Essen. In “Maps to the Stars“ rechnet David Cronenberg auf bizarre Weise mit der Filmmetropole ab. Dafür, dass es in dem Film kaum jemanden gibt, den man als halbwegs bei Verstand bezeichnen könnte, führt der Regisseur den Zuschauer erstaunlich behutsam in das Geschehen ein.

Der Kanadier David Cronenberg nimmt die Figuren seiner Filme gern auseinander. In seinen frühen Horrorfilmen („Parasiten-Mörder“) machte er sich noch direkt an den Körpern zu schaffen. Inzwischen aber zeigt er uns in Filmen wie „A History of Violence“ oder „Eastern Promises“ mit sadistischer Zielstrebigkeit, zu wie viel Grausamkeit der Mensch fähig sein kann. Seinen neuen Film „Maps to the Stars“ bezeichnet er selbst als Satire, dabei ist diese bizarre Abrechnung mit der „Traumfabrik“ Hollywood auch ein Horrorfilm – voll von gründlich verkorksten Individuen, die längst wissen, wie die Hölle aussieht.

Dafür, dass es in diesem Film kaum jemanden gibt, den man als geistig gesund bezeichnen könnte, führt Cronenberg den Zuschauer geradezu behutsam in den Wahnsinn ein. Die junge Agatha (Mia Wasikowska) etwa, die man als Heimkehrerin nach Los Angeles kennenlernt, umweht anfangs nur eine gewisse Traurigkeit. Tatsächlich aber ist sie gerade aus einer psychiatrischen Klinik entlassen worden, weil sie einst ihren kleinen Bruder ruhig gestellt hat, um danach das elterliche Haus in Flammen aufgehen zu lassen. Nun will sie Frieden schließen mit ihrer Familie, obwohl so etwas bei Menschen, die mit Hollywood in Berührung gekommen sind, so gut wie unmöglich scheint.

Der Geist der verstorbenen Mutter schwebt über ihr

Nach und nach lernen wir die anderen Gestalten in diesem Schreckenskarussell kennen. Ein besonderes Exemplar ist Benjie (Evan Bird), Agathas 13-jähriger Bruder, der es im Fernsehen zum Kinderstar gebracht hat. Eine Entziehungskur hat dieser größenwahnsinnige Knirps bereits hinter sich, verursacht wohl auch durch die geisterhafte Erscheinung eines todkranken Mädchens, dem er zu viel Hoffnung gemacht hat. Nun wird er von Anspruchsdenken schier zerrissen und verliert endgültig die Kontrolle, als er bemerkt, dass neue Götter um ihn herum heranwachsen.

Die in die Jahre gekommene Schauspielerin Havana Segrand (Julianne Moore) wiederum wird im gespenstischen Hollywood vom Geist ihrer verstorbenen Mutter heimgesucht, die mal ein Star war und von deren erfolgreichstem Film nun ein Remake gedreht werden soll. Havana setzt alle Hebel in Bewegung, um diese Rolle zu bekommen und so in die Haut ihrer Mutter schlüpfen zu können. Der gefährliche Kreis geistig nicht ganz gesunder Menschen schließt sich, als Brandstifterin Agatha den Job als Havanas „Persönliche Assistentin“ ergattert.

Fabelhafte Julianne Moore

Trotz ihrer Neurosen bleibt es nicht aus, dass man diese Havana irgendwie zu mögen beginnt. Vor allem wohl deshalb, weil die fabelhafte Julianne Moore aus ihr ein Wesen aus Fleisch und Blut zu machen versteht, das sich mit seinen Existenz-Ängsten deutlich absetzt von den makabren Gestalten, mit denen Cronenberg sein Hollywood ansonsten bevölkert. Auch den Limousinen-Chauffeur Jerome (Robert Pattinson) muss man noch hervorheben, der mit stoischem Gleichmut sein Schicksal akzeptiert. Den anfangs so hoffnungsvollen Schauspieler sieht man am Ende mit Blondhaar-Perücke als Kleindarsteller am Set eines billigen Science-Fiction-Films.

Noch nie zuvor hat Cronenberg in Hollywood gedreht, nun hat er für „Maps to the Stars“ zumindest eine Woche dort gedreht, um der Verfilmung des Romans von Hollywood-Kritiker Bruce Wagner authentisches Flair zu verleihen. Das Ergebnis ist ein Werk, in dem am Ende Inzucht und Wahnsinn regieren, man an antike Tragödien denken muss – und „Hollywood Babylon“ damit vermutlich gut getroffen ist.

Wertung: vier von fünf Sternen