Dinslaken. .
Michael Wendler baut sein Märchenschloss im niederrheinischen Dinslaken, sucht eine Badewanne, die ihn flasht und kauft ein Haustier für seine einsame Tochter. Zwischendurch macht er noch zwei Bühnentechniker in Harsewinkel zur Sau - die Sat1-Sendung „Der Wendler-Clan“ lässt tief blicken.
Die Zeit für seine Tochter, die nimmt sich der Wendler jetzt einfach mal. Schließlich ist seine siebenjährige Adeline, meist Adi genannt, sehr einsam. In ihrem Kinderzimmer ist nicht viel los, dort steht eine braune Couch, Pferdeköpfe hängen an der Wand. Adi möchte einen Freund - aber „keinen Menschen, sondern ein Tier!“ Also fahren Michael Wendler und seine Frau Claudia ins Zoofachgeschäft, um fest entschlossen einen Hund zu kaufen - heraus kommen sie mit einem Mini-Schwein.
Am Sonntagabend zeigte, besser: zelebrierte, Sat1 die zweite Folge von „Der Wendler-Clan“. Eine skurrile Sendung, die aufgrund des Namens und des Selbstbewusstseins von Hauptdarsteller Michael, dem selbst ernannten „König des Popschlagers“, an den „Denver-Clan“ erinnern soll. Nur: Denver ist hier Dinslaken. Und Dinslaken ist nicht weltmännisch und opulent, sondern beschaulich, nett, bodenständig. Niederrheinisch eben. Und der Wendler ist Stadtgespräch.
Entweder den Lamborghini oder den Benz
So viele Leute gibt es in der 70.000-Einwohner Stadt nicht, die sich ein Märchenschloss bauen, wahlweise den schwarzen Lamborghini oder den Benz nehmen und von Fernsehkameras begleitet werden. Die Geschichte des 37-jährigen Michael Skowronek, gelernter Speditionskaufmann, der in die Insolvenz geriet, weil er angeblich die Millionenschulden seines Vaters übernommen hatte und sich nun angeblich in die Gewinnzone gesungen hat, kennt in Dinslaken jeder. Wendler grinst hier von Brötchentüten, war beinahe in jeder Disko.
Sat1 hat Spaß an dem Mann, der, wie es sich für eine echte Rampensau gehört, aufdreht, wenn das rote Kameralicht blinkt. Quizfrage: Welchen Musiktipp gab der Privatsender in der Werbepause? Na klar, „Der Wendler“ und das Album „Respekt“. Und noch den Best-of-Sampler obendrauf.
„Sie liebt den DJ“ wurde zum Partyhit
Michael Wendler hat Erfolg, das ist unbestritten. Sein erstes Album wurde mehr als 100.000 Mal verkauft, „Respekt“ war auf Platz zehn der Charts, die Single „Sie liebt den DJ“ wurde ein Partyhit in Deutschland und auf Mallorca. Der Schlagersänger produziert und provoziert. Und Sat1 gibt ihm die Möglichkeit, dem Fernsehpublikum seine Familie vorzustellen.
Wendler ist unterhaltsam, er ist interessant. Die ganze Sendung ist interessant. Die Nerven werden dabei nämlich vor eine seltene Prüfung gestellt: Wie lange hält man die vielen Momente des Fremdschämens aus? „Ich liebe jedes Pfund von mir. Ich find’ mich geil“, sagt der Wendler und steigt in eine mit unechten Goldtalern gefüllte Wanne, um seinen nackten und etwas fülligen Oberkörper hängt ein goldenes Dollarzeichen. Oder: Bei der Frage, wie sein neues Badezimmer aussehen könnte, stellt er klar: „Ich habe noch keine Badewanne gesehen, die mich geflasht hat.“
Manchmal weiß der Zuschauer nicht so genau, in welche Richtung der Hauptdarsteller denkt, aber weit kann es nicht sein.
Bei Wendlers Auftritt im Festzelt in Harsewinkel klappt’s mit dem Mikro und anderen Dingen nicht so, wie er will. Also wird er laut: „Was war das denn für eine Katastrophe? Die Leute zahlen hier viel Kohle und erwarten eine Supershow vom Wendler!“ Und hinterher ist er auch noch tatsächlich stolz, dass er zwei Bühnentechniker zur Sau gemacht hat.
Mutter Christine klettert auf den Bagger
Und auch die Mitmenschen des Sängers lassen das Fremdschämometer hochschnellen: Seine Frau Claudia erfüllt offenbar jedes Klischee einer Blondine, seine schräge Schwiegermutter Waltraud und sein merkwürdiger Schwiegervater Udo („Ich bin der König des Bastelns“) wollen in einem alten Wohnwagen übernachten und die Märchenschloss-Baustelle bewachen.
Außer Konkurrenz allerdings steigt Wendlers Mutter Christine in den Ring beziehungsweise auf den Bagger. Die 75-Jährige kraxelt über die Baustelle und findet es „total cool“, wie der Baggerfahrer, dem sie auf die Pelle rückt, mit der Schaufel Wände einreißt: „Das erinnert mich an meine Kindheit, als ich im Hubschrauber und im Panzer gesessen habe.“
Zurück zur einsamen Adi: Zwar geben sich Michael und Claudia bei „Zoo Zajac“ alle Mühe, einen süßen Hund zu finden, doch Hunde gibt’s hier gar nicht. Nach vielen „Uuhs“ und „Iieeehs“ entschließt sich das Dinslakener Königspaar, ein Mini-Schwein mit nach Hause zu nehmen. Obwohl Adi doch eigentlich einen Hund wollte. Naja, jetzt auch egal. Das Schweinchen wird der Siebenjährigen feierlich präsentiert. Adi, mehr verwirrt als glücklich, behält das Tier tatsächlich und füttert es in der Dusche. Der Kommentar von Oma Christine: „Ich glaube, einen Draht hätte sie mehr zu einer Katze.“ Und das Mitleid mit dem Schwein wird von Sekunde zu Sekunde größer.