Soziologin Eva Illouz erklärt das Bestseller-Phänomen mit moderner Liebessehnsucht: Im heute erscheinenden Büchlein „Die neue Liebesordnung“ nennt sie die Trilogie von E.L. James einen Gegenentwurf zu modernen Beziehungsproblemen.
Über zwanzig Millionen Menschen fesselte E.L. James weltweit mit der Sado-Maso-Trilogie „Shades of Grey“; in Deutschland fand die Geschichte um die naive Studentin Ana und den, nun ja, dominanten Unternehmer Grey bisher 6,6 Millionen Leser. Vielmehr: Leserinnen. Der Erfolg des „Mami-Pornos“ erhitzte auch die Feministinnen. Träumen emanzipierte Frauen im 21. Jahrhundert von sexueller Unterwerfung – und, fast noch schlimmer, vom Ritter auf dem hohen (weißen) Ross?
Heute erscheint im Suhrkamp-Verlag ein schmales Büchlein, das die emanzipatorische Ehre der Shades-of-Grey-Leserinnen retten könnte. Die Soziologin Eva Illouz, die moderne Liebesbeziehungen zu erklären vermag wie keine sonst, meint: Es geht weniger um sexuelle denn um „kulturelle Phantasien“ – und auch nicht um Unterwerfung. Das Buch wurde zum Bestseller, weil es einen Gegenentwurf zu modernen Beziehungen beschreibt, indem es ein Problem erkennt und eine Lösung anbietet.
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Das Problem: Bereits in ihrem eigenen Bestseller mit dem schönen Titel „Warum Liebe weh tut“ hat Illouz den rasanten Wandel des Beziehungsmarktes skizziert. Im Roman sei Grey nun der Modellfall männlicher Bindungsangst. Ana hingegen kann anfangs nur mutmaßen, ob ihm der Sex „etwas bedeutet“. Auch typisch! Moderne Beziehungen seien von derlei Unsicherheiten geprägt: Wegen der neuen „genussorientierten“ Sexualität und der vielen möglichen Rollenmodelle. Und weil heutige Beziehungen auf Gleichheit beruhen, auf einem Konsens, der ständig neu zu verhandeln sei. Darunter leidet das Begehren. Denn dies, so Illouz, lässt sich eben nicht verhandeln. Es wird freiwillig gegeben. Oder eben gar nicht mehr: So entsteht serielle Monogamie.
Die Lösung: Im Buch wandelt sich Grey von unnahbar zu fürsorglich, Ana gewinnt Autonomie. Warum? Illouz meint: In der von Grey und Ana praktizierten Sexualität wird das Begehren „seiner theatralischen Inszenierung untergeordnet“ – sie sei „hochgradig formalisiert und insofern angstfrei“. Die Verbindlichkeit der Rollen spiegele moderne Sehnsüchte.
Illouz spricht von einer „Erotik der Selbsthilfe“, die eher Anleitung denn Antörner sein wolle – und betont, dass es ja gar nicht immer die Frauen seien, die bei derartigen Spielen die Rollen der Unterlegenen einnähmen. Womit sie dann auch die Feministinnen mit ihrer Interpretation gefesselt haben dürfte.
- Eva Illouz: Die neue Liebesordnung.
- edition suhrkamp digital
- 88 Seiten
- 7,99 €
- E-Book 6,99 €