Essen. . Zehn Jahre lang mussten Fans der Turntablerocker auf ein neues Album warten. Das fantastische Viertel Michi Beck und DJ Thomilla waren zwar nie von der Bildfläche verschwunden und tourten quer durch die Welt, aber die neue Platte “einszwei“ erscheint erst am Freitag. DerWesten sprach mit Beck, der mit Anfang 40 noch immer das Leben eines Mittzwanzigers führt.

In alter Turntablerocker-Manier melden sich Michi Beck und DJ Thomilla auf der Elektrobühne zurück. Zehn Jahre nach dem letzten Album "Smile" (2002) veröffentlichen sie Ende März ihre dritte Platte. Mit "einszwo" bleiben sie ihrem Stil treu, nicht ohne sich über das Jahrzehnt weiterentwickelt zu haben. Entstanden ist ein Konzeptalbum, dass "die Stationen einer Partynacht beschreibt", erklärt Michi Beck, besser bekannt als einer der Fantastischen Vier. Auch das Musikvideo zur ersten Single "Alles auf die 303" trägt die deutliche Handschrift des DJ-Duos Beck/Thomilla: Ein hinreißender Panda-Bär lässt es sich auf seinem Hotelzimmer richtig gut gehen und feiert dort After-hour nach einer heißen Party-Nacht. Ein Gespräch mit Michi Beck über das Comeback der Turntablerocker.

Hallo Michi Beck. Für Tierschützer die wohl wichtigste Frage vorab: Wie geht es dem Panda nach dem Videodreh?

Michi Beck: Super Frage (lacht). Dem Panda geht es blendend. Das wird viel zu selten gefragt. Offenbar ist in einer Ellenbogengesellschaft wie dieser kein Platz für die Frage nach den Gefühlen eines Pandas. Wir müssen tierlieber werden. So wie der etwas klein gewachsene amerikanische Schauspieler, der ganz viele Tierkostüme besitzt, die auf seinen Lieb geschneidert und lebensgetreu gestaltet sind. Normalerweise macht er irgendwelche Werbeclips damit und natürlich war er total selig, den ganzen Tag mit irgendwelchen heißen Chicks im Bett verbringen zu können. Und später noch mit zwei nicht mehr ganz so heißen Typen.

Süße Tiere sind offensichtlich der roten Faden in den Videos der Turntable Rocker. Pinguine, Maulwürfe, jetzt der Panda. Lebt euer Video-Regisseur damit irgendeinen Fetisch aus?

Beck: Zoran Bihac ist ja so etwas wie das dritte Mitglied der Turntable Rocker. Er hat bislang alle unsere Videos gemacht - übrigens auch schon einige Videos der Fantas - und er ist jemand, mit ausufernden Fantasien und dazu hat er noch tatsächlich offenbar extreme Fetische, die er dann in unseren Videos ausleben darf. Wir waren total glücklich, auch ihn nach zehn Jahren wieder für unser Video gewinnen zu können. Das ergibt dann auch nach der langen Pause doch wieder die typische Bihac-Turntable-Rocker-Indentität.

Das Internet ist ein adäquater Ersatz für das Musikfernsehen

Aber das Budget für Videos wird nicht größer, jetzt, wo die Clips fast ausschließlich für das Internet produziert werden.

Das Albumcover der neuen Turntablerocker-Scheibe
Das Albumcover der neuen Turntablerocker-Scheibe "einszwo" © Beck To Music

Beck: Umso glücklicher sind wir, dass wir Bihac auch ob des knappen Budgets wieder gewinnen konnten. Aber um deine Frage zu beantworten: Ich bin mir gar nicht sicher, ob die Videos im Internet durch die Ankündigung via Facebook, Twitter und was es noch alles gibt nicht sogar noch viel mehr Leute erreichen, als bei der "heavy Rotation" bei Viva oder MTV. Der Zuseher klickt sich ja bewusst zu unserem Video. Und mal unter uns: Die Einschaltquoten bei den Musiksendern war relativ überschaubar. Das Internet ist definitiv ein adäquater Ersatz für das Musikfernsehen.

