Essen. Ferienflieger haben Startverbot, dafür heben die „Schlagerpiloten“ ab: Mit Urlaubsgefühlen im Discofoxtakt will das Trio an die Chartspitze.

Das „singende Reisebüro“ taufte Harald Schmidt einst die Flippers – weil das Trio seine genretypische Herzschmerz-Lyrik stets mit Top-Destinationen aus den Touristikkatalogen garnierte. Seit die Schlagertruppe aus Knittlingen 1986 mit großem Erfolg „Die rote Sonne von Barbados“ aufgehen ließ, kam keines ihrer Alben mehr ohne attraktive Reiseziele aus. Mit Titeln wie „Im heißen Sand von Rhodos“, „Mädchen von Capri“ oder schlicht „Mexico“ setzten die Flippers fast neun Millionen Tonträger ab.

Die Flippers als Vorbild

„Die Flippers waren Pflichtprogramm“, erinnert sich auch Kevin Marx aus Kleve (im Foto links) an die 2011 in Rente gegangenen Hit-Lieferanten. „Seit ich in den 80ern das erste Mal mit in den Partykeller durfte, gehörten ihre Songs einfach mit dazu.“ Gut drei Jahrzehnte später ist er angetreten, die von den Stars der vertonten Ferienfreude hinterlassene Lücke zu füllen. „Die Schlagerpiloten“ heißt das Trio, mit dem Marx – an der Seite von Frank Cordes (re.) aus Ibbenbüren und Stefan Peters (Mitte) aus dem fränkischen Treuchtlingen – am morgigen Freitag das neue Album „Santo Domingo“ veröffentlicht.

Mit Amigos-Manager auf Erfolgskurs

Die Chancen stehen gut, dass es ganz oben in den Charts landet. Schon das Debüt der Newcomer („Lass uns fliegen“) erreichte vor einem Jahr gleich Platz drei. Ein beachtlicher Erfolg im umkämpften Schlagermarkt, der aber kein Zufall ist. Schließlich haben die Schlagerpiloten mit Stefan Peters ein Crewmitglied, das selbst schon Hits für Andrea Berg und Fantasy produziert hat. Und als Manager der singenden Flugkapitäne sitzt Wilfried Emig im Tower – jener Mann, der auch die Geschicke der zigfach mit Gold und Platin prämierten Amigos leitet.

Das touristische Erfolgskonzept der Flippers führen die Schlagerpiloten nun noch eine Stufe weiter: In Titeln wie „Die Sterne von Santo Domingo“, „Über den Dächern von Santorin“ oder „Lady Jamaika“ werden die Sehnsuchtsziele nicht nur besungen, als fesche Flugkapitäne besorgen die Interpreten gefühlt auch noch die Anreise. Der Urlaub geht schließlich schon im Flieger los – spätestens beim Aufsetzapplaus am Zielflughafen. „Wie kommen wir in den Urlaub? Mit dem Flugzeug. Was braucht man? Piloten. Was machen wir? Schlager. Schon war der Name geboren“, erinnert sich Kevin Marx an die Taufe der Schlagerpiloten.

Aus dem Baumarkt auf die Bühne

Dass er beim hoffnungsvollen Projekt anheuern durfte, war für Kevin Marx die Erfüllung eines langgehegten Traums. Eigentlich heißt der 47-Jährige nämlich Dirk Berns und war bis vor knapp zwei Jahren noch stellvertretender Baumarktleiter. Unter seinem Künstlernamen („Kevin fand ich schon immer gut, Marx hatte ich aus dem Telefonbuch.“) versuchte sich der gelernte Metallbauer aber seit langem nebenbei als Schlagersänger. Als schließlich Stefan Peters anrief und ihm anbot, beim neuen Trio unter dem Management von Wilfried Emig mitzumachen, war das wie ein Sechser im Lotto – aber auch ein Wagnis: „Ich musste ich entscheiden: Gebe ich meinen sicheren Job auf und setze alles auf eine Karte oder lass ich es.“ Zwei Tage beriet sich der Klever mit seiner Frau, dann sagte er zu: „Ich hätte es mir später nie verziehen, es nicht versucht zu haben – schließlich ist das meine Leidenschaft.“

Begeisterung in der Grugahalle

Seitdem steht Kevin Marx in ganz Deutschland als singender Pilot auf der Bühne – wenn nicht gerade Corona die Starterlaubnis verweigert. Vor allem in Süd- und Ostdeutschland sei das Trio mit seinem Sound zwischen Flippers und Fantasy beliebt. Aber auch das Gastspiel mit den Amigos in der Essener Grugahalle „war gigantisch. Bei unserem Auftritt ist die ganze Halle aufgestanden und nach vorne zur Bühne gerannt“. Die Ballermann-Diskotheken wiederum überließen sie lieber Mickie Krause & Co. „Eigentlich haben wir mit unserer Musik die Zielgruppe 60 plus angepeilt“, so Kevin Marx. „Mittlerweile ist das Publikum aber von knapp 30 bis über 95“.

Neulich erst habe eine ältere Dame gar ihren Rollator beiseite geschoben, um mit den Schlagerpiloten ein Selfie zu machen. Es scheint, als habe das Trio mit dem Pilotenlook aufs richtige Image gesetzt: „Die Uniformen kommen überall super an!“

Fesch wie einst Tom Cruise

Vielleicht auch – oder gerade – weil die Schlagerpiloten eigentlich eher wie fesche Kapitäne aussehen. Und da ist was dran, denn was die drei so gut kleidet, ist tatsächlich die Ausgehuniform der US-Navy. Wie kommt’s? „Zuerst haben wir es mit den dunkelblauen Lufthansa-Uniformen versucht. Im Bühnenlicht sahen wir damit aber manchmal eher aus wie Sargträger“, so Kevin Marx. „Dann haben wir uns an ,Top Gun’ erinnert, da trägt Tom Cruise als Elite-Pilot auf einem Flugzeugträger die Ausgehuniform der US-Marine – und die sieht auf der Bühne einfach viel besser aus.“