Berlin. Die Fortsetzung der ZDF-Serie um den Friedrichstadtpalast erzählt vom Umbruch im Berlin der Wendezeit: mit allen Chancen und Ängsten.

Die legendäre Girl-Reihe steht. Die jungen Damen werfen im Friedrichstadt-Palast die Beine in die Höhe. Und strahlen um die Wette in ihren fantasievollen, knallbunten Kostümen. Aber diese Freude wirkt ein bisschen angestrengt. Denn es geht hier ums Ganze. Sie tanzen um ihr Leben. Nein, die Rede ist hier nicht von der Show „Falling in Love“, die derzeit auf der größten Theaterbühne der Welt gespielt wird. Sondern von der ZDF-Serie „Der Palast“, die deren Geschichte erzählt und deren zweite Staffel am 6. Januar startet.

Las Vegas in Berlin: Der Friedrichstadt-Palast soll ein Casino werden

Vor genau drei Jahren startete die erste Staffel und erzählte eine Art „Doppeltes Lottchen“ zu Mauerzeiten: das deutsch-deutsche Familiendrama über eine junge Frau aus dem Westen, die in Ost-Berlin bei einem Besuch im Friedrichstadt-Palast zufällig in einer der Tänzerinnen eine Doppelgängerin erkennt. Der Sechsteiler mit Svenja Jung in einer Doppelrolle endete mit dem Mauerfall. Die Geschichte der Zwillingsschwestern, die nichts voneinander wussten, war damit auserzählt.

Die Serie geht aber trotzdem weiter. Sie spielt nun in der Wendezeit bis zur Wiedervereinigung. Es ist eine Zeit des großen Umbruchs und der vielen neuen Chancen und Freiräume. Drei junge Menschen zieht es in die große Stadt: wieder ein Geschwisterpaar, diesmal allerdings Bruder und Schwester: Luise (Lary Müller) und Lukas (Lukas Brandl) aus dem Osten und vom Lande, und Karla (Taynara Silva-Wolf) aus dem Westen und der Großstadt.

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Sie alle wollen ihr Glück als Tänzer im Friedrichstadt-Palast machen. Und besetzen zusammen eine leerstehende Wohnung im Osten der Stadt. Sie tanzen nicht nur auf der Bühne, sondern auch in den Clubs, die in Berlin nach dem Mauerfall überall aus dem Boden sprießen. Und auch im Freien, auf einer der ersten Techno-Partys.

Es ist aber auch die Zeit der großen Ängste. Weil viele Bürger der untergehenden DDR Angst haben, was die Wiedervereinigung für sie bedeuten wird. Dass sie ihre Berufe und Wohnungen verlieren könnten. Auch der einst erfolgsverwöhnte Friedrichstadt-Palast, der größten Theaterbühne der Welt, droht ein Opfer der Wiedervereinigung zu werden. Dort wird ein neuer, aalglatter Intendant aus dem Westen eingesetzt, Gerd Kolberg (Benno Fürmann), der alles in Frage stellt, alles anders machen will. Und die Showbühne in ein Casino verwandeln möchte. Las Vegas an der Spree!

Viel Stoff für eine Serie, selbst für sechs Folgen

Pläne, die die Ballettdirektorin Regina Feldmann (Jeanette Hain), den Hausregisseur Sönke Rappolt (Marc Hosemann) und den Ausstatter Bernd Moss (Theo Kupfer), die man alle schon aus der ersten Staffel kennt, erst sprach- und mutlos, dann aber kampfeslustig machen.

Sie wollen es allen noch mal zeigen: den Zuschauern, die nur noch spärlich kommen, dem überheblichen Wessi-Intendanten, der keine Ahnung von der Geschichte des Hauses hat, und den Landespolitikern, die den Palast und sein Ensemble eigentlich längst abgeschrieben haben. The Show Must Go On.

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Viel Stoff für eine Serie, selbst für sechs Folgen. Zumal es noch viele weitere Verwicklungen gibt. Um eine verbotene Liebe zwischen der Ballettdirektorin und einem ihrer Tanzeleven. Um ein glückliches Frauenpaar, das durch die Offenbarung einer IM-Vergangenheit in eine jähe Krise stürzt.

Mit der Berliner Kultur ging man schon damals brachial um

Um einen Tänzer aus Russland, der mit dem Ende der DDR seine Aufenthaltsgenehmigung zu verlieren droht. Und dann auch noch das Damokles-Schwert über allem: Nach den bestürzenden Nachrichten über die Asbestlast des Palasts der Republik wird nun geprüft, ob auch der Friedrichstadt-Palast abgerissen werden muss.

Die Figuren sind fiktiv, kein ehemaliger Intendant oder Kulturpolitiker der Stadt muss sich persönlich angegriffen fühlen. Über eine Zweckentfremdung des Palasts soll es damals aber durchaus Pläne gegeben haben. Und bei der rüden, ignoranten Art, wie Landespolitiker in der Serie mit den Berliner Bühnen umgehen, kann man durchaus ein paar Parallelen zu den derzeitigen Sparzwängen in der Berliner Kulturpolitik ziehen. Da dürfen sich Entscheidungsträger dann doch angesprochen fühlen.

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Der Palast
Der aalglatte neue Intendant aus dem Westen (Benno Fürmann) nutzt seine Tänzerinnen zu Promozwecken. © ZDF | ZDF

The Show Must Go on: Das ist natürlich auch die goldene Regel einer jeden Serie. Regie führte wie in der ersten Staffel Uli Edel. Der mittlerweile 77-Jährige ist damit schon sowas wie ein Filmchronist der Stadt anhand prominenter Bauten: Nach seinem frühen Drogendrama „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (1981) ging er erst mit „Das Adlon. Eine Familiensaga“ (2013) und dann mit „Der Palast“ (2021) in Serie.

Die zweite Staffel ist nicht mit der Sorgfalt der ersten produziert

In der Fortsetzung schneidet Edel zwischen die wohlfeil ausgeleuchteten Szenen immer wieder grobkörniges Archivmaterial aus dem Wendejahr 1990. Ein starker Kontrast. Was auch eine gewisse Authentizität atmet.

Der Palast, in dem man in den Theaterferien 2024 drehen durfte, blitzte anno ’90 freilich noch nicht so blank wie hier. Und in einem abgelegen Haus an der Ostsee klingelt nicht nur ein Telefon, was damals selbst in Ost-Berlin noch recht selten war. Nein, es schaltet sich auch noch ein Anrufbeantworter ein. Das sind ärgerliche Anachronismen.

Der Palast
Krisensitzung: Die Leiter des Hauses überlegen, wie der Palast zu retten ist. © ZDF | ZDF

Aber die zweite Staffel wurde auch sonst mit etwas weniger Sorgfalt produziert als die erste. Das zeigt sich im Drehbuch – Reizthemen werden zwar angerissen, aber eher soapig durchgespült als konsequent durchexerziert - wie in der Anleitung der Schauspieler .

Da hätten sich die Serienmacher die ewigen Standpauken ihrer strengen Ballettdirektorin ruhig selbst zu Herzen nehmen sollen: Dass man immer hundert Prozent geben muss. Weil man das dem Publikum einfach schuldig ist.

„Der Palast“ - Staffel 2: Sechs Folgen 7., 8. und 9. Januar, je zwei Folgen ab 20.15 Uhr. Schon jetzt in der Mediathek, wie auch die erste Staffel..