Boom. Seine Identität verbirgt Claptone hinter einer goldenen Maske. Im Interview verrät der DJ, wie er bei Tomorrowland die Energie des Publikums aufsaugt.
Der Schock sitzt tief bei den Tomorrowland-Anhängern nach der überraschenden Absage des belgischen Festivals. Trotzdem müssen die Musik-Fans nicht auf ein bisschen der märchenhaften Atmosphäre im Jahr 2021 verzichten. Die Digital-Edition "Tomorrowland Around the World" geht am 16. und 17. Juli in die zweite Runde.
Hier geht es zum Live-Blog von Tomorrowland Around the World.
Mit dabei ist erneut der deutsche Star Claptone: Der DJ, der seine Identität seit Jahren hinter einer goldenen, venezianischen Maske verbirgt und mit die Menschen weltweit mit seiner House-Musik begeistert. Im Exklusiv-Interview spricht Claptone über die Besonderheiten bei dem 3D-Festival, wie sich das Party-Leben verändert und welche bizarren Hürden er als DJ in der Corona-Pandemie überwinden muss.
Wie würdest Du die Atmosphäre bei Tomorrowland beschreiben?
Claptone: "Ich kenne kein anderes Festival mit so vielen Bühnen, wo unterschiedliche dance-orientierte Musik gespielt wird. Die Besucher wissen das zu schätzen und es herrscht eine sehr friedliche Stimmung. Man wandert über das schöne Festival-Gelände und lässt sich auch mal von Musik inspirieren, die man sonst nicht hören würde – sozusagen eine musikalische Erlebnisreise. Durch die fantasievolle Deko kommt man sich vor wie in einem Märchenland."
Du hast auf dem Festival in Belgien schon auf den verschiedensten Bühnen gespielt – von der Mainstage über Atmoshpere mit den spektakulären Licht-Effekten bis zur Wald – und zur Drachenbühne. Wo hast Du Dich am wohlsten gefühlt?
Claptone: "Ich fand die Waldbühne toll, weil die ein bisschen abgelegen war und es im Wald grundsätzlich schön ist. Wie die Bäume angestrahlt wurden, das war eine tolle Atmosphäre. Die Drachenbühne mit den Installationen ist auch fantastisch. Die Mainstage war eigentlich super, aber es hat während meines Auftritts leider geregnet. Das war sehr schade."
"In Livestreams muss man sich reinfühlen"
Warum passen Claptone und das Motto „The Masquerade“ so gut ins Tomorrowland?
Claptone: "Auf dem Festival können sich die Besucher so anziehen, wie sie sonst im Alltag nicht herumlaufen würden und sich so darstellen, wie sehr gerne mal sein möchten. Das passt hervorragend zu meinem „The Masquerade“-Motto. Auch bei meinen Partys können sich die Besucher so zurecht machen, wie sie sich fühlen - gerne auch mit Maske."
Wenn bei einem Festival Tomorrowland draufsteht, ist die Erwartungshaltung des Publikums sehr groß – wie bereitet man sich als Künstler auf die Digital-Variante vor?
Claptone: "Im Vergleich zum physischen Festival ist das schon etwas anderes. Normalerweise erhält der DJ beim Tomorrowland ein Feedback vom Publikum aus vielen verschiedenen Ländern. Dadurch entsteht eine sehr starke Energie, die ich in mir aufnehme. Das fällt bei einem Digital-Festival und allen anderen Streams, die DJs in der Corona-Pandemie machen, aus. Da muss man bei der Performance viel von sich selbst reingeben, um das Energielevel zu erreichen für die Menschen an den Bildschirmen. So wird man ein Stückweit mehr zum Schauspieler, auch wenn es schade ist."
Welche Mittel hat man als DJ, damit etwas von der Tomorrowland-Atmosphäre bei den Leuten ankommt, die daheim vor Bildschirmen eine Party feiern wollen?
Claptone: "Für uns DJs sind solche Streams eine neue Erfahrung und jeder muss sich da reinfühlen. Durch Corona war es auf einmal ein Muss, dass ein DJ so was macht. Bei mir ist es fünf Prozent, dass ich mir Publikum vorstelle und 95 Prozent, dass ich versuche mich in der Musik gehen zu lassen."
Wie verändert sich der Digital-Auftritt musikalisch?
Claptone: "Normalerweise bin ich variabel in dem, was ich spiele und will auf die Leute eingehen. Wenn man aber kein Feedback bekommt, plane ich mein Set sehr detailgenau – das kann in der musikalischen Darbietung spannender und noch besser sein."