Ihr beschreibt eure neue Platte als Wildstyle-Boogie, irgendwo zwischen Cosmic-Disco, Classic-House und gelegentlichen Hip Hop-Backflashes. Jetzt mal auf deutsch…

Beck: (lacht) Okay, das war vielleicht ein bisschen zu viel Fachchinesisch...

...hört sich aber wichtig an...

Beck: Klingt ganz geil, ja. Aber es lässt sich auch schwer anders ausdrücken – dazu müsste ein bisschen ausholen: Thomilla und ich haben 1994 angefangen, zusammen Musik zu machen. Zu der Zeit war das eigentlich ziemlich straighter Hip Hop. Wir haben 1997 dann meine Soloplatte zusammen produziert - auch Hip Hop mit R'n'B-Einflüssen. Danach waren wir zusammen sehr viel unterwegs und haben aufgelegt. So um 2000 rum wurde uns Hip Hop irgendwie etwas langweilig. Auf allen Partys wurden immer nur dieselben Tracks aufgelegt und das Publikum wollte irgendwie immer nur das gleiche hören. Das war nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Mit unserer ersten Platte "Classic" haben wir dann unsere Art aufzulegen manifestiert und festgehalten - irgendwo zwischen Techno und HipHop, mit großen House und Disco-Einflüssen - da merkt man unsere musikalische Prägung. Deswegen haben wir uns beim Auflegen viele Jahre halten können - immerhin mehr als ein Jahrzehnt - weil wir uns etwas von den gängigen Elektro-DJs unterscheiden. Wir haben eine andere Handschrift. Um das in einem kurzen Satz zu beschreiben, haben wir diese Fachchinesisch rausgekramt. Damit ich nicht immer und überall soweit ausholen muss wie grade.

Turntablerocker durchleben mit "einszwei" verschiedene Momente einer Party-Nacht 

Du hast gerade das erste Album "Classic" erwähnt, die zweite Platte hieß "Smile" und nun schmeißt ihr eine Scheibe auf den Markt, die "einszwei" heißt. Das passt nicht ganz zur Handschrift der Turntablerocker.

Beck: Wir haben uns am Anfang der Produktion dazu entschieden, die Platte auf Deutsch zu machen. Einfach deshalb, weil es weder zeitgemäß noch machbar ist, dem Konsumenten englische Samples um die Ohren zu hauen. Außerdem wollten wir uns nicht irgendwie auf die schnelle prominente oder namhafte Vocalists auf die Platte holen und wir machen nur den Beat dazu - so David-Guetta-mäßig. Außerdem wird ein Text nie so gut, wenn ich etwas auf Englisch schreiben muss, was ich im Vergleich auch auf Deutsch sagen könnte - es fehlt einfach die Ironie und was-weiß-ich-nicht-alles... Das ist der vermeintlich schwerere, aber konsequentere Weg. Übrigens wird "einszwei" wahrscheinlich noch im hinterletzten Zipfel Asiens verstanden. Das ist wichtig für den internationalen Markt.

Es ist von einem Konzept-Album zu lesen.

Beck: Ja, tatsächlich. Das Konzept zum Album entstand während der Produktion. Der erste Schritt war der, das Album auf Deutsch zu machen. Dann habe ich versucht, darauf zu achten, dass die Titel auch zu unserem Turntable-Rocker-meets-Pop-Style passen. Nachdem ich so sieben, acht Stücke fertig hatte, haben wir festgestellt, dass das alles verschiedene Momente einer Party-Nacht sind. Darauf habe ich die letzten drei, vier Titel lückenfüllend geschrieben.

Ihr wolltet damals schon "nicht beliebig" klingen, hast du mal gesagt. Was habt ihr euch von damals bis heute dazu bewahrt und was ist neu?

