Dortmund. Hier ist der Wunsch der Who, zu sterben bevor man alt wird („My Generation“) erfreulicherweise nicht in Erfüllung gegangen: Phillip Boa, Ruhrpott-Indie-Urgestein und 46 Jahre alt, tat sich für sein aktuelles Album „Diamond Fall“ mit Jaki Liebezeit, 71, zusammen.

Als Jaki Liebezeit seine erste Schallplatte veröffentlichte (mit Freejazzer Manfred Schoof), war Boa gerade drei Jahre alt. In Folge spielte der in Dresden geborene Schlagzeuger mit Michael Rother und Joachim Witt, Zeltinger und Brian Eno, Jah Wobble, Eurithmics und Depeche Mode. Vor allem aber mit Can, die schon mit ihrem ersten Album „Monster Movie“ international Aufsehen erregten.

Phillip Boa (Foto: imago)
Phillip Boa (Foto: imago)

Jetzt hat Phillip Boa diese Schlagzeuglegende noch mal auf die Bühne geholt. Für insgesamt fünf Konzerte, dessen letztes am Samstag im Düsseldorfer Zakk stattfindet.

Wir befragten Phillip Boa zur Zusammenarbeit mit Jaki Liebezeit.

Kannst Du Dich an das erste Mal erinnern als Du Can hörtest?

Phillip Boa: Meine erste Platte der Band Can entdeckte ich indirekt über die Band PIL (Public Image Ltd.), die Band des Sex Pistols-Sängers John Lydon; der damalige Bassist dieser Band war Jah Wobble, ein vom Dubreggae beeinflusster Londoner.

Als Überfan von PIL und auch von Wobble kaufte ich mir sofort - muss Anfang der 80er gewesen sein - eine 12"-Single mit einem Projekt von Jah Wobble und Jaki Liebezeit und Holger Czukay von Can.

Sowohl diese Maxisingle als auch danach die Platten von Can faszinierten mich sehr und trugen entscheidend dazu bei, einen eigenen Stil für mich als Musiker zu definieren.

Ich erinnere mich, dass ich ein paar Jahre später den gesamten umfangreichen Backkatalog von Can von der Managerin der Band aus Südfrankreich bestellen ließ. Der Drummer, Jaki, war mein Lieblingsmusiker von Can.

"Ignoriere das Alter!"

Dein letztes Album war quasi ein Drei-Generationen-Werk: Dein Produzent und Gitarrist ist in den Zwanzigern, Du Mitte 40, Jaki Liebezeit über 70. Wie ergänzen sich die unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen?

Boa: Für mich sind das zunächst Zahlen. 29, 45, 70 ... das ist irrelevant. Das Leben und seine Träume, Visionen, Ideen, Fantasie ... das geschieht in deinem Kopf.

Fuck das Alter, ich meine: Ignoriere es, denn es ist nicht mehr als eine hässliche Nebensache.

Allerdings mag ich dieses sehr strenge Konzept, mit drei Generationen zu arbeiten; die Generationen haben ganz verschiedene Einflüsse und Erfahrungen, andere Ideen, Sichtweisen. Die zu vereinigen ist meine Stärke, fast meine Berufung.

Auch mit Musikern aus verschiedenen Musikrichtungen etwas Gemeinsames zu schaffen, das trotzdem authentisch ist, war von Beginn meiner "Karriere" immer eine gute Herausforderung.

Das Konzert mit Jaki Liebezeit in Düsseldorf am 17. Oktober ist das fünfte und letzte. Womit hat Dich Jaki bislang am meisten überrascht?

Boa: Live war diese Aufgabe des "Dirigenten", besonders in der Probephase, eine grosse Herausforderung.

Jaki ist es nicht gewohnt, zu Arrangements und Songstrukturen zu spielen; Kurz vor dem ersten Auftritt in Hamburg überkam Jaki eine Sinnkrise und er kippte mir drei ältere Phillip Boa-Lieder aus dem Programm und wir diskutierten wie aufgebrachte Studenten mit ihrem Professor. Nach dem Konzert stellte sich heraus, dass Jaki dadurch seine Nervosität ausgedrückt hatte.

Nach dem Auftritt grinste er mich an wie ein glückliches Baby und gab mir "fünf". Ab dem Punkt war das Eis gebrochen.

In Berlin saßen wir Sonntag beide leicht wehmütig im Frühstücksraum, da es ja jetzt nun fast vorbei ist. Wir hatten alle das Gefühl,dass wir der Pop/Rockmusik einige einmalige Momente herauskitzeln konnten.