Essen. Die Indie-Band aus Seattle ist zu einem Trio geschrumpft. Ihr achtes Studioalbum „Kintsugi“, das nun erscheint, ist dennoch ein starker Neustart.

Personelle wie private Veränderungen haben die Welt von Death Cab For Cutie gehörig auf den Kopf gestellt. Was auf „Kintsugi“, dem achten Album der amerikanischen Indie-Rock-Institution, für einen charmanten Rückblick nach vorne sorgt.

Vier Jahre sind seit dem letzten DCFC-Album „Codes And Keys” vergangen. Und in dieser Zeit hat sich bei der Band aus dem Nordwesten der USA einiges getan. Am Frappierendsten: Der Ausstieg von Gründungsmitglied, Gitarrist und Stamm-Produzent Chris Walla, der das verbliebene Line-up um Drummer Jason McGerr, Bassist Nick Harmer und Frontmann Ben Gibbard vor eine echte Herausforderung stellt. „Er spielt noch auf sämtlichen Songs des neuen Albums, aber er hat es erstmals nicht produziert und uns kurz vor Ende der Aufnahmen zu verstehen gegeben, dass er dringend einen Tapetenwechsel braucht. Also, dass er in Zukunft gerne etwas anderes machen würde“, gibt Gibbard zu Protokoll. „Und selbst, wenn ich darin eine Chance für einen Neuanfang sehe, so ist es doch etwas, was wir als Band erst einmal verarbeiten müssen. Einfach, weil es so einer tiefen Zäsur entspricht.“

Genau wie seine eigene Scheidung von Schauspielerin Zooey Deschanel („New Girl“) Ende 2012, die für einen Umzug von Los Angeles in seine alte Heimat Seattle sowie für eine kritische Analyse seiner gerade mal dreijährigen Kurzehe und seiner Zeit in der Stadt der Engel sorgt. Mit ungewohnt bissigen Texten, in denen er ganz offen mit dem Jetset-Leben und der Oberflächlichkeit seiner Ex abrechnet. „Es ist nicht leicht, einen Partner zu haben, der so in der Öffentlichkeit steht. Aber ich verstehe bis heute nicht, was da schiefgelaufen ist und wie wir uns so auseinanderleben konnten. Denn eigentlich haben wir perfekt zueinander gepasst – oder besser: Das habe ich immer geglaubt. Im Nachhinein würde ich sagen, dass es wahrscheinlich mit LA zu tun hat, einem Ort, an dem ich mich nie richtig wohl gefühlt habe.“

Ben Gibbard: „Wir stehen zu den Veränderungen“

Doch selbst wenn der 38-jährige Gibbard Momente der Melancholie, Nostalgie und Wehmut hat: Im Großen und Ganzen ist „Kintsugi“, das von Rich Costey (u.a. Muse) betreut wurde, sehr optimistisch und erweist sich zudem als ein lupenreiner Rückblick nach vorne – auch in Bezug auf den Titel, der sich bei der japanischen Kunst des Reparierens von zerbrochener Keramik mit Edelmetallen wie Gold bedient – und der einhergehenden Philosophie, dass es besser ist, zu den Spuren einer Reparatur zu stehen, als sie verschleiern zu wollen. „Ich denke, das ist der beste Titel, den wir wählen konnten“, sinniert Gibbard. „Er bringt unsere aktuelle Situation auf den Punkt und zeigt, dass wir positiv damit umgehen. Denn: Wir stehen zu den Veränderungen – und wir sind gespannt, was sich daraus ergibt.“

Nachzuhören Ende Juni, wenn Death Cab For Cutie für drei Konzerte nach Deutschland kommt – darunter Headliner-Gigs beim Hurricane- und Southside-Festival. Zu sehen sind sie auch am 27. Juni beim Open Source Festival auf der Düsseldorfer Galopprennbahn.

Von Gitarren getragen: Das neue Album „Kintsugi“ 

Fünf der elf Songs ihres am heutigen Freitag erscheinenden Albums „Kintsugi“ (Atlantic) teilen Death Cab For Cutie schon seit Wochen im Netz. Es ist, als ob die Band es nicht abwarten konnte, ihr Seelenleben auszubreiten.

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Es sind Texte voller Schmerz und Düsternis, in denen Ben Gibbard mit den vergangenen Jahren abrechnet und zugleich nach vorn blickt. Jedes Scheitern habe auch etwas Schönes, singt Gibbard in der ersten Single „Black Sun“. Auch im melancholischen, von Gitarren getragenen „Little Wanderer“ sinniert er in einem Hotelzimmer in Tokio über die Tristesse einer Fernbeziehung, um doch darin eine Chance zu sehen: I hope your absence makes us grow fonder/I hope we always feel the same.

Musikalisch kehren Death Cab For Cutie auf „Kintsugi“ zu ihren Indie-Rock-Wurzeln zurück. Stücke wie „No Room In Frame“ oder „The Ghosts Of Beverly“ erinnern an die grandiosen Klangbilder der erfolgreichen Frühwerke „Transatlanticism“ (2003) oder „Plans“ (2005) – aufgepeppt mit Pop und Synthie, doch typische Death-Cab-Songs, die man auf „Kintsugi“ immer und immer wieder hören mag. „Es musste ja etwas Brillantes geschehen“, heißt es in der letzten Zeile des letzten Lieds „Binary Sea“. Falls damit der Neustart der Band gemeint war: stimmt.

Wertung: Fünf von fünf Sternen