Mosaik. Keine Sorge, sie lässt sich später problemlos mit einem nassen Schwamm abwischen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

All das Wissen hat sich Tana Ribeiro über Jahre zusammengepuzzelt. Das erste Stück kam aus der eigenen Familiengeschichte. Ihr deutscher Großvater war Steinhauer. „Eigentlich waren es eher die Jungs, die ihm geholfen haben. Aber manchmal durfte ich auch“, erinnert sich Tana Ribeiro, die in der brasilianischen Stadt Diamantina aufwuchs. Ihre ersten Mosaike waren allerdings nicht aus Stein, sondern aus einem viel süßeren Werkstoff. „Kindergeburtstage sind eine große Sache in Brasilien. Ich habe meinem Sohn dazu immer Kuchen gebacken und aus Süßigkeiten Motive darauf gestaltet.“

Tja, irgendwann wurden aus den Süßigkeiten dann Fliesenstücke, Glasperlen, Knöpfe und Natursteine. Denn: Der Gestaltung sind keine Grenzen gesetzt. Auch Henkel von abgeliebten Kaffeetassen lassen sich zum Beispiel ganz prima in ein Mosaik einarbeiten. „Außerdem können gerade bei größeren Projekten viele Menschen gemeinsam an einem Mosaik arbeiten. Das gefällt mir so daran“, sagt Ribeiro und fügt hinzu: „Ich bin außerdem Malerin. Da bin ich dann ganz bei mir und dem Bild. Wenn ich mit Kindern ein großes Mosaik für die Schule oder Kita lege, ist das ein anderes Gefühl.“

Erwachsene zerdenken oft

Die Knirpse seien übrigens auch freier, wenn es um das Zusammenpuzzeln der Teile geht. „Erwachsene zerdenken das oft. In Kursen gebe ich den Teilnehmern nichts vor, sie können ihre eigenen Ideen umsetzen und da sind die Kinder flinker.“ Ein bisschen werden aber auch die Nachwuchskünstler beim letzten Schritt auf dem Weg zum fertigen Mosaik ausgebremst. Sind alle Fliesenstücke auf die Platte geklebt, klaffen zwischen den einzelnen Teilen immer noch Lücken.

Abhilfe schafft die frisch angerührte Fugenmasse, von der die Expertin einen großzügigen Klecks auf den Dom gibt und sie mit einem Spachtel zügig verstreicht. Jede noch so kleine Ritze füllt sich langsam mit der grauen Masse, doch auch Teile des Motivs verschwinden darunter. „Keine Sorge, wir lassen es etwas antrocknen und wischen mit einem feuchten Schwamm die Reste ab.“ Gesagt, getan – und schon erstrahlt der Dom wieder in vollem Fliesen-Glanz. Wäre die Reinigung des gotischen Originals aus rund 50 verschiedenen Steinsorten doch auch nur so einfach.

Infos zu Workshops, Kursen und Kindergeburtstagen gibt es auf www.tana-mosaik-kunst.de.