Berlin. .

Wer zu Stevie Wonder geht, kriegt eine komplette Schaffenswelt geboten. Lieder in der Tonart des Lebens sang und spielte der Soul-Funk-Pop-Superstar beim einzigen Deutschlandkonzert in Berlin mit viel Coolness und noch mehr Herz.

Stevie Wonder ist cool. Womit nach popistischen Haltungskategorien nicht gelassen, lässig, kühl, sexy oder dergleichen gemeint ist. Ja, das alles irgendwie auch. Aber cool sein heißt bei diesem Mann, dessen Stimme nach nie versiegenden Freudentränen klingt, vor allem: Würde haben. Stevie Wonder hat viel davon. Unermesslich viel.

So einem verzeiht man, dass er eineinhalb Stunden später als angekündigt die Freiluftbühne der Zitadelle in Berlin-Spandau betritt. Man weiß ja: Wo Herr Wonder ist, der Mann, der bis heute noch jede nachwachsende Musikergeneration in Soul, Funk, Jazz, Rock und Pop beseelt und angespornt hat, da kommen die guten Vibrationen früher oder später wie ein warmer Regen aus Pina Colada auf einen nieder.

Wonder bewegt sich vorsichtig tastend durch „My Eyes Don’t Cry“

Diesmal fallen die ersten Tröpfchen schon bei „My Eyes Don’t Cry“. Der 60-Jährige, musikalisch nur mit einem mobilen Keyboard bekleidet, bewegt sich vorsichtig tastend durch das Lied. Solange, bis die dreizehn Musiker und Sängerinnen seiner famosen Begleitband nach und nach Sitz und Stimme gefunden haben. 7000 Menschen, die sein einziges Deutschland-Konzert besuchen, spüren in diesem Moment, es liegt etwas Besonderes in der bratenröhrenwarmen Berliner Abendluft.

Wer zu Wonder geht, kriegt eine komplette Schaffenswelt geboten. Stilübergreifend ist sie wohl am besten mit dem Titel eines der zeitlosen Alben schlechthin überschrieben: „Die Lieder in der Tonart des Lebens“. Mit Kompositionen wie „Fingertips“, „Higher Ground“ und „Don’t You Worry ‘bout A Thing“ nimmt Stevie Wonder seine Anhänger mit auf einen Abstecher in die 60er und 70er Jahre.

Max Herre und Joy Denalane schwofen am Bühnenrand mit

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Von DerWesten

Weil die Band, herausragend der blitzpräzise Mann am Schlagwerk, alles frisch und wuchtig energiegeladen interpretiert, bleibt der manchmal muffige Nostalgie-Effekt aus. Auch „Living In the City“, „For Once in My Life“, „Sir Duke“, „I Wish“, „Signed, Sealed, Delivered I’m Yours“ und das immergrün knackige „Superstition“ geraten so herzallerliebst, dass selbst die deutschen Soul-Größen Max Herre und Joy Denalane, die am Bühnenrand mitschwofen, aus dem anerkennenden Staunen gar nicht herauskommen. Und hat nicht auch da drüben am Bierstand Peter Fox gemeinsam mit anderen Stadtaffen frenetisch applaudiert?

Wo andere Showgrößen Pausen machen, sich weißes Frottee und obszön teures Mineralwasser aus tibetischen Bergseen anliefern lassen, tankt Stevie Wonder Kraft bei erlesen interpretierter Überbrückungsmusik. Bob Marley. Alicia Keys. Die Beatles. Nat King Cole. Und, natürlich, Michael Jackson.

Wonder kann sie alle. Und wie. Als Zuhörer macht man die anrührende Erfahrung, dass diese Lieder über Verliebte, Liebende und sich Entliebende in der altersmilden Bearbeitung dieses Abends eine geradezu menschheitsverbindende Kraft entwickeln – Aphorismen zur Lebensweisheit. Eben „Songs In The Key of Life“. Wonderbar!