Essen. Rea Garvey sagt: „Mich kennt keine Sau.“ Erst verwechselt ihn bei „The Voice“ ein Kandidat mit Chris Rea, jetzt einer mit Xavier Naidoo. Der Gag ist gut, die großen Stimmen fehlten aber. Trotzdem bleibt das Format erfrischend – obwohl Medienberater es als „weichgespült“ einschätzten.
Rea Garvey, Coach bei „The Voice of Germany“, zweifelt an seiner Prominenz. Erst verwechselte ihn ein peinlich berührter Kandidat mit dem britischen Sänger Chris Rea („Driving Home For Christmas“). In der jüngsten „The Voice“-Folge begrüßte ihn ein Kandidat mit: „Hey Xavier, ich bin großer Fan“.
Das klingt abgesprochen. Aber wie Nena sich plötzlich auf den Boden wirft, Rea Garvey Lachtränen wegwischt und The Boss Hoss und Xavier Naidoo grölen, wäre es schon fast zu gut geschauspielert. Rea Garveys Blick sagt: „Wo ist Guido Cantz von ‚Verstehen Sie Spaß?‘“ Später kommentiert er: „Mich kennt keine Sau.“
Lustiger als die Comedypreis-Verleihung
Man braucht nicht die „Comedypreis-Verleihung 2012“ von RTL, um am Freitagabend gut unterhalten zu werden. Das machte „The Voice“-Kandidat Ilan Green (26) aus Berlin mit seiner peinlichen Fortsetzung des „Chris-Rea-Xavier“-Gags alleine.
Bei allem Humor und Garveys Flehen („Lass den Chris-Rea-Scheiß!“) wird auch gesungen. Ihren großen Auftritt hat Bianca Böhme (20), Gesangsstudentin aus Annaberg-Buchholz (Sachsen), mit „Nobody'sPerfect“ (Jessie J): „Wenn ich auf die Bühne gehe, bin ich wie eine Schauspielerin, voll in meiner Rolle.“ Und noch dazu authentisch. Das ist ein großes Gefühlskonzert. Rea Garvey kann wieder eine der Favoritinnen für sein Team gewinnen. „Wegen Menschen wie dir sind wir hier“, lobt Xavier Naidoo.
Manumatei bekommen bei „The Voice“ zweite Chance
Matei und Emanoil Constantin, zwei Brüder, die als „Manumatei“ auftreten, schaffen es ebenfalls in die „Battles“ von „The Voice“.“Wenn wir nicht Brüder wären, wären wir ein Paar“, sagen die ehemaligen Semi-Promis.
Sie hatten Anfang der Nullerjahreeinen Plattenvertrag, spielten nach eigenen Angaben mit „Fanta 4“ bei „MTV Unplugged“ in der Balver Tropfsteinhöhle. Doch, ups, wie blöd: Sie ruhten sich auf ihrem Erfolg aus und lieferten das zweite Album nicht pünktlich ab. Das ist ihre Version vom schnellen Karriere-Aus. Immerhin: Mit „The Man Who Can't Be Moved” (The Script) überzeugen sie bei „The Voice“: Die Stuttgarter ziehen mit Nena in Runde zwei.
Raffa Shira schafft es in die „Battles“
Bei der ersten Staffel von „The Voice of Germany“ drehte sich kein Stuhl für Raffa Shira (30, Eisenbahnfahrzeugführer aus Karlsruhe). Mit „Another Day“ (Jamie Lidell) will er eine zweite Chance, denn „zweimal rausfliegen wäre natürlich doppelt scheiße“. The Boss Hoss drehen sich für ihn um – und nur sie. Xavier Naidoo erinnert Raffa an eine alte Gospelsängerin.
Achim Hackenberg, Medienwissenschaftler und -berater, bezeichnet „The Voice“im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe als „elaborierten Neuentwurf eines Castingshow-Formats“, das sich eher an ältere Zuschauer richte. Aus seinen Wirkungsforschungen bei Kindern und Jugendlichen wisse er, dass diese bei Castingshows das Nicht-Perfekte eines Kandidaten lieben, den sie durch Dick und Dünn begleiten können.
Medienforscher fürchteten, „The Voice“ könnte weichgespült wirken
Bei „The Voice“ hingegen sind die Kandidaten schon richtig gut. Es geht nur noch um Feinschliff. Trotzdem stimmen die Quoten. Das hatten Hackenberg und andere Medienforscher anfangs nicht auf dem Plan, als sie gemeinsam das niederländische Original von „The Voice“ zum allerersten Mal schauten. „Recht sperrig“, „zu komplex“, „viel zu weichgespült“, lautete damals Hackenbergs Urteil. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das auf dem deutschen Fernsehmarkt funktioniert.“
Es funktioniert: „The Voice of Germany“ hat Tempo, ist kurzweilig. Das wortwitzige Buhlen der Coaches um die Talente, die verbalen Seitenhiebe nach rechts und links, sind launiger als alles, was die gebührenfinanzierte ARD als große Samstagabendunterhaltung verkauft.