Essen. Der Sender RTL2 bietet mit „Traumfrau gesucht“ eine weitere Doku-Soap zum Fremdschämen an: Deutsche Männer wollen per Katalog und Internet eine Partnerin in Osteuropa finden. Es hagelt Klischees und Sexismus - doch das Fremdschämen gelingt nicht. Stattdessen schämt man sich fürs Zuschauen.
Früher, da liefen auf RTL2 mal Erotik-Filme, da haben sich werdende Männer vielleicht geschämt, wenn plötzlich die Mutter oder jemand anders ins Zimmer reinplatzte. Mit der sechsteiligen Doku-Soap „Traumfrau gesucht“, die am Montag gestartet ist, schämt sich der Zuschauer - männlich oder weiblich - trotz sicherer Gewissheit, alleine in der Wohnung zu sein.
Drei deutsche Männer werden nach Osteuropa begleitet, angeblich suchen sie dort ihre Traumfrau. Los geht es mit Walther aus Berlin. Der 50-Jährige sagt, er habe eine romantische Art, von der er hoffe, bei russischen Frauen auf Gegenliebe zu stoßen. Was Walther unter Romantik versteht, liefert RTL2 prompt: halbnackte Frauen, die sich auf Katalog-Seiten räkeln. Zum Termin mit Partnervermittlerin Ksenia Droben gibt's ein Glas Wein, zum Genießen. Laut RTL2 vermittelt Frau Droben seit 13 Jahren Frauen aus St. Petersburg.
Der eine verklemmt, der andere sexistisch
Die professionelle Kupplerin hat den verfügbaren Frauenbestand als digitalen Fotokatalog auf dem Notebook dabei. Beim Durchsehen der Bilder macht Walther sofort klar, auf welchen Typ Frau er nicht steht: „Ich mag keine Jeansmädchen“. Nein, blaue Jeans darf seine Traumfrau nicht tragen. Kein Problem, denn für Ksenia Droben sind die Frauen im Katalog eine Ware, die ihre Kunden nach Erhalt beliebig verändern können: „Sie kaufen ihr einfach eine weiße Jeans und dann sind sie zufrieden“, rät die Verkäuferin dem schwierigen Kunden. Bevor es mit dem nächsten Mann und noch mehr Sexismus weitergeht, darf sich der Zuschauer aber erst einmal für Walther so richtig schön fremdschämen. Mit den Fotos aus dem Katalog geht der angebliche Reiseverkehrskaufmann in ein Geschäft und lässt sich von der Verkäuferin beraten, welchen Lippenstift sie denn für welches Foto (Frau) als Geschenk empfiehlt.
Aber nun wieder Sexismus: Elvis sieht sich auch leicht- bis unbekleidete Frauen an. Im Playboy blätternd stellt RTL2 den nächsten Kandidaten vor. Der 28-Jährige sucht nicht nach Romantik: „Ne geile Frau, mit geilem Arsch, darauf steht der Elvis“, versichert sein Freund Udo mit erkennbarem Stolz, mit diesen Worten im Fernsehen zu landen. Gemeinsam schauen sie sich Profile osteuropäischer Frauen im Internet an. Während RTL2 den ersten Kandidaten als Verklemmten andeutet, zelebriert der Sender bei Elvis sexistisches Macho-Gehabe gepaart mit ungepflegtem Auftreten. Mit beidem macht sich der Braunschweiger auf den Weg nach Odessa, um in der ukrainischen Hafenstadt seine Traumfrau zu finden.
Selbstüberschätzung als Grundlage fürs Fremdschämen
Es fehlt noch der dritte Mann: Manfred. Der 42-Jährige wird als der Kandidat präsentiert, der eine professionelle Hand bei der Partnersuche eigentlich gar nicht nötig habe. 100 Frauen könne er hier in Deutschland haben, versichert er. Manfred strebt aber nach Perfektion, und die finde er nur in ukrainischen Frauen mit High-Heels. Manfreds Selbstüberschätzung hat RTL2 sich als Grundlage für weiteres Fremdschämen ausgedacht. Beim ersten Treffen mit der vermittlungsbereiten Mila kriegt der Dachauer kaum einen ganzen Satz zustande. Stattdessen versucht er, Komplimente in russischer Sprache von seinem Smartphone abzulesen und fängt dabei beinahe an zu hyperventilieren.
Kandidat Walther wiederum versagt gleich zweimal hintereinander bei den Treffen mit den russischen Frauen. RTL2 reizt dabei das Fremdschämen bis zum Äußersten. Bei der zweiten Verabredung, von der Erzählerin immer als Natalia angekündigt wird, die sich dann aber als Natascha vorstellt, fängt Walther unverhofft an zu weinen. Statt ein Gespräch mit der angeblichen Physiotherapeutin in ihrer St. Petersburger Wohnung anzufangen, erzählt er ihr von seinem krummen Rücken und dem Leid, das ihm widerfahren ist.
Erst mit der Werbung kommt die Scham
Das alles ist so schlecht geschauspielert, die Peinlichkeiten so offensichtlich konstruiert und übertrieben, dass selbst der einfältigste Zuschauer sich irgendwann einfach nicht mehr fremdschämen kann.
Erst mit der Werbung kommt die Scham. Babynahrung und Haarpflegemittel holen den Zuschauer zurück in das reale Leben, dem er gerade mit „Traumfrau gesucht“ versucht zu entfliehen. Wie peinlich! Und wer sich nicht genug geschämt hat: am nächsten Montag, 9. Januar, 21.15 Uhr, kommt die zweite Folge.