Essen. Heute begehen Liebhaber den Tag der Schallplatte - trotzdem werden mehr Menschen digitalisierte Musik vom MP3-Player konsumieren: Sie haben den passenden Song zu Stimmung immer bei sich.

Zum Schreiben höre ich gern Donavon Frankenreiter oder Amos Lee: Deren entspannter Pop macht meinen Kopf so frei, dass viel Platz für Texte ist. Im Großraumbüro der Redaktion arbeiten gerade 18 Kollegen. Einige sprechen miteinander, einige telefonieren - da schaffen mir die Stöpsel in den Ohren eine Klangkulisse, vor der ich konzentriert arbeiten kann. Ein Plattenspieler wäre doch eher unpraktisch, der MP3-Player ist ziemlich genial. Gefährliche Nebenwirkung: Man sieht ein bisschen bescheuert aus, wenn man vor dem Bildschirm rhythmisch mit dem Kopf nickt.

Verstehen Sie mich nicht falsch, grundsätzlich habe ich rein gar nichts gegen Schallplatten. Wer sie toll finden, für die einzig wahre Form des Musikkonsums halten will, soll das gerne tun. Ich mag aber die Vielseitigkeit des MP3-Players und die Tatsache, dass ich damit immer meine komplette Musikbibliothek bei mir habe. Im Stau ärgere ich mich nicht über furchtbare Chart-Hits im Radio, selbst wenn die aktuelle Lieblings-CD im Wohnzimmer liegt, in Kaufhäusern muss ich die Aufzugmusik nicht ertragen, im Zug bin ich nicht gezwungen, die Telefonate der anderen Passagiere mitzuhören und auf Reisen habe ich immer den passenden Song zur Stimmung bei mir – und damit den Soundtrack zum Film, der mein Leben ist.

Sehr bequem - aber ohne Cover-Kunst

Überhaupt: Digitalisierte Musik braucht weniger Platz, die Datenträger haben weniger Oberfläche als LPs – und fangen weniger Staub, sehr wichtig! Meine Vorliebe hat viel mit Bequemlichkeit zu tun: Ein Album durchhören, ohne die Platte umdrehen zu müssen, ist für mich der größere Musikgenuss. Und es war früher schon sehr nervtötend, wenn ich, weil ich mein Lieblingslied unbedingt 15 Mal hintereinander mitsingen wollte, immer wieder den Arm mit der Nadel hin und her heben musste – die gequälten Nerven meiner Schwester, die das mitanhörte, waren erstmal Nebensache.

Außerdem freut es mich, dass Künstler in diesen Zeiten nicht mehr auf Produktionsmittel und Vertriebswege der Labels angewiesen sind, um ihre Musik unters Volk zu bringen, dass sie sich – wenn sie nicht davon leben müssen – keine Gedanken über die Vermarktbarkeit ihrer Kunst machen müssen und immer irgendwo in den Weiten des Netzes auf offene Ohren stoßen.

Was mir ohne LPs fehlt, ist die Cover-Kunst. Die ist ja schon bei CDs nur noch was für Adleraugen, im MP3-Player verkommt sie zum hübschen Wiedererkennungsfaktor, kaum größer als eine Briefmarke. Ich denke, ich hänge mir die schönsten Cover einfach an die Wand – für mehr werde ich meine Schallplatten wohl nicht mehr brauchen.