Essen. Ilka Bessin musste die Tour „Blöde Fragen, blöde“ Antworten verschieben. Im Interview verrät sie was ihr gegen den Corona-Blues hilft.
Berühmt wurde Ilka Bessin in einem pinkfarbenen Jogginganzug und mit Krönchen auf dem Kopf. Rund 16 Jahre lang schlüpfte die Stand-up-Komikerin aus dem brandenburgischen Luckenwalde in die Rolle der Cindy aus Marzahn . Mittlerweile hat die 49-Jährige die Kunstfigur an den Nagel gehangen. Ilka Bessins erstes Soloprogramm ohne pinken Lippenstift klang 2019 wie eine Kampfansage an alle Zweifler: „Abgeschminkt und trotzdem lustig.“ Nun steht bereits ein zweites Programm in den Startlöchern. Kirsten Gnoth sprach mit Ilka Bessin nicht nur über das aktuelle Solo, sondern auch über absurde Corona-Demos und David Garretts Kochkünste.
Ihr neues Programm heißt „Blöde Fragen, blöde Antworten“. Was war die blödeste Frage, die Sie je bekommen haben?
Ilka Bessin: Eigentlich war es eher lustig. Ich wurde in der Halle, in der ich gebucht wurde, begrüßt mit: „Kommt die Künstlerin gleich noch?“ Man hat mich einfach nicht erkannt. Blöde Fragen sind für mich immer, wenn ich beim Arzt stehe und die Schwester mich fragt: „Sie wollen zum Doktor?“ Da muss ich mir wirklich auf die Zunge beißen. „Schläfst du schon?“ ist auch so eine Frage. Ja klar, tief und fest. Was soll man denn darauf antworten. Aber das ist natürlich alles mit einem Schmunzeln.
Was dürfen wir denn vom neuen Programm erwarten?
Altersprobleme (lacht). Ich bin 49. Da ist man in so einem Alter, in dem man vieles gelassener sieht. Man schmunzelt über so viele Dinge. Wenn ich einkaufen gehe, ertappe ich mich dabei, wie ich mit mir selbst rede. Meist darüber, was ich heute so kochen könnte.
Aber das Gute an der Maskenpflicht ist, dass es dann keiner mehr sieht.
Ja, das stimmt. Allerdings sieht man auch nicht, wenn jemand freundlich lächelt. Ich versuche dann, mit meinen Augen zu grinsen.
Masken sind ein gutes Stichwort. Ihre Tour musste ja nun jetzt auch auf 2021 verschoben werden. Haben Sie sich darüber geärgert?
Na klar. Ich vermisse die Bühne sehr, bin aber Gott sei dank in der Glücklichen Lage weiterhin im TV aufzutreten. Diese Möglichkeit wird nur den aller wenigsten in der Kulturbranche geboten. Unsere ganz Branche mit all den Gewerken die dazu gehören ist zur Zeit quasi „abgeschaltet“. Das ist eine wirkliche Katastrophe.
Sie waren selbst mal vier Jahre arbeitslos. Kommt die Erinnerung daran in diesen schwierigen Zeiten wieder auf?
Ja, die Arbeitslosigkeit hat mich sehr geprägt. Ich habe immer Angst, wieder in diese Situation zukommen. Für mich ist das Schlimmste daran, nichts mehr zu tun zu haben. In der aktuellen Situation sind diese Ängste natürlich noch mal stärker. Ich habe zwei Berufe in der Gastro gelernt. Als Köchin oder Hotelfachfrau zu arbeiten, ist jetzt ebenfalls schwer.
Sie haben sich auch an der Aktion „#sangundklanglos“ beteiligt. Mit der reagieren Kulturschaffende auf den erneuten Lockdown in der Branche. Wie kamen Sie dazu?
Ich finde das wichtig, dass das Thema möglichst viel Aufmerksamkeit bekommt. Kleine Theater wissen nicht, was sie machen sollen und die Menschen demonstrieren, weil sie sich durch die Maske eingeschränkt fühlen. Wo sind wir denn hier? Das kann es nicht sein. Deshalb war mir der Protest bei der Aktion „#sangundklanglos“ so wichtig. Es geht einfach alles sang und klanglos unter und keiner kümmert sich um eine zufriedenstellende Lösungen. Es ist an der Zeit, dass sich was ändert.
So ganz sang und klanglos sind Sie im Lockdown nicht verschwunden. Sie haben nun einen eigenen Podcast mit dem Namen „Geschichten, die (k)einer braucht“. Wie läuft die Produktion?
Es ist gar nicht so leicht. Ich lade mir ja auch immer Gäste ein und da achten wir sehr auf den Abstand. Meist ist es mehr als 1,50 Meter. Der eine sitzt an einem Ende des Tisches, er andere am anderen. Zur Begrüßung gibt es kein Küsschen links, Küsschen rechts. Ich mache noch nicht mal den Fuß-Gruß. Viele Gäste sagen aufgrund von Corona auch ab – verständlich.
