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Er bringt Teenager zum Weinen und Internet-Foren zum Kochen. Für „coole“ Kids ist Justin Bieber ein Graus, für viele Eltern ein Traum. Sie lieben das höfliche, unbedrohliche und fleißige Idol ihrer Kinder.
Bei Justin Bieber versteht „MeTheMusicFreak“ keinen Spaß. „Passt auf eure Wortwahl auf, verstanden? Ich lösche alle beleidigenden Kommentare! Niemand wird eure ‘Meinung’ sehen!“ Der Musikfreak, vermutlich ein Mädchen, hat ein Video bei Youtube hochgeladen, es zeigt Bieber bei der „Comet“-Verleihung im vergangenen Jahr. Im Kommentarfeld geht es einigermaßen gesittet zu. Selbstverständlich ist das nicht.
Zu sagen, dass Bieber polarisiert, ist ungefähr so, als behauptete man, Thilo Sarrazin stoße hier und da auf Widerspruch. Auf den Schulhöfen der westlichen Welt gibt es wohl niemand, der keine Meinung zu Justin Bieber hat. Bei Facebook hat er mehr als 19 Millionen Fans, gleichzeitig muss er froh sein, dass es dort keinen offiziellen „dislike“-Knopf gibt. Er würde sicher auch ein paar Millionen mal gedrückt.
Mit 13 bei Youtube entdeckt
Biebers Superlative sind schon oft aufgezählt worden: Mit 13 wurde er bei Youtube entdeckt, drei Jahre später hatte er sieben Songs in den amerikanischen „Billboard 100“. Er hat Preise bei den Grammy Awards verliehen und ist für zwei nominiert. Gaststars wie Usher und Ludacris singen bei ihm mit, Barack Obama lud ihn zur Weihnachtsfeier ins Weiße Haus. Im letzten Jahr hat Bieber angeblich 100 Millionen Dollar verdient, sein zweites Album „My World 2.0“ erreichte in fast 20 Ländern die Top Ten. Bei dieser Ereignisdichte wirkt es nicht mehr ganz so absurd, dass er mit 16 Jahren eine Autobiografie geschrieben hat.
In letzter Zeit muss der Star mit der Helmfrisur nicht mal mehr auftreten, um eine Halle in Ekstase zu versetzen. Bei der jüngsten Aufzeichnung der Teenie-Show „The Dome“ wurden lediglich Video-Einspieler des Kanadiers gezeigt. Der Kreischpegel im Düsseldorfer ISS Dome übertraf sämtliche Live-Acts bei weitem. Da geht es in den Fanforen im Internet vergleichsweise niedlich zu. Zum Beispiel in der Bieber-Wiki, einer ausschließlich ihm gewidmeten, nun ja, „Enzyklopädie“. Besonders schön – die Rubrik „Fragen“. Hat jemand seine Handynummer? Wie sieht sein Haus aus? Ist er schwul? Die Antworten kommen ausschließlich von Fans, entsprechend komisch sind sie zum Teil. So erfährt man dort, dass Bieber ein paar Worte auf Deutsch sprechen kann, weil sein „Uhrgroßvater“ (sic) aus Berlin kommt oder dass er noch keine türkische Freundin hatte, wohl aber eine albanische.
Popstar Justin Bieber
Ein korrekteres Vorbild lässt sich im Pool der Teenieschwärme schwer finden
Beim Zappen durch die Fanseiten erkennt man das Wesen echter Teenager-Phänomene: Sie sind für Erwachsene per Definition nicht (mehr) nachvollziehbar. Das Besondere am Fall Bieber ist allerdings, dass „Unverständnis“ hier nicht „Ablehnung“ bedeutet. Im Gegenteil. Eigentlich haben Eltern Grund, Bieber zu umarmen. Ein korrekteres Vorbild lässt sich im Pool der Teenieschwärme schwer finden. Er habe ein „unglaubliches Arbeitsethos“ und sei eine Art „moderner Renaissance-Mensch“, schreibt die Vanity Fair in ihrer Online-Ausgabe. Beleg für diese Renaissance-These liefert ein Foto, das Bieber beim Adelssport zeigt. O-Ton: „Justin zieht auf dem Krocket-Platz genauso viele Fans an wie auf der Bühne.“
Weitere Motive beim Vanity-Fair-Shooting: Bieber im Armani-Rollkragen, auf der Picknickdecke im Grünen, mit Pustefix-Blasen, im 50er-Jahre-Look zwischen verstreuten Elvis-Platten. Nur einmal sieht man sieht man ihn ein wenig gewagt mit offenem Hemd, ansonsten könnten die Bilder mit ihrem Privatschul-Look allesamt aus einer Tommy-Hilfiger-Kampagne stammen.
Und so arbeitet auch die Vanity Fair am ultra-cleanen Image des Justin Bieber. Wenn das so weiter geht, wird er auch das letzte Ziel erreichen. Dann wird er es auf das Titelbild des Teenie-Magazins schaffen, das Lisa in einer Folge der „Simpsons“ in die Kamera hält. Der Name: „Non-threatening Boys“.