Essen. . „Lioness: Hidden Treasures“: Das Album mit unveröffentlichten Songs von Amy Winehouse mischt Demos und großartige Cover-Versionen. Als Studioalbum wäre dieses Nachtod-Werk niemals so erschienen. Aber als postume Würdigung ist es durchaus akzeptabel.
In Anbetracht des vorzeitigen Dahinscheidens von Amy Winehouse neigt man dazu, ihren künstlerischen Nachlass milde zu betrachten. So könnte man ihrer Dancehall-Interpretation des Klassikers „Our Day Will Come“ eine zusätzliche tragische Dimension beimessen, nach dem Muster: Das arme Mädchen, damals hoffte sie noch auf das Glück in der Zukunft, aber vergönnt war es ihr nie. Gedanken, wie sie Amy Winehouse wohl nicht getrieben haben. Doch genau sie sind es, die das schöne Stück aus heutiger Sicht adeln. Zuvor war es auf keinem der beiden Studioalben gelandet.
Nun erscheint, kaum überraschend zum Weihnachtsgeschäft, das Wenige, was Winehouse während ihrer kurzen Karriere an Demos, Unveröffentlichtem und Liegengelassenem angesammelt hat, ausgewertet vom Produzenten Salaam Remi. Begleitet wird es von den salbungsvollen Schwüren des Vaters, dass die Veröffentlichung ganz im Sinne seiner Tochter gewesen wäre. Nun, that’s Showbusiness und Amy kann sich nicht wehren.
Tatsächlich ist „Lioness. Hidden Treasures“ bei weitem nicht so respektlos verhunzt wie das Jackson-Nachtod-Album „Michael“. Im Gegenteil, es finden sich einige Songs, die ohnehin bald veröffentlicht worden wären, etwa „Body & Soul“, ein Duett mit Tony Bennett, das einen Jazz-Standard zwar nicht brillant, aber angemessen aufgreift. Wer weiß, vielleicht hätte es „A Song For You“, bei dem Amys Stimme schon brüchig wirkt, sogar in den hinteren Teil eines regulären Albums geschafft. Es gibt zudem zwei hübsche Alternativ-Aufnahmen („Valerie“ und „Tears Dry“), die beide langsamer sind als die Album-Versionen.
Doch die beiden Höhepunkte von „Lioness“ sind zwei Coverversionen und schon viele Jahre alt: „Will You Still Love Me Tomorrow“ von den Shirelles und „The Girl From Ipanema“. Was auf tragische Weise belegt, dass Winehouse schon im Moment ihres Durchbruchs den Zenit erreicht hatte.
- Amy Winehouse: Lioness. Hidden Treasures (Universal)