Oberhausen. .
„Aphrodite“ heißt ihr neues Album, „Les Folies“ in aktuelle Tour. Als Göttin des Pop und Pomp lässt es Kylie Minogue in der Arena Oberhausen richtig krachen: Zwei Dutzend Songs, gigantische Kulissen und Hochleistungs-Akrobatik.
Wer sich heute auf dem Pop-Olymp halten will, der sollte schon ein paar Goldreserven haben. Mit der Wirkung von ein bisschen Sternenstaub und Konfettiglitter ist es jedenfalls nicht mehr getan. 20 Millionen Dollar soll Kylie Minogue angeblich für ihre neue „Les Folies“-Tour in die Hand genommen haben, um als Liebesgöttin Aphrodite hinabzusteigen in das Reich der Konzertarenen. Wo sie uns Erdenmenschen nun zeigt, dass Entertainment eine Kunstform ist, bei der man nicht kleinlich sein darf bei der Wahl der Effekte.
So gleicht die Bühne in der Oberhausener Arena am Freitagabend einem Antiken-Disney in XXL mit seinen gigantischen Tempelsäulen. Bilder-Bombast und visuelle Reizüberflutung wohin man schaut. Und die an Robert Mapplethorpes schöne Schwulen-Ikonen angelehnten Bilder flimmern in Großaufnahme über die Leinwände.
Kylie Minogue ist Aphrodite
Die ganze Aufmerksamkeit aber gehört der 1,52 Meter kleinen Sängerin
Irgendwo weit hinten haben auch die vier Musiker ihren Platz, unauffällig integriert ins Bühnenbild. Die ganze Aufmerksamkeit aber gehört der 1,52 Meter kleinen Sängerin und ihren mehr als 20 Tänzern und Akrobaten, die sich im Laufe des Abends zu irrwitzigen Menschen-Pyramiden formen und in waghalsigen Trapez-Nummern von der Bühnendecke baumeln. Mancher wird sich bisweilen fragen, ob er nun einer olympischen Eröffnungsfeier, den Oberhausener Antikenfestspielen oder einem Popkonzert beiwohnt.
Sieben Akte hat das Programm vorgesehen, vor allem eine Umkleide-Zäsur. Und mit jedem neuen Look fährt die Bühnentechnik auch einen neuen spektakulären Hydraulik-Gimmick auf. Mal taucht Kylie in einer riesigen, goldenen Muschel auf wie zum Auftakt ihres Titelsongs „Aphrodite“, mal benutzt sie für den großen Auftritt ein geflügelten Pferd. Es ist eine atemberaubend-abgedrehte Mischung aus Fashion-Fasching und Götter-Oper. Eine Show zum Augenreiben, Kopfschütteln und ungläubigen Staunen. Sich wie eine Gladiatorin des Pop in einer goldenen Kutsche von vier muskulösen Männern über den weit in den Hallenraum hinein ragenden Bühnensteg ziehen zu lassen wie in „I Believe In You“, muss man sich erst mal trauen. Bei „Closer“ auf dem Rücken eines Ikarus über den Köpfen des Publikums zu fliegen, ist schlicht spektakulär.
Einer der letzten überlebenden Megastars der 80er Jahre
Immer wieder hält die zweistündige Show solche irrwitzigen Augenblicke parat. Aber es gibt - Göttin-Lob - auch die musikalischen Aha-Momente. Aus „Slow“ macht die australische Sängerin eine großartige, getragene Swing-Nummer mit leisem Prickel statt lautem Effekt. Da wird auch die metallenen Stimme, die in den ungünstigeren Momenten immer noch an die Verheiratung von Kirmesorgel und Kinderchor erinnert, samtig und weich. Bis der geschmeidige Aphroditen-Auftritt auf hydraulischer Drehscheibe im Trance-Gewitter endet.
Aber wie das bei Göttern so ist - man schaut immer ein wenig ehrfurchtsvoll zu ihnen auf. Erst nach einer guten Stunde, als Kylie raus aus den grellen Operettenkulissen und rauf auf den Dancefloor trippelt, liegen ihr die Oberhausener endgültig zu Füßen. Und sie geht mit, signiert Mädchen-T-Shirt-Rücken, sammelt Blumen und begehrliche Blicke, kokettiert und interagiert. Selbst ihr früher Tanzflächenstampfer „Your Disco Needs You“ federt nun ganz wuchtfrei über die Bühne. Beinahe schon ein Requiem auf die gemeinsamen, vergangenen Tage.
Kylie Minogue ist neben Madonna einer der letzten überlebenden Megastars der 80er Jahre, dieses seltsamen Disco-Jahrzehnts, das eigenwillige Mode und überraschende Stars hervorbrachte. Sie hat Krebs und Karriereknicks überstanden. Jetzt, mit 43, wirkt sie selbstgewisser denn je. Am Ende steht sie noch einmal ganz vorn am Bühnendreieck, zwischen hochpeitschenden Wasserfontänen und hochragenden Brunnenrändern, von denen aus sich die Tänzer zum letzten atemberaubenden Akrobatikspektakel des Abends erheben. Wie Kylie Minogue da strahlt unter ihrer goldenen Esther Williams-Gedächtnisbadekappe, muss es ein Jungbrunnen sein.