Stuttgart. Wie fernab die “Bauer sucht Frau“-Idylle von der Realität ist, zeigt die Dokumentation “Sauacker“. Zwischen Agrarreformen und Generationenkonflikt blickt sie hinter die Kuhstallfassade.
"Jeder isch dr Schmied vo seim Glück" lässt sich Philipp Kienle auf den Unterarm tätowieren. Eingerahmt von einer 17 und einer 25. 1725 ist das Jahr, in dem seine Familie sich erstmals bei Sigmaringen am Rande der Schwäbischen Alb als Landwirte niederlässt. Zum 30. Geburtstag bekommt Philipp den Hof geschenkt. In zehnter Generation soll er den inzwischen unwirtschaftlich gewordenen Betrieb fortführen. Das will der junge Landwirt auch, sprudelt voller Ideen. Immer wieder in die Quere kommt ihm jedoch Vater Konrad, der per se stets eine gegenteilige Meinung zu vertreten scheint.
Doch Regisseur Tobias Müller bringt mit der Dokumentation "Sauacker" nicht nur eine schwäbische Bauernfamilie samt Generationskonflikten auf die Kinoleinwand. Er will mehr: "Es gibt keinen anderen Industriezweig in Deutschland, der in den letzten Jahrzehnten auch nur annähernd einen so starken Rationalisierungsprozess durchlaufen hat wie unsere Landwirtschaft", sagt Müller laut Presseheft. "Wenn in Berlin oder Brüssel von einigen Lobbyisten Gesetze beschlossen werden, ist die Tragweite oft nicht vorhersehbar."
Landwirt Philipp arbeitet nebenher im Stahlwerk
Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums geben ihm recht und zeigen wie beispielhaft die Kienles für eine ganze Branche stehen: Das Bild vom Bauern, der mit seiner Familie den Hof bewirtschaftet, entspricht demnach in mehr als 90 Prozent der Fälle durchaus der Realität. Doch nur noch gut die Hälfte der Landwirte lebt hauptsächlich von der Landwirtschaft. Auch Philipp arbeitet nebenher im Stahlwerk. Weiter heißt es: "Die neun Prozent der Betriebe, die als Personengesellschaft, GmbH, Genossenschaft oder AG geführt werden, bewirtschaften zusammen ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche." Agrarreformen treffen die Kleinen also besonders.
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Das verdeutlicht auch "Sauacker". Die Schweinezucht entspricht nicht mehr EU-Normen. 5000 verkaufte Liter Milch pro Kuh sind zu wenig, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Will Philipp etwas ändern, zeigt sich Konrad stur - obwohl er die Erfahrungen mit seinem Vater selbst als "Mordskampf" beschreibt. Sogar bei Philipps Familienplanung mischt Konrad sich ein. Das Credo des Juniors nach Frank Sinatra: "I did it my way." Sein Lieblingstier: die Ente. "Die kann fliegen, schwimmen, tauchen und laufen. Die kann alles - aber halt auch nicht so wirklich gut." Selbst die Mutter findet ihn ein bisschen naiv.
Bauernhof hat wenig mit Ferien- und Fernsehidylle zu tun
Die Doku zeigt neben schönen Bildern von Feldarbeit im Sonnenschein, dass das Leben auf dem Bauernhof wenig mit Ferien- und Fernsehidylle zu tun hat. Süße Tiere spielen nur am Rande eine Rolle. Weil Müller den Protagonisten so nah kommt, ist der Film nicht nur ein platter Beitrag über Probleme auf dem Land. Auch wenn vor allem die Gespräche auf dem Hof für nichtschwäbische Ohren untertitelt werden müssen.
"Ich würde mir wünschen, dass Bauern und Bevölkerung wieder mehr Berührungspunkte haben", sagt Müller. Bauern sollten Wertschätzung für ihre Arbeit direkt erfahren. Verbraucher sollten erleben, unter welchen Schwierigkeiten ihre Lebensmittel entstehen. Der Film ist ein kleiner, liebevoll gestalteter Schritt auf diesem Weg. (dpa)