Michi Beck mit seiner Ehefrau Ulrike.
Michi Beck mit seiner Ehefrau Ulrike. © Getty

Beck: Das war einer der Gründe, warum wir so eine lange Pause hatten. Ausschlaggebend dafür, dass wir ein neues Album machen, war die Entwicklung der Club-Musik, die vergleichbar mit unseren beiden ersten Alben ist. Wir wollten auf keinen Fall diese schnelle, eher kalte 130-Beats-per-Minute-Minimal-Musik, sondern Gefühl, Raum und Interesse an Disco-Musik. Wir haben so lange kein Album gemacht, weil wir uns nicht richtig mit der Musik in den Clubs gefühlt haben. Jetzt kann man unsere Alben musikalisch in einer Reihe anhören, ohne einen Bruch festzustellen.

Ihr habt euch 1994 kennengelernt. Vor 18 Jahren. Mit 18 ist man in Deutschland „erwachsen“. Ist eure Musik auch erwachsen?

Beck: Ich befürchte, dass so eine gewisse unfreiwillige Berufsjugendlichkeit in uns steckt. Irgendwie setzt das der Job, den wir machen, so ein bisschen voraus. Ich bin jetzt Anfang 40, Thomilla ist 38 und wir leben immer noch das Leben eines Mitzwanzigers. Wir gehen noch gerne feiern, sind fast jedes zweite Wochenende in den Clubs unterwegs - das ist das Leben von Berufsmusikern und DJs. Da wirst du nicht richtig erwachsen. Das hörst du auch in den Sounds, die wir machen. Ich will zwar nicht von ernster, erwachsender Unterhaltungsmusik reden, aber wir haben schon einen Reifungsprozess mit unserer Musik hinter uns.

Die Menschen sind auf Partnersuche, wollen Spaß haben und tanzen. Und Musik hören

Wie unterscheidet sich die Club-Szene von damals zu heute?

Beck: Ich bilde mir ein, dass sich was im Volksmund als "Ausgeh-Alter" tituliert wird – verschoben hat und älter geworden ist. Clubbing ist auch um die 30 ganz normal. Diese typischen Ü30-Partys gibt es natürlich immer noch, aber der normale Club-Gänger ist jetzt nicht mehr Anfang 20, sondern auch gerne Anfang oder Mitte 30 - und das ist übrigens ein weltweiter Trend. Es gibt eine breitere Szene. In den fast zwanzig Jahren, die wir jetzt unterwegs sind und zusammen auflegen, ist die Club-Szene nicht derber oder langweiliger geworden. Das hat sich kaum verändert. Es geht augenscheinlich immer noch um das Gleiche: Partnersuche, Spaß haben und tanzen. Und Musik hören. Es gibt tatsächlich auch immer noch Menschen, die zum Musik hören kommen. Das Ausgehverhalten hat sich nicht geändert, könnte man sagen.

Also legt ihr auch auf Ü30-Partys auf...

Beck: (lacht)... Nicht auf solchen, die sich so nennen. Die stehen für etwas anderes. Es gibt genug Leute, die auf ordentliche Veranstaltungen gehen.

Nicht ganz ins Bild eines coolen DJs oder HipHop-Stars passt euer Hobby: Ihr seid passionierte Golfer. Wie gut ist euer Handicap mittlerweile?

Beck: Katastrophal. Wir haben im letzten Jahr maximal zweimal neun Löcher gespielt und keine einzige Golf-Stunde genommen. Wir haben viel zu sehr auf das neue Album konzentriert und haben das so ein bisschen schleifen lassen.

So wie auch das nächste Album der Fantastischen Vier schleift?

Beck: Das ist noch nicht ganz klar für das Jahr 2012. Die letzten beiden Alben waren ja quasi hinter einander weg und wir werden sicherlich nicht gleich wieder direkt loslegen. Aber es gibt schon Pläne, dass wir im Sommer wieder das zarte Pflänzchen gießen, die ersten Treffen machen, Tracks und Ideen austauschen und dann wagen wir uns an das Thema. Aber ich denke, vor Ende 2013 wird sich da nichts tun.