Essen. Thomas Mann trifft seine große Liebe nach über 25 Jahren auf der Düsseldorfer „Königsallee“ wieder. Schriftsteller Hans Pleschinski erzählt mit Stil und Fabulierlust davon in seinem neuen Roman.

Warum sollte es in der Welt der Literatur denn auch gerechter zugehen als in der übrigen? Eigentlich müsste Hans Pleschinski zu den namhaften, gerühmten, bewunderten Autoren unseres Landes gehören. Doch er schreibt einen großen Roman nach dem anderen, ohne dass mehr als ein eher kleiner Kreis von Bewunderern davon Kenntnis nähme.

Dabei bringt der 1956 in Celle geborene, literarisch aber eher in seiner Wahlheimat München aufgewachsene Pleschinski all das mit, wonach sich alle gesehnt haben, denen die Antworten der Pop-Literatur in den Neunziger und Nuller-Jahren auf das gewollt Sperrige der Literatur in der alten Bundesrepublik zu glatt, zu dürftig waren: einen eleganten Stil, viel Witz und eine noch größere Fabulierlust, einen schier unendlichen, aber unaufdringlichen Bildungshorizont.

Was hat dieser Pleschinski nicht schon alles geschrieben – Literatursatiren („Gabi Lenz“), einen Mittelalterroman („Pest und Moor“), einen Kulturkrimi („Brabant“) und Gegenwartsromane „für Unzufriedene und Glückssucher“, wie er es nennt („Leichtes Licht“, „Ludwigshöhe“). Er hat den Briefwechsel zwischen Voltaire und Friedrich II. übersetzt und herausgegeben.

Männer-Kuss unter Tränen

Und nun die vielleicht größte Herausforderung: Ein Thomas-Mann-Roman, der von einem Besuch des Nobelpreisträgers im Düsseldorf des Jahres 1954 berichtet, von den Mühen, Umständen und Kalamitäten seiner Einquartierung im noblen Breidenbacher Hof. Mann reist an – und wie es der unwahrscheinliche Zufall will, logiert auch seine große Liebe des Jahres 1927 dort, Klaus Heuser, mit dem er einmal unter Tränen einen Kuss getauscht hat und der das äußerliche Vorbild wurde für den Joseph seines dreibändigen Religionserschaffungsromans, aber auch für den Felix Krull, der ihm in der Nachkriegszeit einen ungeahnten Erfolg in Deutschland bescherte.

Bild: Verlag CH Beck
Bild: Verlag CH Beck

Es ist vor allem der heitere, nicht zu stark an Mann gemahnende Stil dieses Romans, der das Geschehen lächelnd ausbreitet, ohne bei aller Ironie die Wirklichkeit eines immer noch von reaktionärem Geist, von weinerlichem Selbstmitleid und die Schuld wie besinnungslos wegarbeitenden Volkes zu vergessen. Mann kommt so kapriziös daher, wie man es erwarten kann, aber die übrigen Figuren von seiner hyperaktiven Erika über seine Beschützerin Katia und den ewigen Verlierer Golo sind mit kräftigen, nicht allzu rücksichtsvollen Strichen gezeichnet.

Anspielungen auf Manns Werke

Dazu gibt es Anspielungen von den „Saaltöchtern“ über „buchenswerte“ Ereignisse quer durch das Werk von Thomas Mann. Dessen Anhängern könnte dieser auf einen dramatischen Höhepunkt zulaufende Roman ein wenig zu sehr nach dem Muster von Thomas Manns Goethe-Roman „Lotte in Weimar“ gebaut sein – aber Hans Pleschinski müsste ihnen entgegnen: Das ist ja gerade der Witz!