Essen. Der Isländer „Siggi the Hacker” hat Julian Assange, den Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, an das FBI verraten. Aber warum?

Medien bezeichneten ihn als „Monster“. Nicht nur, dass der isländische WikiLeaks-Mitarbeiter Sigurdur Thordarson seinen Chef, Julian Assange, an das FBI verriet. Später wurde er auch angeklagt wegen Geldwäsche und Finanzkriminalität. Und wegen Verführung eines Minderjährigen. Kann das sein? Kann ein Fast-noch-Teenager so viel kriminelle Energie entwickeln, und wenn ja, warum?

Neun Jahre lang hat der dänische Filmemacher Ole Bendtzen „Siggi the Hacker“ immer wieder getroffen. Dazu sprach er mit Freunden, Wegbegleitern und Ermittlern. Ganz offensichtlich wollte er herausfinden, wer Sigurdur Thordarson in Wahrheit war. Wer steckte hinter dem harmlos erscheinenden Babyface? Ein Held? Ein Schurke? Ein Medienopfer? Seine zweiteilige Doku „Siggi the Hacker“ - am Dienstag, 30. Oktober 2024, ab 1.05 Uhr auf ZDFinfo zu sehen - tut gut daran, möglichst transparent zu machen, wie sie entstand. Denn die Faktenlage ist nachweislich unübersichtlich. Und die Zeugen sind nicht alle zuverlässig. Wo Lüge und Wahrheit unauflöslich miteinander verwoben bleiben, zählt Glaubwürdigkeit umso mehr. Und so sieht man den Filmemacher oft im Bild, im Ton, bei der Arbeit.

„Siggi the Hacker”: Wie „Batman & Robin“

Siggi, der vor Gericht auch schon als Lügner entlarvt wurde, betrachtet seine Zeit bei WikiLeaks als so aufregend „wie einen Hollywoodfilm“. Ein Jahr war er dabei. Ein Jahr zuvor, mit 17 Jahren, hatte er schon die „größte Finanzkrise Islands“ ausgelöst, indem er – mehr aus Zufall und Gelegenheit – heimliche Geldtransfers einer bekannten isländischen Firma an die Presse ge­leakt hatte. Dadurch wurde Julian Assange auf ihn aufmerksam. Sie verstanden sich gut, sagt Siggi, fühlten sich wie „Batman & Robin“. Warum der Australier ihm vertraute, keine Ahnung. „Ich hätte das nicht“, sagt Siggi über Siggi – weil er noch so jung gewesen war.

„Obwohl er lügt, sagt er auch die Wahrheit, aber eben nicht die ganze. “

Forensische Psychiater
über „Siggi the Hacker“

Sein Job war es, „mit Bodyguard und einem Teddy“ durch die Welt zu reisen und Whistleblower-Material einzusammeln. Zunehmend fühlte er sich verfolgt und von der Aussicht bedroht, in einem US-Gefängnis zu landen. So schickte er mit 18 Jahren eine E-Mail an die US-Botschaft und bot Informationen an über Assange. Auch Siggis Schicksal nimmt keinen guten Lauf im Anschluss. Ohne Job, stiehlt und betrügt er. Sein Sexualverhalten zeigt bizarre Züge und bringt ihn in Konflikt mit den Strafbehörden. Selbst der forensische Psychiater mag sein Verhalten nicht eindeutig einordnen: „Obwohl er lügt, sagt er auch die Wahrheit, aber eben nicht die ganze.“ Einige Anschuldigungen scheinen nicht zu stimmen, glaubt er. Möglicherweise nahm Siggi die Schuld einfach auf sich. Siggis Freund und Pastor dagegen besteht darauf, dass er zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann.

Ein Geflecht aus Lügen und Verbrechen

Nichts Genaues weiß man nicht über lange Strecken der spannenden Wahrheitssuche. Siggis Geschichte ist zumindest die Geschichte eines Außenseiters, der sich immer tiefer in ein Geflecht aus Lügen und Verbrechen verwickelt. Erst am Ende des Zweiteilers wird offenbar, wie allein und verzweifelt er ist, wenn er – wie ein Soziopath – vorgibt, keine Vorstellung davon zu haben, was Liebe, Wut, Traurigkeit bedeuten. Und der kein Handbuch dafür findet, bei niemandem.

Bewertung: Vier von fünf Sternen