Düsseldorf. Udo Jürgens bleibt der Musik auch mit 75 treu. Tournee, Gala und neue CD sind geplant. Musikalisch hat er es schon lange gewusst, dass mit 66 Jahren nicht Schluss ist. Lang noch nicht. Nun wird Udo Jürgens am 30. September 75 Jahre alt. Ruhestand? Ist immer noch kein Thema.

Das Sakko ist grau, die Haare sind es nicht. Gut sieht Udo Jürgens aus, wie er leichten Fußes am Tisch Platz nimmt und ein Mineralwasser ohne Kohlensäure ordert. Trotzdem wird er über sein Alter sprechen müssen. Oder vielleicht gerade deshalb.

Seine „Einfach ich”-Tour setzt er demnächst fort. Zusatzkonzerte, wegen großer Nachfrage. Eine TV-Gala im ZDF und eine neue Best-Of-CD gibt es auch zum 75. Geburtstag. Aber von Stress will Udo nicht sprechen. Vor allem nicht, wenn es um die Tournee geht. Schon weil „das ganze Drumherum viel entspannter ist, als früher”. Flieger statt Bus und ausreichend Pausen zwischendurch.

Spielt lieber vor 10.000 Menschen Klavier

„Außerdem”, sagt Jürgens, „bin ich unheimlich gerne Musiker.” Und was wäre denn die Alternative? „Im Liegestuhl liegen und auf Krankheiten warten.” Das ist nichts für einen wie Udo. „Da sitze ich lieber vor 10.000 Menschen und spiele Klavier.”

Seit über 40 Jahren macht er das schon. Und noch immer sind die Hallen voll. „Man muss einfach glaubwürdig sein”, versucht er seinen dauerhaften Erfolg zu erklären. Gute Stimme schadet allerdings auch nicht. Selbst wenn man – wie Jürgens – eigentlich nie Sänger werden wollte. „Songschreiber”, war sein Traum, „Gershwin” sein Vorbild. Gesungen hat er anfangs nur, „weil ich meine Kompositionen beim Musikverlag vorspielen musste”. Dabei ist er entdeckt worden.

Gershwin war ein Vorbild

So untypisch seine Karriere begonnen hat, so untypisch ist sie weiter gegangen. „Ich hatte nur ganz wenige Nummer eins-Hits.” Und für jemanden, der bei vielen Menschen als Schlagersänger gilt, „auch kaum echte Liebeslieder”. Aber Evergreens hat Jürgens. Jede Menge. So viele, dass daraus ein Musical geworden ist. Und mehr als genug, um noch immer die Hallen zu füllen.

Sollte sich das einmal ändern, dann will er abtreten. „Wenn das Publikum mir die rote Karte zeigt, ist Schluss.” Das kann noch dauern. Auch weil sich seine Lieder bei jungen Menschen großer Beliebtheit erfreuen. Gerade erst haben die Sportfreunde Stiller, „Ich war noch niemals in New York” gecovert. „Gefreut” hat das Jürgens – auch wenn er sich den Song „etwas progressiver” gewünscht hätte.

So wird Udo seine Bühnenkarriere wohl nur selbst beenden können. „Wenn ich mich selbst als Zumutung auf der Bühne empfinde.” Damit das noch dauert, achtet Jürgens auf seine Gesundheit. Isst und trinkt nur noch in Maßen und treibt seit kurzem sogar Sport. Täglich 400 Meter Schwimmen und sechs Kilometer auf dem Rad. „Das ist nicht viel”, gibt der Sänger zu. Aber selbst dabei wird ihm schon langweilig. „Was ich in dieser Zeit alles machen könnte.”

Mit russischen Dichtern in andere Welten

Tour- und TV-Pläne

"Einfach ich" heißt die Tournee, bei der Udo Jürgens seine Hits präsentiert. Im November tritt er vier mal in der Region auf: am 10. November in der Unihalle in Wuppertal, am 13. November in der Düsseldorfer Philipshalle, am 14. November in der Arena in Köln und am 15. November in der Grugahalle in Essen. Am 18 September erscheint ein Best-of-Album.

Im Fernsehen gibt es Sondersendungen zu Jürgens' 75.: am 26. September das Porträt "Mein Leben" (Arte, 17.10 Uhr), am 30. September die ZDF-Gala zum Geburtstag (20.15 Uhr). Und am 3. November startet das ZDF eine Udo-Jürgens Kultnacht mit einem Konzertmitschnitt (ab 0.20 Uhr).

Lesen zum Beispiel, eintauchen in große Literatur. Französische Philosophen, russische Dichter, „sie versetzen mich in andere Welten”. Oder Musik hören. „Nie im Hintergrund, immer ganz bewusst.” Oder reden. Über Politik, das Fernsehen, Liebe oder Musik. Jürgens mag das. Er kann es auch. Aus Erfahrung. Und weil er mit offenen Augen durchs Leben geht. „Immer neugierig.”

Nur im Internet fühlt er sich nicht zu Hause. „Als ich auf den Internet-Zug aufspringen wollte, war er schon abgefahren.” Leute hat er, die sich um seine Präsenz im Netz kümmern. Ansonsten braucht er das Internet nicht. Weil er lieber Briefe schreibt statt einer E-Mail. Und weil er auch ohne Facebook schon genug Freunde hat. Mit den engsten von ihnen feiert er am 30. September Geburtstag. Eine feste Partnerin wird nicht dabei sein. Er sei kein Typ für eine feste Beziehung, ist Jürgens mittlerweile überzeugt.

Entspannt wirkt der Sänger kurz vor dem Jubiläumstag. Wie einer, der keinem mehr etwas beweisen muss. „Ich mache nur noch Dinge, hinter denen ich voll und ganz stehe”, bestätigt Jürgens. Nur bei seinen Konzerten geht er Kompromisse ein. „Mit Abschiedsliedern muss ich in meinem Alter vorsichtig sein”, sagt er und schmunzelt. „Sonst denken die Leute, dass ich bald sterben muss.”