Reit im Winkl.
Königin ist sie schon lange. „Jodelkönigin”, um genau zu sein. Seit Anfang des Jahres ist sie auch offiziell gekrönt. Da hat Carolin Reiber ihr die „Krone der Volksmusik” aufgesetzt. Für ihr Lebenswerk. Am Montag wird Maria Hellwig 90 Jahre alt. Auf die Bühne zieht es sie immer noch.
Obwohl Maria Hellwig am Montag stolze 90 Jahre alt wird, zieht es sie noch immer auf die Bühne. Das war nie anders. Schon im zarten Alter von fünf Jahren hat es die Tochter eines Elektrikers aus Reit im Winkl dorthin getrieben. Bauerntheater spielt sie da und schon mit sieben die erste Hauptrolle. Sterben muss sie darin. Als sie tot ist, blinzelt sie durch die geschlossenen Augen und sieht das Publikum weinen. „Da war ich voll zufrieden.”
Klein-Maria ist auf den Geschmack gekommen. Sie will Schauspielerin werden, wird aber erst einmal Verkäuferin für Feinkost. Doch nach Feierabend lässt die Bühne sie nicht los. Zum Schauspiel kommt das Interesse am Gesang. Sie nimmt Unterricht, ist talentiert. So talentiert, dass sie ein Stipendium an der Akademie für Tonkunst in München bekommt.
In Hamburg kehrt die Liebe zurück
1941 wird Tochter Margot geboren. Doch nur ein Jahr später fällt Marias Mann Joseph in Russland. Maria kämpft sich durch, singt an der Hamburger Volksoper. Dort kehrt die Liebe zurück. 1948 wird Addi Hellwig ihr zweiter Mann. Er wird auch Mentor und Manager. Jodlerkönig Franzl Lang hat Maria den berühmten Jodelschlag gezeigt, wochenlang hat sie ihn im Keller geübt. Mehr als genug, um wenig später das Publikum in München zu begeistern.
Film und Funk werden aufmerksam. Maria nimmt Schallplatten auf, tourt mit Max Greger, spielt in Heimatfilmen. 1963 singt sie erstmals mit Tochter Margot. Zehn Jahre später erobert sie auch das Fernsehen. Im Sturm. „Die Musik kommt” heißt die Sendung, mit der Maria dem ZDF jahrelang höchste Einschaltquoten. Mitte der 1980er wechseln die Hellwigs zu RTL, moderieren erst die „Heimatmelodie”, sagen später „Gruezi, Servus und Hallo”. 500 TV-Sendungen macht Maria und tourt zwischendurch durch die ganze Welt.
Von der Jugend wird Maria Hellwig belächelt, parodiert, verspottet. Aber die Eltern der jungen Leute lieben die Frau im Dirndl. Die Hellwigs sammeln Goldene Schallplatten wie andere Leute Briefmarken, bleiben aber recht bescheiden. Bis heute lebt die Sängerin in ihrem Mehrfamilienhaus in Reit am Winkl, da wo sie einen Weg nach ihr benannt haben. „Bodenständig”, nennt Tochter Margot das.
Herz- und Augeninfarkt
1996 schlägt das Schicksal zu. Bei Tonaufnahmen in München erleidet Addi einen Herzinfarkt. Marias Körper rebelliert, für Monate ist die Stimme ohne Glanz. Außerdem erleidet sie einen Augeninfarkt, ist seitdem fast blind. „Ich habe gebetet, dass ich sterben kann“, gibt sie später zu.
Mit Hilfe ihrer Tochter kämpft sie sich ins Leben zurück. 86 Jahre alt ist sie, als sie 2006 zusammen mit Margot beim deutschen Vorentscheid zum „Grand Prix der Volksmusik” antritt. Ein Zeichen will sie damit setzen, „dass Menschen auch im Alter noch aktiv sein können”, sagt sie damals. Und auf die Bühne will sie wieder.
Das Alter aber macht es ihr zunehmend schwer, dorthin zu kommen. Weil sie kaum noch etwas sieht, ist sie mehrfach schwer gestürzt in den vergangenen Jahren, hat sich geprellt, die Wirbel gequetscht, im Januar erst die Schulter gebrochen.
Spezielle Krankengymnastik hat sie gemacht, um wieder fit zu werden für den heutigen Ehrentag, zu dem 100 Gäste erwartet werden. Nicht sang-, aber klaglos. „Meine Mutter jammert nicht”, bestätigt Margot. Und denkt auch nicht ans Aufhören. „Ich bleibe”, sagt Maria Hellwig, „auf der Bühne, solange ich mich zum Walzer drehen kann.”