Essen. US-Autor Don Winslow, dessen Surfer-Krimis preisgekrönte Geheimtipps waren, kann auch Bestseller: In „Vergeltung“ enthüllt er die Anatomie eines islamistischen Terrornetzwerks – und die tumbe Furchtsamkeit der Geheimdienste.

Jetzt wird es ernst. Don Winslow, der mit seinen sprachgewaltigen Krimis um die Drogen- und Surfer-Szene Kaliforniens auf einer internationalen Erfolgswelle ritt, wagt sich im neuen Thriller „Vergeltung“ ans Staatstragende: Die Anatomie eines islamistischen Terrornetzwerks enthüllt er ebenso wie die tumbe Furchtsamkeit der Geheimdienste.

Dave Collins ist ein Ex-Elitesoldat, nun zuständig für die Sicherheit des Kennedy Airport in New York. Als seine Frau und sein Sohn bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen, verliert er zugleich das Vertrauen in seine Regierung: Denn das FBI deklariert den Terrorangriff um zu einem schnöden technischen Versagen. Doch Dave Collins schwört Rache: Und versammelt einen Söldnertrupp um sich, den die Hinterbliebenen des Absturzes mit ihren Entschädigungen bezahlen.

Stoff, aus dem die Helden sind

Hart und schnell feuert Winslow die Sätze auf seine Leser ab, rasant schaltet er von Collins zum Terroristenführer Abdullah Aziz und zurück. In ihm porträtiert er zugleich die weltweit vernetzte Szene der Dschihadisten und zeigt mit feinsinniger Ironie, dass es auch den religiös motivierten Gotteskriegern um sehr weltliche Dinge geht – Geld und Macht.

Auch interessant

Don Winslow, 1953 als Sohn einer Bibliothekarin und eines Marinesoldaten geboren, hat unter anderem Militärgeschichte studiert. In „Vergeltung“ gibt er einen Crashkurs in moderner Kriegstechnik – von biochemischen Waffen bis hin zu Raketen, die per Gesichtserkennung ihr Ziel finden. Zugleich spielt er gekonnt mit den altbewährten Versatzstücken seines Genres, wenn er Kameradschaft und Durchhaltewillen, aber auch Loyalität und Herzensbildung preist – der Stoff, aus dem die Helden sind.

Seit Don Winslows Roman „Zeit des Zorns“ von Oliver Stone verfilmt wurde und unter dem Titel „Savages“ 2012 in die Kinos kam, ist Winslow auch in Deutschland Kult. Dem literarischen Gehalt seiner Werke entsprechend wird er in Deutschland vom Suhrkamp-Verlag veröffentlicht. Treue Winslow-Fans dürften in „Vergeltung“ die coole, unkonventionelle Erzählweise seiner bisherigen (Surfer-)Krimis vermissen, die er hier einer zwar spannenden, aber doch eher konventionellen Machart geopfert hat. Andererseits: Kann man es einem Schriftsteller verdenken, dass er vom preisgekrönten ewigen Geheimtipp endlich zum Bestsellerautor werden will?

  • Don Winslow: Vergeltung. Suhrkamp, 491 S., 14,99 €