Essen. Hollywood stieg früh ins Thema Irak ein und musste an den Kinokassen Niederlagen hinnehmen. Ein Problem ist, dass sich der Zuschauer im Gegensatz zum Vietnam-Film nur schwer mit den Figuren identifizieren kann.

Es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass man Filme über einen Krieg erst drehen sollte, wenn der letzte fahnengeschmückte Sarg heimgeflogen worden ist. Für den Irak-Krieg warf Hollywood diesen Grundsatz jedoch über Bord, was zu einer bemerkenswerten Reihe von Flops führte.

Der 2. Weltkrieg bot Gründe, die Kamera anzuwerfen, als die Kugeln noch flogen: Als sich John Wayne bereits 1942 ins Jagdflugzeug schwang, um die Japaner auf der Leinwand das Fürchten zu lehren, diente das der Steigerung der Moral von Truppe und Bevölkerung – in einem Großkonflikt, in dem zum letzten Mal die Rollen von Gut und Böse ganz klar aufgeteilt waren. Doch als John Wayne während des Vietnam-Kriegs „The Green Berets” (1968) drehte, wurde daraus ein echter Propaganda-Schinken, den man heute nur noch schwer ertragen kann. Auch weil bekannt ist, in welchem Fiasko das Vietnam-Abenteuer endete.

Tommy Lee Jones hisst das Notsignal

Ein weiteres Motiv, Kriegsfilme nicht während des Krieges zu drehen, ist naheliegend: Es ist schwierig, Kritik an den eigenen Truppen zu äußern, weil einem sonst schnell ein Dolchstoß mit der Kamera unterstellt wird. Wer schlau ist, bedient sich deswegen eines Kunstgriffs: „MASH”, Robert Altmans bitterböse Satire von 1970, spielte im Korea-Krieg, doch jeder wusste, dass Vietnam gemeint war.

So gesehen wäre jetzt eigentlich die Zeit für ein Comeback des Vietnam-Films, nicht zuletzt weil gewisse Details des aktuellen Konflikts an das Engagement in Südostasien erinnern: ein Volk, das seine „Retter” nicht als solche empfindet; Aufständische, die eine hochüberlegene Rüstungsmaschinerie in Bedrängnis bringen. Doch der einzige erwähnenswerte Vietnam-Film dieses Jahrzehnts ist die Parodie „Tropic Thunder”, in der Robert Downey Jr. einen Schauspieler darstellt, der das „Method Acting” etwas zu ernst nimmt und so lange in seiner Rolle bleiben will, bis der Audio-Kommentar für die DVD eingesprochen ist. Lustig, aber wenig sachdienlich.

Heute sind nur Freiwillige im Einsatz

Dass Irak-Filme trotz teils beträchtlicher Star-Power untergingen („Home of the Brave” mit Samuel L. Jackson und Jessica Biel spielte in den USA 52 000 Dollar ein, was vielleicht die Sandwiches am Set refinanzierte) hat aber einen weiteren Hintergrund. Während nach Vietnam Wehrpflichtige geschickt wurden, sind heute im Irak nur Freiwillige im Einsatz. Im politisch aufgeladenen Klima der späten 60er-Jahre wurden junge Amerikaner – überspitzt formuliert – erst zuhause verarscht und dann in ein fremdes Land verfrachtet, wo Sprengfallen warteten und sie auf Leute schießen sollten, die ihnen nichts getan haben. Viele Kriegsheimkehrer wurden später sozusagen als Zugabe von der Gesellschaft abgelehnt (auch Rambo wollte, ehrlich, keinen Ärger und verwandelte sich erst in eine Ein-Mann-Armee, nachdem ihn die Kleinstadt-Sheriffs in Oregon bis aufs Blut demütigten).

"Apocalypse Now" als definitive Studie des Wahnsinns

Mit Figuren, die in solche Alptraum-Szenarien geworfen werden und zu überleben versuchen, kann sich der Zuschauer viel besser identifizieren als etwa mit den Berufssoldaten aus Kathryn Bigelows aktuellem Kino-Film „Tödliches Kommando”. Der Streifen dreht sich um Staff Sergeant James, der Bomben auf den Straßen von Bagdad entschärft und nur noch die Armee als Lebensinhalt hat – sein Privatleben ist implodiert, wir erfahren allerdings nicht warum. „Tödliches Kommando” erreichte ein relativ gutes Ergebnis an der Kasse und punktete bei Festivals, doch ist er meilenweit entfernt von den Meisterwerken des Vietnam-Films, der sich in den 70ern und 80ern zum eigenen Genre entwickelte. 1979, vier Jahre nach Abzug der letzten Amerikaner, kam mit „Apocalypse Now” die definitive Studie des Wahnsinns in Uniform ins Kino, inklusive Surfen unter Granatfeuer und Playmate-Show mitten im Dschungel.

Wenn es bis jetzt einen akzeptablen Irak-Film gegeben hat, dann ist es „Im Tal von Elah” (2007), in dem Tommy Lee Jones einen früheren Militärpolizisten spielt, der den rätselhaften Tod seines Sohns nach dessen Rückkehr aus dem Nahen Osten untersucht. Bei den Ermittlungen stößt der einfache, wortkarge Mann auf unbequeme Wahrheiten. Am Ende stoppt er emotional schwer beschädigt an einem Fahnenmast in seiner Heimatstadt und dreht die US-Flagge auf den Kopf – das alte Signal für eine ernste Notlage.