Essen. Comedian Johannes Schröder unterhält mit Geschichten aus zwölf Jahren Lehrertätigkeit. Im neuen Solo thematisiert er moderne Unterrichtsformen.
Wir alle wissen, wie verschieden Lehrer sein können. Einige fungieren im Unterricht als Einschlafhilfe, andere zeigen komödiantisches Talent. So wie Johannes Schröder. Der von Schülern liebevoll „Korrekturensohn“ genannte „Beamte mit Frustrationshintergrund“ war zwölf Jahre lang als Pädagoge für Deutsch und Englisch tätig, startete 2015 aber in eine Karriere als Comedian. Auch in seinem zweiten Solo „Instagrammatik“ erzählt der 46-Jährige wieder heitere Geschichten aus dem Klassenzimmer. Über die neue Show und mehr sprach er mit Patrick Friedland.
Zunächst zum unvermeidlichen Thema – aus Sicht des Pädagogen: Hoffen Sie, dass die Schulen ab 20. April wieder öffnen?
Auf jeden Fall. Ich glaube, es gibt wenig Kollegen, die sich das nicht wünschen. Dieses digitale Lernen stößt, wie wir gerade merken, schnell an seine Grenzen. Und man braucht einfach Schüler im Klassenzimmer, dieses Geschrei. Es muss einfach nach Pumakäfig riechen.
Wir sind also lange nicht da, dass Technik Lehrer ersetzen kann?
Es wäre der Super-GAU, wenn man jetzt merkt, dass Lernen ohne pädagogisch-didaktische Begleitung besser funktioniert. Möglich, dass viele Schüler feststellen: Boah, diese Lernplattform ist aber super, die kannte ich noch nicht. Es gibt ein unglaubliches Angebot an Videos auf YouTube, die einem die Geschichte der Weltliteratur anhand von Playmobil-Figuren erklären. Irgendwann fehlt aber diese sinnliche Anbindung und Rückmeldung, dieses Erleben mit anderen Menschen.
Gezwungenermaßen müssen Sie jetzt terminlich zwei Programme mischen. Da hat so manch Komiker Probleme mit …
Ich bin gespannt, wie das wird. Eigentlich wären nächste Woche die letzten Shows mit „World of Lehrkraft“ gewesen, auf die ich mich sehr freute. Ich denke, nach der Pause werde ich vielleicht eine Mischform aus beidem machen. Nach Corona ist sowieso vieles anders. Ich kann mir nicht vorstellen, wieder auf die Bühne zu gehen und dieses einschneidende Erlebnis nicht zu erwähnen. Das funktioniert nicht, auch in der Wahrnehmung der Leute.
Auch interessant
Der Schritt vom ersten zum zweiten Programm: Macht(e) der Sie irgendwie nervös?
Die Premiere steht ja noch aus. Aber: Das erste Programm kam ja aus dem Leben, aus meinem Alltag raus. Die zwölf Jahre Schulzeit waren quasi die unbewusste Vorbereitung dafür, da kamen die Geschichten ja alle her. Die Geschichten brannten in mir, die mussten einfach auf die Bühne „Instagrammatik“ ist jetzt thematischer, die Entstehung nicht so emotional für mich. Wir gucken, wie das digitale Leben das Schulleben verändert.
„Wir haben jetzt den Videobeweis im Klassenzimmer“
Und?
Zum Beispiel haben wir jetzt den Videobeweis im Klassenzimmer. Die Schüler filmen ja alles mit. Und kranke, bettlägerige Schüler schalten wir jetzt per Livestream in den Unterricht.
Das Programm kommt sicher nicht ohne Übertreibungen aus ...
Ein Kern Wahrheit steckt immer drin. Lass es die Hälfte sein, die real ist. Da kommt bei zwölf Jahren als Lehrer einfach zu viel zusammen. Danach kommt die Überzeichnung. Zum Beispiel das „Duell“ mit einem Sportlehrer, der natürlich auf Instagram und YouTube viel besser rüberkommt als ich als Deutschlehrer und zig Likes kassiert.
Wie reagierten Sie denn früher bei Handynutzung im Unterricht?
Erstmal gab es eine ganz klare Regel: Wenn Handy im Unterricht, dann nur iPhones. Da guckten einige blöd. Eigentlich schrieb die Schule, dass die Geräte sofort konfisziert werden. Ich habe das anders geregelt und mir einen Spaß daraus gemacht. So getan, als hätte ich die Mutter angerufen oder durch Tinder durchgescrollt.
"Die Kommentare von Schülern waren bisher alle wohlwollend"
Ist diese Idee nicht sogar didaktisch wertvoller, weil es dann für den Schüler vor der ganzen Klasse so richtig peinlich wird?
Möglich. Mein Handy würde ich nur sehr ungern aus der Hand geben, dieses Gerät ist etwas sehr Persönliches. Da sind einfach so viele eigene Daten, Korrespondenzen drauf. Ich habe die Dinger aber auch anders genutzt. Zum Beispiel im Englisch-Unterricht, wo ich Apps zum Vokabeltraining empfohlen und dann gefragt habe: ‚Wer findet damit die beste Übersetzung?‘ So klappt es auch gut, wenn man sagt: Jetzt machen wir mal analogen Unterricht, reden miteinander – und die letzten fünf Minuten nutzen wir das Handy dann wieder für eine Recherche oder schauen alle gleichzeitig ein YouTube-Video. Wir haben so viele Möglichkeiten. Ich finde, eigentlich müssten Smartphones in den Unterricht heute fest eingebaut werden. Nur muss ein Lehrer das vernünftig hinbekommen und nicht unbegleitet lassen.
