Essen. Die ARD-Doku „Die Machtmaschine. Wie Facebook und Co. Demokratien gefährden“ widmet sich Gefahren sozialer Netzwerke – leider etwas oberflächlich
Der Verdacht steht spätestens seit der US-Präsidentschaftswahl 2016 elefantengroß im Raum: Soziale Medien wie Facebook sind eine Bedrohung für die Demokratie, weil auf den Plattformen massenhaft Hass, Hetze und Falschinformationen verbreitet werden. Damals war Donald Trump in den USA an die Macht gekommen, nachdem er seine Lügen millionenfach auf Facebook vervielfältigen ließ. Seitdem feierten auch in Frankreich, Italien und Großbritannien Populisten Wahlerfolge, indem sie soziale Netzwerke für ihre Zwecke kaperten. Und in Deutschland zog die rechtspopulistische AfD in den Bundestag und fast alle Landesparlamente ein – unter anderem, weil sie Trumps hetzerische Digitalstrategie kopierte.
Ausgangspunkt von „Die Machtmaschine“ (heute um 22.50 Uhr auf Das Erste und in der Mediathek) ist eigentlich die Whistleblowerin Frances Haugen. Die Informatikerin mit Harvard-Abschluss hatte 2018 bei Facebook angefangen, in einer Abteilung im Kampf gegen Desinformation. Als ihr bewusst wurde, dass der Konzern zu wenig gegen Lügen und Hass unternimmt, sammelte sie interne Unterlagen und ging im Herbst 2021 mit einem schweren Vorwurf an die Öffentlichkeit: Facebook gefährde Demokratien und Menschenleben weltweit.
“Die Machtmaschine“ und die Abwärtsspirale
Weil aber die Figur Trump zu gewichtig und die Erzählung vom Demokratie-Risiko Facebook nicht ganz neu ist, verwenden die fünf ARD-Autorinnen und -Autoren gut die Hälfte der 45 Minuten ihres Films auf Rückblick und Grundlagenwissen. So erläutern sie etwa nochmal, wie die inhaltliche Abwärtsspirale der sozialen Medien funktioniert: Je extremer die Wortmeldungen in den Netzwerken ausfallen, desto mehr Menschen reagieren auf sie. Die Algorithmen der Plattformen registrieren das Interesse an emotionalisierenden Inhalten und zeigen diese besonders häufig an – mehr Interaktionen bedeuten mehr Nutzer bedeuten mehr Werbeeinnahmen. Egal, wie zerstörerisch die Inhalte sein mögen.
Erst in der zweiten Hälfte kommt „Die Machtmaschine“ bei aktuelleren Entwicklungen an. Spätestens hier wird deutlich, dass der Film zu sehr in die Breite geht, deshalb zu oft oberflächlich bleibt: Kurz wird eine Journalistin vorgestellt, die sich in eine russische Trollfabrik eingeschlichen hat, in der Propaganda gegen die überfallene Ukraine betrieben wird. Es fallen Stichworte wie „QAnon“ und „Cambridge Analytica“, dann wieder geht es um die ahnungslose US-Politik, die dem Handeln des Facebook-Mutterkonzerns Meta kaum Grenzen setzt. Auch der Digital Services Act der EU kommt zur Sprache, und am Ende landet der Zuschauer wieder bei Trump und dem von diesem angeheizten Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021.
In Reihe geschaltete Beispiele
Nichts davon aber wird vertieft. Es bleibt ein Problemaufriss, dessen in Reihe geschaltete Beispiele für das Versagen von Facebook sich mangels Details irgendwann abnutzen, keinen Erkenntnisgewinn mehr liefern. Und wenn Whistleblower Christopher Wylie am Schluss einen „ständigen Zustand der Informationskriegsführung“ befürchtet, dann ordnet der Film auch das nicht näher ein, sondern entlässt den Zuschauer einfach in das Schreckensszenario.
Dazu passt leider, dass „Die Machtmaschine“ das Geschehen in nachgestellten Szenen immer wieder mit Hacker-Klischees dramatisiert: Unscharfe Gestalten starren im Halbdunkel auf Computerbildschirme, während die Musik bedrohlich anschwillt. Wer unter anderem die Emotionalisierung von Konsumenten kritisch betrachtet, sollte nicht selbst so freimütig zu gleichen Mitteln greifen.
Drei von fünf Sternen.