Gladbeck. Aktiv sein gegen den Lockdown-Blues: Die Applikation Actionbound schickt Nutzer alleine oder mit der Familie auf multimediale Erlebnistouren.
Aufgeregt wie ein kleines Kind krame ich mein Handy aus der Jackentasche und tippe auf die App mit dem großen orangefarbenen „A“. Mindestens 20 Jahre muss es her sein, dass ich das letzte Mal durch den Wald gestromert bin auf der eifrigen Suche nach versteckten Hinweisen. Damals hieß es Schnitzeljagd, Papierschnipsel wiesen den Weg. Jetzt spiele ich einen Bound, halte Ausschau nach QR-Codes.
Actionbound heißt die App, die multimediale Erlebnistouren anbietet, zum selber Entwickeln oder Spielen. Nutzer erstellen mobile Abenteuer für andere Nutzer. Die sind entweder frei zugänglich oder exklusiv, zum Beispiel für Geburtstagsgruppen, Schulklassen oder firmeninterne Events.
Spielerisch wissen vermitteln – sogar am Flughafen
Sogar Bildungseinrichtungen wie Museen bedienen sich an der Applikation und erstellen interaktive Ralleys, um die Umgebung zu erkunden oder Wissen spielerisch zu vermitteln, an Einzelpersonen, Paare oder ganze Gruppen.
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„Der Frankfurter Flughafen zum Beispiel bildet mit einem Bound das Bodenpersonal aus“, erklärt Actionbound-Gründer Simon Zwick. „Du wirst aktiv zum Feuerlöscher geführt, anstatt nur ein PDF zu lesen.“ Eine Schnitzeljagd als multimediale Lehrmethode.
Actionbound nicht nur Schnitzeljagd, sondern Lern- und Lehrtool
Das funktioniert sogar vom Sofa aus: Als die Pandemie begann, entwickelte das Team um Zwick einen Coronabound. „Dabei kann man die Fakten spielerisch lernen“, erklärt der Berliner. Noch heute sei es das beliebteste Quiz auf der Actionbound-Homepage. Und momentan ja auch wieder hoch aktuell.
„Für mich ist Actionbound ein Lehr- und Lerntool. Ich bin Konsument von jemandem, der mir etwas beibringen möchte. Oder ich bin der Ersteller, der für jemand anderen ein Spiel baut.“ Dem 36-Jährigen ist wichtig, dass man nicht nur konsumiert, sondern auch selber etwas umsetzt.
120 Minuten, vier Kilometer und 13 QR-Codes
Eins nach dem anderen: Ich bin erst einmal Konsument, und zwar von User „huppi“. Er hat eine digitale Schnitzeljagd in Gladbeck erstellt und Schnipsel im Wittringer Wald versteckt, schlicht um selbigen kennenzulernen. Der Bound ist für jeden spielbar. 120 Minuten, ca. vier Kilometer, 13 QR-Codes. „Wenn ihr bereit für ein Abenteuer seid, dann scannt den Code“. Bin ich und deshalb fahre ich mit Kind, Ehemann und Handy im Gepäck zum idyllisch gelegenen Wasserschloss Wittringen.
Der erste Hinweis an der hölzernen Info-Tafel vor der Schlossbrücke ist schnell gefunden – und lässt mich gleich losspurten. Nur eine Minute Zeit, um das erste Rätsel zu lösen! Wo ist die alte Holztür mit den roten Streifen? Gefunden! 100 Punkte. Das fängt doch gut an.
Versteckte QR-Codes an Wegpfeilern
Aber ebenso schnell macht sich Ernüchterung breit. „Finde den nächsten QR-Code“, dazu ein Bild von einem Wegpfeiler. Obwohl wir jeden einzelnen Wegpfeiler unter den neugierigen Blicken der vorbeischlendernden Passanten ganz genau inspizieren – Fehlanzeige.
Bunte Aufkleber, Kaugummis, Vogelkot. Aber kein Code. „Überspringen?“ fragt uns die App. Von wegen. Lieber gehen wir zurück und schlagen einen anderen Weg ein – und werden mit einem leuchtend weißen Zettel belohnt.
Spiele werden nicht kuratiert, Bewertungen geben Aufschluss
Ein bisschen verunsichert setzen wir die Jagd fort. Was ist, wenn wirklich ein Code fehlt? Schließlich sind die weißen Schnipsel teilweise nur mit Panzertape befestigt. Sogar CEO Zwick verlässt sich nur ungern auf QR-Codes. „Vandalismus, das Wetter … Ich arbeite lieber mit feststehenden Zahlen wie Anzahl der Bäume oder Baujahr.“
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Ob ein Bound wirklich funktioniert, könne man bestenfalls über die Bewertungen herausfinden. „Die Spiele werden von uns nicht kuratiert. Wir geben lediglich ein paar Startkicks.“
Eichhörnchen, Spechte und Ziegen warten auf de Tour
Wir haben Glück mit unserem Bound, die Hinweise leiten uns zuverlässig ans Ziel. Bis dahin erwarten uns noch einige Überraschungen. Um nicht zu viel zu verraten: Am Wegesrand warten Eichhörnchen, Spechte und Ziegen. Es wird aktiv, informativ und knifflig.
Obwohl viele der lauschigen Zwischenstopps zum Verweilen einladen, heißt es weitermachen. Wer trödelt, verliert Punkte. Am Ende haben wir 1877 von 2205 Punkten erreicht, 17 von 19 Rätseln gelöst und elf Codes gefunden. Platz eins – von bisher vier Spielgruppen. Die Belohnung gibt’s dieser Tage dann zuhause. Wieder freue ich mich wie ein kleines Kind: Es gibt Schnitzel mit Pommes.
Schon gewusst?
Eine weitere digitale Alternative ist das Geocaching: eine Schatzsuche anhand geografischer Daten, die im Internet veröffentlicht sind. Apps auf dem Smartphone ersetzen dabei den GPS-Empfänger.
Zu Ostern hatte das Actionbound-Team um Simon Zwick einen Bound entwickelt, der in den eigenen vier Wänden stattfindet. Aktuell tüfteln sie an einer digitalen Weihnachtsfeier. „Ich habe das Gefühl, es könnte ähnlich einsam werden in der Vorweihnachtszeit.“
Zwicks allererster Bound war das Abschlussprojekt seiner medienpädagogischen Weiterbildung: eine Bildungsralley in Berlin-Kreuzberg. Mit Schulfreund Jonathan Rauprich baute der Berliner schließlich ein Erstellertool für die Öffentlichkeit.
>>> INFO: Mehr Informationen auf www.actionbound.de, die App ist verfügbar in den jeweiligen App-Stores für Android oder iOS.