Digital-Festival ist eine faszinierende neue Kunstrichtung
Was reizt Dich noch an „Tomorrowland Around the World”?
Claptone: "Man kann mit einem Digital-Festival Leute erreichen, die am anderen Ende der Welt, zum Beispiel in einer kleinen Stadt in Burma leben. Die sonst keine Chance haben, jemals auf das Tomorrowland-Festival zu gehen. Die Animation der Bühnen im Zusammenspiel mit der Musik ist eine faszinierende neue Kunstrichtung. Da kann man weit über die Grenzen des normal Physischen Dinge machen, die sonst nicht gehen."
Ist Dein Auftritt in einem Green Studio schon aufgenommen?
Claptone: "Ja, denn es dauert etwas auf diesem technischen Niveau, bis meine Performance in die 3D-Welt integriert wird."
Wie sehr fehlt Dir die Interaktion mit dem Publikum?
Claptone: "Ich habe einige corona-konforme Veranstaltungen im letzten Sommer gemacht. Das war toll, auch wenn das Publikum oft weit weg war und sich teilweise in Plastik-Käfigen befand. Es gab so viele Konzepte - aus Sicht des DJs eines absurder als das andere, weil man ja eigentlich den Leuten nah sein will. Aber selbst das bisschen war schon wichtig in dieser Zeit."
Du hast sehr viele Livestreams in den vergangenen 15 Monaten gemacht – hast Du so versucht den Kontakt zum Publikum zu halten?
Claptone: "Auf jeden Fall. Wir DJs und andere Künstler jammern zwar immer, dass wir nicht raus zu den Leuten können, aber diese haben es ja auch nicht leicht. Da war es schön, die Menschen einmal in der Woche mit meiner Musik zu erfreuen – selbst jetzt haben wir in einigen Ländern ja noch einen Lockdown. Bei Stream-Sets habe ich mich oft auf ein musikalisches Kernthema konzentriert und konnte so den Leuten all meine musikalischen Wurzeln nahebringen."
DJ auf Reisen: "Bürokratisch ist es weltweit eine Katastrophe"
Die letzten 15 Monate waren für viele Menschen eine schwere Zeit – wie ist es Dir seit Beginn der Corona-Pandemie ergangen?
Claptone: "Das war auch für mich nicht einfach. Als dann im März 2020 der Lockdown kam, gab es auf einmal keine Auftritte mehr – da musste auch ich erst mal mit klarkommen. Jetzt hoffe ich, wie jeder andere auch, dass es vielleicht Licht am Ende des Tunnels gibt. Allerdings dachten wir auch im letzten Jahr im Sommer, es wäre jetzt vorbei mit der Pandemie."
Kannst Du denn schon problemlos wieder reisen?
Claptone: "Gerade in den USA öffnet schon sehr vieles wieder. Aber es ist schwierig dort reinzukommen. Neben dem klassischen Arbeitsvisum muss man über einen Anwalt einen sogenannten ,NIE-Status' beantragen, welcher einem unter anderem bescheinigt dass man für die USA eine „Person of national Interest“ ist. Bürokratisch ist es weltweit eine Katastrophe, was da von einem verlangt wird."
Werden die Menschen künftig anders Partys feiern?
Claptone: "Ich denke nicht, dass durch Corona plötzlich alles ganz anders wird auf Veranstaltungen. Zudem ist in der Musikindustrie sowieso alles im Fluss und Veränderung Alltag. Als ich angefangen habe, gab’s Vinyl, dann CD, dann den Download und jetzt gibt es Streaming. Produktionsstandards und Trends verändern sich fast täglich. Von daher verändert sich eh alles – und das ist völlig ok."
Was Claptone am meisten in der Pandemie erschüttert hat
Wie sehr informierst Du Dich im Vorfeld eines Auftritts über die Schutzmaßnahmen?
Claptone: "Wir schauen uns immer die Hygiene-Konzepte sehr genau an – klar ist zum Beispiel, dass der Fahrer auf jeden Fall eine Maske tragen muss."
Hattest Du auch schon vor Ort Bedenken überhaupt aufzutreten?
Claptone: "Wir versuchen, immer alles vorher abzuklären. Und dann kommt der Punkt, wo sich einer nicht dranhält. Wie geht man dann damit um? Das ist nicht leicht. Eine gewisse Toleranz ist zwar da, aber ab und zu muss man auch mal „Stopp“ sagen. Als DJ tauche ich weltweit in so viele Kulturen ein. Diese sind ja schon grundsätzlich verschieden und gehen auch dementsprechend unterschiedlich mit der Pandemie um."
