Der kanadische Sänger begibt sich mit seinem vierten Album „After Hours“ auf einen wilden Ritt durch verschiedene Genres: R&B, Trap und 80er-Pop.
Ein Album mit schwermütigen R&B-Balladen? Eine Platte voller fahriger Trap-Beats? Oder doch lieber bunte 80er-Pop-Knaller? Man muss sich nicht entscheiden. Man kann auch einfach drei Alben zu einem machen. Dabei gibt es – im übertragenen Sinne – vielleicht auch mal eine blutige Nase (siehe Albumcover). Diesen Kollateralschaden nimmt Abel Makkonen Tesfaye alias The Weeknd in Kauf.
Der vierte Longplayer des Kanadiers mixt aber nicht alles durcheinander, sondern hält sich an eine Art Dramaturgie. Vielleicht ist es die Dramaturgie einer wilden, gefährlichen Nacht auf heißem Pflaster. Irgendwann gegen 4 Uhr in der Früh erreicht sie den Höhepunkt an euphorischen Gefühlen und klingt danach mit der After Hour, der Party nach der Party, aus.
Dramaturgie wilder Erlebnisse
Um in dieser Erzählung zu bleiben: Der Abend beginnt schon mit ordentlich Gravitas. Auf dem bedrohlich anschwellenden Opener „Alone Again“ winselt The Weeknd sich durch Einsamkeit und Selbstzweifel. Und er wird noch für das erste Drittel der 14 neuen Lieder in diesem Duktus bleiben. Düstere Klangbilder, schwere, traurige Beats und nervöse Untertöne schaffen eine Atmosphäre aus Unruhe und gleichzeitiger Melancholie, die fast cineastisch groß wirkt. Dieser erste Teil des Albums kulminiert in der Überballade „Scared To Live“, die auf ein Sample von Eltons Johns „Your Song“ zurückgreift.
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Monotoner und nicht weniger bedrückend geht es dann weiter. Mit der vernebelten Trap-Nummer „Snowchild“ leitet The Weeknd den musikalisch uninteressantesten Part der Geschichte ein. Es dröhnt und rumpelt, wie es das im Trap eben muss, melodisch ist aber wenig Finesse zu erkennen. Erzählerisch lässt dieser Teil umso tiefer in eine Seele aus Abgründen blicken. Es geht um gekauften Sex, verworfene Liebe, sinnlosen Luxus, Sucht und Sinnkrisen („Escape From LA“, „Heartless“).
Endlich geht es auf die Tanzfläche
Und dann wird dieser Platte ihre eigenen Schwere auf einmal selbst zu viel. Mit dem Hit „Blinding Lights“ geht es endlich auf die Tanzfläche. Besser hat selten jemand von A-has „Take On Me“ geklaut, die Nummer erklomm vollkommen zurecht als Vorab-Single in 24 Ländern die Chartspitze. Angekommen im Elektropop, dreht The Weeknd dort gleich noch ein paar Extrarunden mit „In Your Eyes“ (Saxofon-Solo!) und der Midtempo-Synthie-Ballade „Save Your Tears“, ehe die 80er-Jahre wieder vorbei sind.
Ein spätes Highlight des Albums ist schließlich der Titelsong „After Hours“. Eine hypnotische Clubnummer für die späte Stunde. Man torkelt schon, tanzt aber trotzig weiter. Solange bis die Morgen-Danach-Depression schließlich gewinnt. Eine Stunde lang ist man ihm bis dahin gerne gefolgt, mit vielen herausragend starken Momenten.
Hinweis: Noch gibt es Logenkarten für das Konzert von The Weeknd am 9.11. in der Kölner Lanxess Arena ab 192 Euro.
The Weeknd >> After Hours
Republic (Universal Music)
Wertung: 4 / 5 Punkten