Hamburg. Ob als Rentner Otto in der Serie “In aller Freundschaft“, im “Tatort“ oder als “Jedermann“: Schauspieler Rolf Becker ist extrem wandelbar.
Seine Kollegen am Set der ARD-Serie "In aller Freundschaft" haben ihm schon gratuliert: An diesem Dienstag (31.3.) feiert Schauspieler Rolf Becker, der in der beliebten Arztserie seit 2006 den gutmütigen Rentner Otto Stein spielt, seinen 80. Geburtstag. "Dass ich nach neun Jahren immer noch dabei bin, hätte ich nie gedacht. Aber es freut mich sehr", sagt Becker im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Eine besondere Beziehung verbindet den Hamburger mit der sonoren Stimme und den strahlenden blauen Augen hinter der randlosen Brille mit seiner Kollegin Ursula Karusseit (75), die in der Serie seine resolute Partnerin spielt. "Unsere Rollen entsprechen auch unseren Temperamenten im wahren Leben - im Endeffekt spurt Otto", erklärt Becker augenzwinkernd das Geheimnis ihrer langjährigen Beziehung.
Geboren in Leipzig, wächst Becker ab Kriegsbeginn 1939 auf dem Bauernhof seiner Großeltern in Osterstedt/Holstein auf. Schon mit neun Jahren steht er in dem Stück "De Wett" (Die Wette) von Fritz Reuter auf der niederdeutschen Dorfbühne. In Bremen geht Becker, dessen Vater im Krieg fiel, aufs Gymnasium, ist von Schillers "Die Räuber" schwer beeindruckt, später spielt er mit Freunden "Der dritte Mann" in einer ausgebombten Wohnung.
Als Bühnentechniker angefangen
Das Theater wird für ihn eine Art Zufluchtsort. "Mit 16/17 Jahren stand dann für mich fest: Du gehst zum Theater!" Sein Studium an der Otto-Falckenberg-Schule in München finanziert sich der rebellische junge Mann als Bühnentechniker. "Von 15 bis 24 Uhr habe ich als Bühnentechniker gearbeitet und am Vormittag ging ich zur Schule", erinnert sich der Mann mit den weißen Haaren und dem sympathischen Lächeln.
Mit kleinen Rollen an den Münchner Kammerspielen beginnt Becker seine Theaterkarriere, nach Stationen in Darmstadt und Ulm wechselt er 1963 ans Theater Bremen. Hier inszeniert er auch, bis er 1969 fristlos entlassen wird. "Wir dachten, wir können das Theater der Zukunft installieren. Wir haben eine Operette auch schon mal unterbrochen, um gegen die Notstandsgesetze zu protestieren", erinnert er sich an die wilde Zeit der Studentenproteste.
Einer der gefragtesten Theaterschauspieler
Nach Engagements am Hamburger Schauspielhaus und am Thalia Theater avanciert Becker rasch zu einem der gefragtesten Theaterschauspieler und macht auch im Fernsehen und beim Film Karriere ("Trenck"-Serie, 1971, "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", 1976). "Kein Mensch ist nur gut. Und kein Mensch ist nur böse. Sondern jeder Mensch hat beide Seiten in sich - das war das Rollenfeld, was mich am meisten interessiert hat", sagt er.
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Auch mit seinen Kindern Ben und Meret Becker aus der Ehe mit der Schauspielerin Monika Hansen hat Becker schon zusammen gespielt. In "Ein Lied von Liebe und Tod - Gloomy Sunday" (1998) spielte Ben einen jungen SS-Offizier, Becker den alten. "Ben wollte erst gar nicht. Aber dann saß er in der Maske und fragte: Kannst Du bitte kommen?" Mit Meret drehte er den Kinofilm "Heinrich der Säger" (2000), indem er einen Bahnhofsvorsteher spielte, der gegen seinen Arbeitgeber rebelliert.
Star der Familie - seit 1980 ist Becker in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Sylvia Wempner verheiratet, mit der er zwei leibliche Söhne hat - ist jedoch Adoptivsohn Anton (13). In dem ARD-Drama "Zappelphilipp" rührte der damals Zehnjährige Millionen Zuschauer zu Tränen - der Film von Connie Walter wurde mit dem europäischen Fernsehpreis ausgezeichnet. "Das hat mit der ersten Rolle noch keiner von uns geschafft", schmunzelt Becker.
Seit Jahren engagiert sich der Schauspieler auch politisch und sozial. So setzt sich Becker unter anderem für die Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg ein. "Ich bin ein Kind des Zweiten Weltkrieges", sagt er über seine Beweggründe. Er habe mitbekommen, wie Menschen vor den Nazis fliehen mussten. "Sie waren darauf angewiesen, irgendwo Asyl zu finden."
In den 70er Jahren unterstützt der Gewerkschafter einen Radiosender in Nicaragua, in den 90er Jahren demonstriert er gegen die NATO-Angriffe in Ex-Jugoslawien, was ihm auch heftige Kritik einbrachte. Unermüdlich ist Becker auch im Einsatz gegen das Vergessen der NS-Vergangenheit. Aktuell fordert der Schauspieler, der seit 30 Jahren auf der Insel Kreta Urlaub macht, Solidarität mit den Griechen: "Man kann nicht Politik machen in der Illusion, man könne die Geschichte vernachlässigen." (dpa)