Dortmund. .

In der Westfalenhalle treffen sich Samstag die Könige des Popschlagers, Michael Wendler, Mickie Krause und Tim Toupet. Was der Ballermann-Sound noch mit Dieter Thomas Hecks Hitparade zu tun hat, erklärt Ingo Grabowsky, der die Schlager-Ausstellung im Haus der Geschichte mitkonzipiert hat.

In der Westfalenhalle treffen sich Samstag die Könige des Popschlagers, Michael Wendler, Mickie Krause und Tim Toupet. Die einen gehen hin, um zu feiern. Andere fragen sich: Was hat der Ballermannsound noch mit Dieter Thomas Hecks guter alter Hitparade zu tun? Ingo Grabowsky sollte es wissen, er hat seinerzeit die Schlager-Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte mitkonzipiert. Georg Howahl sprach mit ihm über die ungebrochene Liebe zum Schlager, die Freude an frivolem Liedgut und unsere Chancen in Oslo.

Herr Grabowsky, was heute in der Westfalenhalle zu hören sein wird, ist das noch der gute, alte Schlager?

Ingo Grabowsky: Schlager ist ja in erster Linie populäre deutschsprachige Musik. Ein Lied, das eingeschlagen hat. Das Wort Schlager kommt ja aus Österreich, erstmals ist es 1868 in Wien belegt. Wir haben also einen gemeinsamen Nenner. Auch wenn musikalisch und textlich Welten liegen zwischen dem, was Michael Wendler macht, und dem, was die Schlagerkünstler in den 60er- und 70er-Jahren angeboten haben.

Ist diese Musik besonders niederschwellig zugänglich?

Ingo Grabowsky: Die Angebote waren eigentlich immer niederschwellig. Auch wenn ein Schlagertext durchaus komplex sein konnte. Aber die Refrains, die gingen bereits in den 20ern direkt ins Ohr. Nehmen Sie nur „Wer hat denn den Käse zum Bahnhof gerollt?“ Neuer ist aber, dass vieles, was früher frivol und witzig war, heute nur noch sexualisierend und platt ist.

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Von DerWesten

Sie meinen etwa den weiten Weg von „Mein kleiner grüner Kaktus“ bis zu Krauses „Finger im Po, Mexiko“?

Ingo Grabowsky: Wobei gerade in den 20er-Jahren schon frivole Schlager mit Zweideutigkeiten unheimlich populär waren. Das sicherlich bekannteste Beispiel bis heute: „Veronika, der Lenz ist da“, das die Comedian Harmonists gesungen haben. Was dabei mit „Veronika, der Spargel wächst“ gemeint war, das kann sich der ein oder andere ausmalen. Man denke aber auch daran, was Helen Vita in den 60er-Jahren gemacht hat. Das firmierte dann als „freche Chansons aus dem alten Frankreich.“ Das waren tolle Schlagertexte, frivol und mit Millionenauflage. Die durften nur unter der Ladentheke verkauft werden. Es gab auch zahlreiche Klagen, um den Verkauf zu verhindern.

Zu Songs eines Mickie Krause gehört ein gewisser Alkoholpegel. Bei alten Schlagern musste das nicht sein.

Ingo Grabowsky: Ja, zumal es diese Schlager im ursprünglichen Sinne immer noch gibt. Die Interpreten werden es mir verzeihen: Was Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg, Annett Louisan oder Peter Maffay machen, das ist der Schlager von heute. Das sind Leute, die sich Gedanken machen über ihre Musik, über ihre Texte, und versuchen, dem Publikum in drei Minuten eine Botschaft zu vermitteln. All das also, was Schlager seit hundert Jahren schon tut.

Aber viele dieser Musiker würden sich doch vom Schlager abgrenzen, oder?

Ingo Grabowsky: Einem Jugendlichen von 15 Jahren kann ich das, was er hört, nicht als Schlager verkaufen. Dafür brauche ich einen anderen Begriff, dann nenne ich das Deutschrock oder deutschen Hiphop, was reine Marketingvokabeln sind. Wobei das, was Silbermond oder Juli machen, Schlager im klassischen Sinne ist.

Die Bastion des Schlagers ist immer noch der „Eurovision Song Contest“. Mit „Unser Star für Oslo“ werden neue Wege eingeschlagen. Was empfinden Sie dabei?

Ingo Grabowsky: Ich beobachte das mit Interesse, allerdings auch mit Bedauern für die sympathischen jungen Sängerinnen, die mitmachen. Ich fürchte, dass sie in Oslo keine Chance haben werden. Weil das Konzept zu unausgegoren ist. Wenn das Publikum den Titel auswählt, den ein Sänger singen muss, kann das nicht funktionieren. Da muss jemand hin, dem ein Lied auf den Leib geschrieben wurde. Der Sieger des letzten Jahres hat seine Choreographie monatelang vorbereiten können. Ich befürchte, dass — auch wenn wir ein großes Talent dorthin schicken – es für einen Sieg Oslo nicht ausreichen wird.

Foto: Ralf Rottmann