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Welche Erfahrungen hast Du da in den letzten Monaten gemacht?
Claptone: "Am meisten hat mich während der Pandemie erschüttert, dass es zwar ein weltweites Phänomen ist, aber es wird nicht weltweit gehandelt, sondern in jeder Kleinstadt sein eigenes Süppchen gekocht. In der Ukraine hat zum Beispiel jede Stadt sein eigenes Ampel-System. Es ist nicht leicht mit den Leuten zu reden, wenn diese eine andere kulturelle Prägung haben und eine in Deutschland selbstverständliche Regel nicht einhalten."
Gab es schon den Moment, wo du kurz vor dem Canceln standest?
Claptone: "Es gab mal eine Veranstaltung, wo Bilder von der vorherigen Party kursierten. Da habe ich gesagt, dass ich unter diesen Bedingungen nicht kommen werde. Das war dann aber ein externer Veranstalter und der Clubbetreiber selbst hat mir dann versichert, dass er andere Maßstäbe setze. Ich weiss aber manchmal selbst nicht, welche Vorschriften die richtigen sind. Ich bin weder Virologe noch Politiker und bis jetzt hat es noch keiner wirklich im Griff gehabt. Ich bin in erster Linie DJ und Musiker und muss das dann mit meinem Gewissen abwägen, mehr kann ich nicht tun."
Claptone kündigt neues Album für 2021 an
Wann können sich denn deine Fans über ein neues Album freuen?
Claptone: "Noch dieses Jahr! Das es schwierig für Clubs und Festivals ist hält mich nicht davon ab. Wenn ich Musik für ein Album produziere, sollen die Leute es auch auf Spotify anhören können. Das kann dann auch mal poppiger oder eben melancholischer werden."
Was möchtest Du mit deiner Musik bewirken?
Claptone: "Die Leute sollen bei unseren "The Masquerade" Partys den Alltag vergessen und die Sorgen an der Garderobe abgeben. Als Claptone dirigiere ich die Party und animiere die Leute dazu, den Vibe der House-Musik zu genießen. Die Dekoration ist inspiriert vom venezianischen Karneval, antikem Zirkus und Cirque de Soleil mit Tänzern und Performern in phantasievollen Outfits. Ich möchte eine Athmosphäre für durchweg positive Gefühle und Toleranz erzeugen."
EDM - Elektronische Dance MusikNeben deiner Maske trägst du Hut, schwarzes Outfit und weiße Handschuhe – du könntest optisch auch ohne Probleme als Magier durchgehen. Kannst Du zaubern?
Claptone: "Ich lade die Leute ein, sich auf einer emotionalen Ebene verzaubern zu lassen. Ich lasse aber keine Elefanten oder Tauben verschwinden." (lacht)
Du hast Dich dazu entschlossen, deine wahre Identität zu verbergen – warum trägst Du eine Maske?
Claptone: "Grundsätzlich habe ich ein Problem mit der Idee von Authentizität in der Rock-Musik. Im medialen Zeitalter kann man so eine Authentizität gar nicht leben. Viele inszenieren sich dort und setzen etwa Filter bei den Fotos ein. Es geht gar nicht darum, wer man wirklich ist. Die Idee war deshalb bei Claptone, das Image direkt in die Hand zu nehmen und von Grund auf zu inszenieren. Das ist am Ende wesentlich ehrlicher als so zu tun als ob man dieser bodenstänige Sänger von nebanan ist und am ende doch etwas vorzugeben. Claptone ist ehrliche, selbstgemachte Inszenierung von mir."
Ist das auch eine Art Schutzschild für Dich?
Claptone: "Das ist ein Nebeneffekt, der mir sicherlich entgegenkommt und den ich auch zu schätzen weiß."
Warum hast Du Dich für eine goldene, venezianische Maske entschieden?
Claptone: "Ich habe nach einer Maske gesucht, die meine Musik widerspiegelt. Und die venezianische Maske hat das Edle in dem Sound von Claptone gut aufgenommen. Es sollte auf keinen Fall ein Gag sein, nichts lustiges wie ein Pandabär oder ein Marshmallow, sondern etwas, was schon eine kulturelle Geschichte in sich trägt."
Wenn Claptone ohne Maske nicht existieren kann, ist es dir denn schonmal vor einem Auftritt passiert, dass Du die Maske vergessen hast?
Claptone: "Zum Glück bisher nicht – sonst müsste der Claptone-Gig tatsächlich abgesagt werden."
Tickets für das Digital-Festival "Tomorrowland Around the World" gibt es hier.