Essen. Trotz Mode-Glamour, Postkartenkulissen und Hollywood-Villen verabschieden sich immer mehr Mädchen aus Heidi Klums Castingshow. Diesmal ging Kandidatin Sophie freiwillig nach Hause. Konkurrentin Luise träumt derweil von einer Medizinerausbildung in Deutschland. Der Zauber der Modelkarriere im TV verblasst.
Nach acht Jahren bekommt das System "Germany's next Topmodel" langsam Risse. Ganze vier Folgen sind bisher gelaufen, da haben sich schon zwei Mädchen freiwillig verabschiedet. Diesmal ist es Sophie. "Ich werde zu Hause gebraucht", sagt sie am Ende der Folge und gibt Heidi Klum das Foto zurück, das sie, Sophie, eigentlich in die nächste Runde befördert hätte.
Die Casting-Jurorin ist verdutzt. Da sitzt sie auf ihrem Regiestuhl am Pazifik, unter der kalifornischen Instagram-Sonne, und versteht die Welt nicht mehr. Thomas Hayo geht es ähnlich: "Ich habe in Sophie großes Potenzial gesehen." Diesmal ist es keine Standardphrase.
Ganz wichtig: Sexy soll ein Model sein
Auch anderswo regt sich Widerstand. "Ich weiß nicht, ob ich das ein Leben lang machen will", jammert Luise. Sie steht vor einem Wohnwagen am Andreas Canyon, noch so eine Postkartenkulisse. Gerade ist die GNTM-Kandidatin geschminkt worden. Sexy soll sie sein, so lautet die Aufgabe. Dazu muss sie ein Western-Kostüm tragen und einen sandigen Abhang hinunterlaufen. Das ist nicht ganz einfach auf High Heels. Aber, nun, sie will ja Model werden. Oder nicht?
Sie wollen Topmodel werden
"Ich habe einen Ausbildungsplatz an einer guten Klinik", fällt ihr ein. "Das ist ja auch nicht so schlecht." Klum schwant Übles. Wo soll das hinführen, wenn ihre Kandidatinnen von langweiligen Ausbildungen in Deutschland träumen? "Zweifel sind normal. Deshalb arbeiten wir hart daran, den Mädchen Selbstbewusstsein zu vermitteln."
GNTM-Glamour hat sich abgenutzt
Vielleicht liegt genau da das Problem. Inzwischen weint nicht mehr jede Teilnehmerin, die bei GNTM rausfliegt, endlose Tränen. Dass man nach dem Rauswurf in dieser Show nicht unter der Brücke schlafen muss, hat sich inzwischen rumgesprochen. Umgekehrt hat sich ein Teil des GNTM-Glamours offenbar abgenutzt.
Kandidatinnen, die Notizbücher anlegen und jeden Ratschlag der Jury befolgen, sind jedenfalls rar geworden. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass ausgerechnet Chormädchen Jacqueline, die "naivste" Kandidatin, Klums Model-Programm am eifrigsten folgt.
Neue Haltung unter den Model-Kandidatinnen
Alle anderen scheinen "Germany's next Topmodel" inzwischen wie eine normale Gameshow zu sehen. Man nimmt die tollen Reiseziele mit, die Kleider und die Hotelsuiten. Aber wenn's dann nicht mehr weitergeht – halb so wild. Die neue Haltung kann man auch daran ablesen, dass es kaum noch Zickereien unter den Kandidatinnen gibt. "Ich gönne ihr das" hört man viel häufiger als in den letzten Staffeln. Die Verzweiflung der Regie über soviel Harmonie kann man förmlich greifen.
Als Nachwuchs-Model Carolin zu einem Sonder-Job nach Hongkong fliegen darf, dräut es aus dem Off: "Aber nicht alle Mädchen scheinen darüber froh zu sein." Dann folgt eine klassische Text-Bild-Schere: Abschiedsküsse. Umarmungen. Viel Glück!