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Maria Hellwig ist tot. Sie war das Flaggschiff der Volksmusik und stirbt zu einer Zeit, da die Quoten im Fernsehen sinken. Die Sängerin wurde 90 Jahre alt. Sie hatte im Laufe ihrer Karriere 800 Lieder aufgenommen.

Zuletzt hatte sie mehrere Preise für ihr Lebenswerk bekommen, und das ist immer ein ganz schlechtes Zeichen. Zu all den Bambis und Ehrenbambis aus Jahrzehnten, zu all den Goldenen Schallplatten und Hermann-Löns-Medaillen – in Bronze, Silber, Gold und Platin – kamen im Jahr 2009 ein „Herbert-Roth-Traditionspreis“ (für ihr Lebenswerk) und 2010 eine „Krone der Volksmusik“ (für ihr Lebenswerk). Maria Hellwig hat die gut gemeinten Menetekel immer so kommentiert: „Ich bleibe auf der Bühne, solange die Leute mich mögen und ich mich zum Walzer drehen kann.“ Und das ging jetzt wirklich nicht mehr.

In der Nacht zu Samstag ist Maria Hellwig gestorben, 90 Jahre alt, nach einer Woche auf der Intensivstation des Krankenhauses zu Ruhpolding in Bayern, wo sie mit verschiedenen Infekten kämpfte. Krank und angeschlagen war sie nun schon länger, nahezu erblindet und häufig gestürzt. Und doch, was immer man von ihr hörte in den letzten Jahren, war eigentlich weiter dasselbe wie schon seit Jahrzehnten: Sie sang.

180 Alben und Welttourneen

Die Frau aus Reit im Winkl: dort geboren, dort wohnhaft, dort gibt es einen „Maria-Hellwig-Weg“ – und dort wird man sie am nächsten Mittwoch bestatten. Sie, die Stimme der Volksmusik, die Frau mit dem Jodeldiplom, war über die Gattungen hinweg eine der erfolgreichsten deutschen Sängerinnen, die es je gab: Mit einer Karriere über 60 Jahre, mit mehr als 500 eigenen Fernsehsendungen, 2600 Fernseh-Gastauftritten, 800 aufgenommenen Liedern, 180 Alben und Welttourneen, die sie bis Honolulu brachten und quer durch die sozialistischen Sowjetrepubliken (falls sich noch jemand erinnert – Maria Hellwig sang jedenfalls schon damals).

Der Erfolg hatte seinen Preis: Wer Maria Hellwig nicht mochte, der machte Witze über sie. Das biedere Auftreten, „Servus, Gruezi und Hallo“, die Steckfrisur, und überhaupt, die ganze sogenannte Volksmusik. Oder die siamesischen Auftritte über 45 Jahre hinweg mit ihrer Tochter, Margot Hellwig (69), wobei man in den späteren Jahren immer ganz genau hinschauen musste, wer wohl Margot war und wer Maria. Überhaupt, diese Dauerhaftigkeit. Was hat Ötzi gefragt, als er aufgeweckt wurde? „Singt Maria Hellwig noch?“

Mit fünf Jahren erstmals auf der Bühne

Jetzt ist sie tot, gestorben in einer Zeit, in der öffentlich-rechtliche Fernseh-Sender wie das ZDF die Sendeplätze für Volksmusik verringern. Die Quote stimmt nicht mehr. Die jüngeren Zuschauer sind fort. Und man muss sich ja tatsächlich fragen, was es mit einem Genre auf sich hat, dessen bedeutendstes Dickschiff bis zu diesem Wochenende eine 90-Jährige war?

Am 22. Februar 1920 ist sie geboren, in eine Elektrikerfamilie, beide Eltern sind begeisterte Laienschauspieler, und man singt zu Hause miteinander. Mit fünf Jahren steht sie erstmals auf einer Bühne, der Bühne eines Bauerntheaters, und alles zieht sie dorthin; doch zunächst wird Maria Hellwig Verkäuferin für Feinkost. Nach dem Krieg ist sie engagiert an der Hamburger Volksoper und singt dort Operetten, in den 1950er-Jahren dann nimmt ihre Volksmusik-Karriere Fahrt auf. Sie wird bis fast zum Ende nicht abgebremst, ein Zeichen will sie damit setzen: „Dass Menschen auch im hohen Alter noch aktiv sein können.“

Die letzte Tournee
mit 88 Jahren

Bis in die letzten Jahre ist Maria Hellwig immer noch aufgetreten, aber dann doch zusehends seltener. Noch als 88-Jährige fand sie die Kraft zu einer Tournee mit ihrer Tochter, ihr 90. Geburtstag im Februar war ein öffentlicher Akt, und zum letzten Mal auf der Bühne stand sie Anfang August im Festsaal Reit im Winkl. Denn Preise fürs Lebenswerk hin oder her: Dieser Präsenz bis zum Ende verdankt sie, dass sie sich der journalistischen Gattung für die Vergessenen und Zurückgelassenen, die Überrollten und die Untergegangenen nie stellen musste. „Was macht eigentlich . . . Maria Hellwig?“ wurde nie gefragt. Na klar, sie sang.