Essen. Jan Josef Liefers ist Schauspieler, Hörbuchsprecher und Musiker. Jetzt hat er den "Soundtrack meiner Kindheit" zusammengetragen, die Klänge aus der DDR. Der Tatort-Star erzählt von seiner Jugend in Dresden und seiner Vorliebe für die kleinen Geschichten des Alltags.
Auch im echten Leben sind die Rollen von Jan Josef Liefers gut verteilt: Schauspieler ("Tatort", "Knocking On Heaven´s Door"), Hörbuchsprecher ("Der Reinfall", "Nacht des Orakels") und Musiker mit der Band Oblivion. Mit ihr ergründet er gerade den "Soundtrack meiner Kindheit" - ein Live-Ausflug in die Popmusik der DDR. Georg Howahl sprach mit Liefers über Prägungen, Zensur und Erinnerungen in Super-8.
Herr Liefers, ich dachte immer, in der DDR hätten die jungen Menschen am liebsten Westmusik gehört . . .
Liefers: Das stimmt wohl für die meisten. Ich habe damals auch lieber die Pink-Floyd- und Beatles-Platten gehört, die meine Oma aus dem Westen mitbrachte. Aber die Zeit, in der wir unsere Prägungen bekommen, liegt früher, da haben wir noch gar keinen eigenen Musikgeschmack, sondern hören Radio oder die Musik der Eltern. Bei meiner Suche nach dem Rock meiner Kindheit in der DDR stieß ich auf viel Schrott, aber auch auf Stücke, die sich so tief eingegraben haben, wie ich das nie für möglich gehalten hätte.
Den Anstoß zu ihrem Programm erhielten sie von der Ruhrtriennale . . .
Liefers: Das Programm, das wir bei "Century Of Song" in der Bochumer Jahrhunderthalle gespielt haben, hat sich inzwischen weiterentwickelt, es wurde ausgebaut, ergänzt durch Fotos, O-Töne aus den Medien meiner Kindheit, Ausschnitte aus Super-8-Filmen.
Und die Songs?
Liefers: Fürs Programm mussten die Titel zwei Kriterien erfüllen. Erstens: Sie müssen irgendwann in meinem Leben emotional was bedeutet haben. Zweitens: Man muss sie heute noch gut hören können.
In welchem Alter fängt ihr "Soundtrack" an?
Liefers: Wir beginnen 1970, da war ich sechs. Der Titel heißt "Türen öffnen sich zur Stadt". Das war der erste Rocksong, an den ich mich erinnere, eine musikalische Breitseite von den Puhdys. Und wir gehen bis Mitte der 90er Jahre. Man sieht, das ist ein relativ großzügig gefasster Kindheitsbegriff. Manchmal denke ich sogar, ich bin immer noch in der Pubertät.
War es für DDR-Bands gefährlich, Songs zu schreiben?
Liefers: Kam darauf an, was du sagen wolltest. Um die Zensur zu überlisten, ist eine spezielle Poetik entstanden. Die Texte wurden alle kontrolliert. Wenn du etwas Kritisches zu sagen hattest, dann durch die Blume. Manchmal packten die Textdichter absichtlich gewagte Zeilen in den Song, damit der Zensor sich daran festbeißen konnte, die flogen dann raus - und der Rest kam durch.
Sie haben ja auch eine Rolle beim Mauerfall bekleidet. Kommt die im Prgramm vor?
Liefers: Ein Abend, an dem ich darüber rede, wie ich am 4. November am Alexanderplatz vor 750 000 Menschen eine Rede gehalten habe oder HBO Interviews gegeben habe am Mauerstreifen, das wäre ein anderer Abend geworden. Ich will keine "Heldenstories".
Warum?
Liefers: Es geht mir um Nähe, die findet sich eher in alltäglichem, unspektakulärem. Sehe ich Filme wie "Das Leben der Anderen", finde ich sie toll gemacht und spannend erzählt, aber mein Leben in der DDR und das meiner Kumpels war anders. Die großen Ost-West-Dramen gibt es einige. Ich will den Ball flacher halten und darüber erzählen, wie bestimmte Musik mir immer wieder den Arsch gerettet hat.
Also nichts über die Unmenschlichkeit des Staats?
Liefers: Jedenfalls nicht so, wie ein Event-Zweiteiler sie erzählt. Ich weine der DDR keine Träne nach. Aber es gibt ein paar Sachen, die an mir hängen geblieben sind. An dem Abend wird´s darum gehen, dass man eine Kindheit in so einer Diktatur haben kann, ohne jeden Tag geduckt durch den Nackengriff der Stasi durchs Leben zu schleichen.
Klingt nicht aufheiternd . . .
Liefers: Wir machen garantiert keinen Betroffenheitsabend, das ist sicher. Es wird einiges zu lachen geben. Marx hat gesagt: Die Menschheit verabschiedet sich lachend von ihrer Vergangenheit. In diesem Fall stimme ich ihm ausnahmsweise mal zu.
Mussten Sie viel forschen, um die Songs zu finden?
Liefers: Ein bisschen habe ich schon in alten Kisten gewühlt. Wobei mir ein Film sehr geholfen hat, den mein Vater gedreht hat mit einer russischen 8-mm-Kamera. Da rattern so Stummfilme ab. Ich dachte: Oh Schreck, meine Kindheit ist ein Stummfilm und gleich kommt Charly Chaplin. Nach und nach habe ich darauf geachtet, was im Hintergrund passiert ist. Russische Offiziere, die durchs Bild liefen. Oder wie die Leute aussahen. Spielt da einer Saxophon? Ach nee, der kotzt gerade.
Also ein Trip in den Alltag Ihrer Kindheit?
Liefers: Ja, es gibt viel auf die Ohren. Die Tonspur zum alten Stummfilm entstand neu in meinem Kopf. Wer das hören will, soll vorbei kommen!
- Jan Josef Liefers, "Soundtrack meiner Kindheit"
- 14.2. Mülheim, Ringlokschuppen