Dortmund. .

Die New Yorker Noir-Popper von Interpol konnten einem Leid tun. Fast zwei Stunden spielten sie auf die Fans in der Westfalenhalle ein. Die applaudierten heftig – und bewegten sich kaum. Chronik eines schizophrenen Konzerts.

Es ist ein merkwürdiger Abend in Dortmund. Interpol gastieren in der kleinen Westfalenhalle, drei Jahre waren die New Yorker nicht in NRW. Sie haben ein neues Album eingespielt, die Songs hat kaum jemand im Saal bisher live gehört. 2000 Fans sind gekommen, es müsste Spannung herrschen, Unruhe, Vorfreude. Tatsächlich erinnert die Stimmung an einen klassischen Konzertsaal – kaum Bewegung während der Stücke, brandender Applaus danach. Wie soll man das deuten? Als generelle Zustimmung bei gleichzeitiger Unlust, sich zu bewegen?

Ein grandioses Best-of der letzten zehn Jahre

Schon klar, Interpol sind keine Überkopf-Taktklatscher, keine dieser „What’s up, Germany?“-Bands und Publikumsanheizer. Ein Glück. Und doch hat man bei ihren Konzerten schon viel mehr Bewegung gesehen. An den Songs liegt es nicht. Die Band spielt ein grandioses Best-of der letzten zehn Jahre. Stücke wie „PDA“, „Barricade“ oder „C’mere“ sind mitreißend genug, um die Tanzfläche jeder Indie-Disco zu füllen. Heute Abend dagegen: weitgehend Stillstand. Ab und zu heben sich ein paar Arme, dann versinken sie wieder, als gehörten sie zu Schiffbrüchigen, die ein letztes Mal an der Oberfläche winken.

Vielleicht liegt es am Ort. Vielleicht sollte man eine elegante Band wie Interpol, die so sehr von dichter Atmosphäre lebt, nicht in alte Mehrzweckhallen stecken. Interpol sollten in einer Film-Noir-Kulisse spielen, in einem alten Theater oder Kino vielleicht. Die kleine Westfalenhalle dagegen erinnere ihn an ein Karstadt-Foyer aus den 70ern, sagt ein Fan in Hörweite. Ganz Unrecht hat er nicht. Es gibt Momente an diesem Abend, da wünschte man sich jedenfalls, der Nebelwerfer würde noch ein bisschen nachlegen und einen Schleier über die Schwimmbadfliesen und Kassettenwände dieser Halle legen.

Zugegeben, Interpol selbst scheinen sich an der sterilen Umgebung nicht zu stören. Sänger Paul Banks (in untypischem Flannelhemd und mit Kastenbrille) wirkt entspannt und bedankt sich häufig beim Publikum. Die anderen Musiker, allen voran Gitarrist Daniel Kessler, sehen wie immer aus, als seien sie in Maßanzügen geboren. An ihnen liegt es jedenfalls nicht, dass heute Abend so viel Apathie herrscht. Immerhin: Zwischendurch blitzt sie auf, die Magie dieser Band. Beim bedrohlich anschwellenden „Lights“, zum Beispiel, bei „Rest My Chemistry“ oder dem epischen „Not Even Jail“. Plötzlich löst sich etwas von der unerklärlichen Starre im Publikum. Köpfe nicken, Beine zucken, es ist, als hätte am Ende doch jemand Batterien ins Publikum eingelegt. Und so geht man schließlich einigermaßen versöhnt nach Hause – in dem Bewusstsein, eine große Band möglicherweise am falschen Ort gesehen zu haben.