Sie sprechen mit ihren Gästen auch viel über Privates.
Ja, natürlich kann David Garrett großartig Violine spielen – das weiß ich und viele andere wissen es auch. Deshalb interessiert mich der Mensch dahinter viel mehr. Kann David Garrett auch kochen? Ja, Spiegeleier und Borschtsch. Ich quatsche mit den Leuten wie mir die Schnauze gewachsen ist.
Ist gerade jetzt die Zeit für Geschichten, die (k)einer braucht?
Absolut. Ich möchte, dass die Menschen auf andere Gedanken kommen und auch mal lachen. Wenn ich mir selbst zum Beispiel einen Podcast anhöre, möchte ich nicht noch was über Corona hören. Von dem Thema sind wir eh schon die ganze Zeit umgeben. Ich möchte dann einfach abschalten und interessanten Gesprächen lauschen.
Trotz des Staraufgebots in Ihrem Podcast und auch der sehr erfolgreichen Zeit als Cindy aus Marzahn wirken Sie sehr bodenständig.
Meine beste Freundin hat einen Frisörsalon, mein bester Freund ein Steakhaus – deshalb ist er auch mein bester Freund (lacht). Es ist ein Job, den ich mache. Abends gehe ich ganz normal wie alle anderen auch nach Hause. Man darf sich selbst nicht so wichtig nehmen. An der Tankstelle kommt ja auch keiner mit Blumen auf mich zu und sagt: „Oh toll Frau Bessin. Heute tanken Sie umsonst.“ Ich habe einen normalen Alltag.
Zählt dazu auch noch ein Personal Trainer?
Es gibt viele Leute, die sich mit meiner Figur – oder besser gesagt Figuren allgemein – beschäftigen. Es gab ne Zeit, in der hat sich mein Leben nur ums Abnehmen gedreht. Das ist nicht mehr so. Ich mache die Dinge, auf die ich Lust habe. Und momentan habe ich keine Lust, jeden Tag zu trainieren. Dein Körper sagt dir schon, was gut für ihn ist. Es gibt Tage, da wache ich auf und denke ‚Ich bin ne coole Braut‘. Es gibt aber auch Tage, an denen brauche ich ein paar BBQ-Rips und danach geht es mir besser.
Als Sie Anfang des Jahres bei „Let’s Dance“ mittanzten, sorgte Ihre Figur für fiese Kommentare im Internet. Wie gehen Sie damit um?
Natürlich finde ich es nicht cool, wenn jemand schreibt: „Muss die Fette da jetzt noch rumtanzen?“ Aber ich frage mich dann immer, was dieser Mensch seinen Kindern für Werte vermittelt. Denn wir sollten alle respektvoll miteinander umgehen – im realen Leben, aber auch im Internet. Die Menschen können meine Arbeit oder die Art wie ich getanzt habe kritisieren, aber warum müssen sie mich direkt persönlich angreifen.
Sie waren ja auch mal Köchin. Was ist denn Ihr persönliches Lieblingsessen?
Von meiner Mutti wünsche ich mir oft Kohlrouladen, wenn ich am Wochenende bei ihr vorbeischaue. Und dabei brauche ich noch nicht mal das Hackfleisch. Ich esse am liebsten den angebratenen Weißkohl. Das ist so ein typisches Winteressen. Im Sommer mag ich gerne Pellkartoffeln und Quark. Danach geht’s dann zum Verdauungsschläfchen auf die Hollywoodschaukel legen.
Vielen Menschen geht der Lockdown und die Isolation an die mentale Gesundheit. Auch Sie selbst sind viel zu Hause. Was hilft Ihnen?
Ich höre gerne Hörbücher oder zocke – Videospiele wie Mario zum Beispiel. Zum Geburtstag habe ich mir zum Beispiel Malen nach Zahlen bestellt. Ich habe aber den größten Respekt vor Familien mit Kindern, die in einer Zweiraum-Wohnung sitzen und denen nicht die Decke auf den Kopf fällt.
Wer ist der Erste, den Sie anrufen, wenn der Corona-Blues zuschlägt?
Meine Mutter. Ich rufe sie zwei Mal am Tag an und gehe ihr auf den Keks. Ich hab ein sehr enges Verhältnis zu ihr – aber das war auch nicht immer so. Seitdem mein Vater verstorben ist, ist es sogar noch enger geworden. Jetzt backt sie gerade Weihnachtskekse und hat schon ein paar Kisten voll.
Da dürfen Sie sich sicher auch welche von abzweigen, oder?
Nicht alle natürlich, wir verschenken auch ganz viele. Sie macht die immer im Fleischwolf -- mit ein paar Kokosraspeln und Schokolade darüber. Aber jetzt wissen Sie auch, warum das Thema Personal Trainer gerade nicht so präsent ist (lacht).
Termine: 9.10.21, Düsseldorf (Capitol Theater); 17.10.21, Köln (Theater am Tanzbrunnen). Tickets ab ca. 36 € in unseren LeserLäden.
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