Hamm. Mangas stehen längst nicht mehr nur in Fernost in den Bücherregalen. Profi-Zeichnerin Alexandra Völker gibt Tipps und Tricks für Anfänger.
Erst kommt das runde Gesicht. Dann zwei Augen, zwei kreisrunde Bäckchen, Nase, Mund, Zunge, Bauch, Füße – und schon einen blitzförmigen Schwanz später strahlt uns das ewig niedliche Pikachu vom Papier aus an. Noch nur in Umrissen, im fahlen Grau. Für ein komplettes Porträt der stets unter Strom stehenden Maus fehlen noch ein paar Konturen und die charakteristische gelbe Farbe – aber die kommt bei Alexandra Völker natürlich, wie es sich für Profis gehört, erst nach den mit Bleistift gezeichneten Umrissen aufs Blatt.
Für die 34-Jährige gehört das sicherlich berühmteste Pokémon der Welt zu den einfacheren Übungen. Nur wenige Minuten Zeit muss sie für ein Exemplar aufwenden. Kein Wunder, ist sie doch schon seit mehr als zwei Jahrzehnten im Training: „In der Grundschule habe ich schon damit angefangen. Die ersten Einflüsse waren Ende der 90er Sailor Moon – die Zeichnerin Naoko Takeuchi ist mein Vorbild –, Dragon Ball und Pokémon. Davon habe ich regelmäßig Fan-Arts (Bilder, die Anhänger von bestimmten Künstlern und Figuren malen, Anm. d. Red.) angefertigt. Aber irgendwann, so im Teenager-Alter, wurde mir das reine Abzeichnen zu langweilig.“
Eine von wenigen deutschen Profis
Heute gehört die Hammerin zu den profiliertesten Mangaka Deutschlands. So nennt man Künstlerinnen und Künstler, die für Verlage Comics im japanischen Stil, sogenannte Mangas, zeichnen. Hierzulande ist dieser Beruf eine Seltenheit, in Japan sieht das anders aus, wie sie erklärt: „Da ist das Zeichnen von Mangas eine professionelle Berufssparte. Einige der bekanntesten Mangaka kreieren Figuren und eine Handlung, lassen dann aber verschiedene Angestellte den größten Teil der Zeichnungen machen.“
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Sagt sie und grinst. Wohlwissend, wie viel Arbeit sie schon, selbstverständlich ohne Helferlein, in ihre Werke gesteckt hat, die unter anderem bei den Verlagen Egmont und Carlsen erschienen sind. Für eine Manga-Seite im Format DIN-A4 braucht sie etwa zehn Stunden. „Man benötigt viel Disziplin und Durchhaltevermögen. Für meinen letzten Manga ‚Dortmund Dungeon Trip‘ (siehe Infobox) habe ich ein halbes Jahr durchgearbeitet, da gab’s sonst nicht mehr soviel Leben“, erinnert sie sich an die vergangenen Monate. Sonst geht sie öfter mit der Kamera vor die Tür. Der Inspiration wegen, versteht sich.
Online-Workshops ersetzen Messeauftritte
Zudem arbeitet sie als Buchsetzerin und gibt in normaleren Zeiten Workshops in Schulen, Büchereien und auf Messen. Die muss Völker aktuell zwangsläufig ins Internet auslagern, liefern aber eine schöne Abwechslung zum manchmal etwas tristen Corona-Alltag: „Seit März 2020 habe ich immerhin 50 Events auf die Reihe bekommen, viele davon natürlich online. Eigentlich wären es aber wohl alleine 2020 über 100 Veranstaltungen geworden“, sagt sie. In den Workshops vermittelt sie Schülerinnen und Schüler aus verschiedensten Altersklassen Tipps und Tricks.
Eine wichtige Regel: Das passende Handwerkszeug muss nicht teuer sein. „Wenn du gut zeichnest, ist das Material egal. Es kommt auf deine Technik an. Ich habe schon mal ein ganzes Buch mit einem Stift gemacht, der 1,10 Euro gekostet hat“, sagt Völker. Wer will, kann auch auf die professionellen Stifte der japanischen Firma COPIC zurückgreifen – da kostet aber ein Einzelstück bereits etwa 6,50 Euro. Es empfiehlt sich daher, nach entsprechenden Angeboten zu suchen.
Weißes Papier ist Pflicht
„Designstifte in bunten Farben, sogenannte Marker, kann man auch beim Discounter kaufen, da kosten 60 Stück mit jeweils verschiedenen Farben manchmal nur zehn Euro. Wenn die wenige Tage vorher in der Werbung angepriesen werden, sind sie aber auch sehr schnell weg. Die Manga-Community ist da immer ganz gierig“, weiß Völker. Wer gute Ergebnisse erzielen will, benötigt neben Stiften und Kreativität vor allem das richtige Papier. Es sollte möglichst dick und komplett weiß sein, so wie beim Profi: „Ich nutze 200 Gramm Papier der Größe A4.“
Wer am Anfang unbedingt Linien oder Karos braucht, sollte das entsprechende Papier unter das ganz weiße Papier legen. Denn, so weiß es die erfahrene Mangaka: „Wer seine Mangas auf Karo-Papier oder liniertem Papier irgendwann bei Wettbewerben oder Bewerbungen veröffentlichen will, riskiert, dass die Datei nicht richtig hochgeladen wird. Da gibt es oft Filter, die das blockieren.“
Auf Proportionen muss man achten
Zusätzlich benötigen Manga-Zeichner einen Fineliner für Konturen sowie Bleistifte und Radiergummi für das Vorzeichnen. Dann kann es schon losgehen, empfehlenswert ist zunächst bloßes Abzeichnen. „Das geht viermal schneller als wenn man alles von klein auf selbst versucht. Es gibt zudem mittlerweile viele gute Lehrbücher, auch für verschiedene Altersklassen, sowie zahllose YouTube-Tutorials“, sagt Völker. Ein häufiger Anfängerfehler ist das Missachten korrekter Proportionen. So stark vergrößert die für Mangas charakteristischen Kulleraugen oft auch sein mögen: Riesige Köpfe nebst superkurzen Beinen funktionieren in der professionellen Manga-Welt nicht – so fantasievoll die Geschichten oft sind, wird stets ein gewisses Maß an Realismus gefordert.
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Wer diese wenigen Regeln beherzigt, dem gelingen schnell Erfolge. Bei Workshops gehören Pokémon als Top-Stars japanischer Popkultur meist zu den ersten Wunschmotiven der oft überwiegend jungen Teilnehmenden, vor allem – wenig überraschend – der Protagonist unseres eingangs erwähnten Bildes. Pikachu erhält nun Konturen, rote Bäckchen sowie seine knallig gelbe Farbe. Und um das Porträt besonders „kawaii“ (japanisch für „süß“, Anm. d. Red.) zu gestalten, malt ihm Alexandra Völker noch einen Lolli in die kleinen Händchen. Fertig!
>> INFO: Werk und Workshops
Alexandra Völkers aktuellen Manga Dortmund Dungeon Trip, eine Auftragsarbeit für die DSW21, gibt es kostenlos zu den regulären Öffnungszeiten im „schauraum“ am Max-von-der-Grün-Platz 7 in Dortmund.
Die Künstlerin gibt regelmäßige Online-Workshops über die Video-Chat-Plattform Discord. Der nächste am 12.5. ist bereits ausgebucht. Tickets für den übernächsten Termin am 25.5., 17 Uhr, gibt’s für 12 € auf www.reservix.de.