Kommen denn auch Schüler, wenn Sie auftreten?
Ja. Wenn die studieren, verteilen die sich ja über ganz Deutschland. Oft kommen die nach der Show und fragen ‚Ey, Schröder, kennen Sie mich noch?‘ Sehr lustige Gespräche. Gerade hatte ich einen Instagram-Livestream und rief alle Schüler dazu auf, einen Scheißhaufen in die Kommentarspalte zu posten.
Wie war die Erfolgsquote?
Vier von 160 Zuschauern. War total witzig. Ich redete einfach weiter und weiter und plötzlich tauchen da immer wieder diese Scheißhaufen auf. Dann kam ich natürlich mit den Schülern ins Gespräch. Manche kannte ich, manche nicht. Die Kommentare waren aber bislang alle wohlwollend.
Wie ist es mit Eltern, die Sie vielleicht noch von Elternsprechtagen kennen?
Die kommen auch, sind aber zum Glück nicht im Land verstreut. Da sind die Gespräche nicht ganz so locker, aber auch da waren die Kontakte positiv. Viele sagen, dass ich doch an die Schule zurückkehren soll.
„Ich war bei bestimmten Dingen nicht immer so super vorbereitet“
Waren Sie damals ein Schülerliebling?
Das nicht. Aber ich hatte viel Humor, wir haben viel zusammen gelacht und viel miteinander kommuniziert, ich hatte vor allem mit meinen eigenen Klassen eine gute Beziehung. Und die Schüler merkten, dass ich sie ernst genommen habe, mich selbst aber nicht immer so. Das kam authentisch rüber. Ich war bei bestimmten Dingen auch nicht immer so super vorbereitet, das habe ich transparent gehalten, was auch gut ankam (lacht).
Und die Rückmeldungen anderer Lehrer?
Geteilt. Die Sportlehrer haben einen super Humor, die gehen in meine Show und wissen: Der haut uns „bildungsfernen Spaßgurken aus der Turnhalle“ richtig einen rein. Deutschlehrer habe ich auch gerne dabei, die bemerken die Sprachwitze und Bilder, die ich ins Programm einbaue. Es gibt aber auch Lehrer, die eher höflich schweigen und nicht so begeistert sind.
Frage an einen ehemaligem Deutschlehrer: Welche Pflichtlektüre ging Ihnen denn so richtig auf die Nerven?
„Michael Kohlhaas“ von Kleist fängt spannend an, wird dann aber unglaublich schwierig. Da muss man sich richtig durchkämpfen.
Wundert es sie nicht, dass sie offenbar der einzige Lehrer sind, der mit dem Thema Schule Leute zum Lachen bringt?
Es gibt da noch den Hans Klaffl, der hat das im bayerischen Raum lange Zeit gemacht. Aber der ist eher da lokal bekannt. Es ist aber auch nicht jedem Lehrer einfach so möglich, aus dem Dienst auszusteigen. Ich bin ja auch lange genug dann herumgetingelt und über fünf Jahre auf jede offene Bühne gesprungen, die es gab.
Wäre bei Ihnen der eine Beruf (Comedian) ohne den anderen (Lehrer) denkbar gewesen?
Naja, ich mache jetzt nochmal ein Programm mit Schule. Vielleicht wird das dritte Programm aber eines, was nichts mit Schule zu tun hat. Corona ist zum Beispiel ein Thema mit massivem Gag-Potenzial. Alleine diese Hamsterkäufe. Ich habe gerade dauernd Ideen, wie man daraus Nummern machen könnte.
Auch interessant
Würden Sie noch Leuten empfehlen, Lehrer zu werden?
Ja! Völlig uneingeschränkt trotz der schwierigen Bedingungen, die hier und da herrschen. Du kämpfst mit Verwaltung, Konferenzen, Digitalisierung oder vielleicht auch den Kollegen. Was aber nie weg geht, ist die Beziehungsebene zu den Schülern. Mit denen musst du was machen, im Rahmen deiner Möglichkeiten. Mit denen lachen, Spaß haben. Wenn du es mit Liebe und Herz machst, dann ist das ein geiler Beruf.
>>> Info: Herr Schröder auf „Instagrammatik“-Tour
Termine: 29.10. Weeze (Bürgerhaus, Vorpremiere), 4.11. Dortmund (Fritz-Henßler-Haus, Vorpremiere), 5.11. Köln (Gloria, Premiere), 28.11. Wesel (Lutherhaus), 29.11. Duisburg (Grammatikoff), 4.12. Gelsenkirchen (Kaue), 19.2. Siegen (Leonhard-Gläser-Saal), 25.2. Bochum (Bahnhof Langendreer), 26.2. Leverkusen (Scala), 28.2. Soest (Alter Schlachthof), 8.4. Krefeld (Kulturfabrik), 9.4. Mönchengladbach (Kunstwerk), 18.4.21 Oberhausen (Ebertbad).
Karten ab ca. 30 € erhalten Sie im Vorverkauf unter 0201/804 60 60 und
auf www.ruhrticket.de.